Die große Reform der Rieserrente wird seit Jahren gefordert. Nun könnte sie endlich kommen. Doch an anderer Stelle wird den Deutschen die private Vorsorge erschwert.

Noch darf man gespannt sein, wie das neue Konzept fürs private Rentensparen heißen wird, aber immer lauter werden die Stimmen, die sagen: Die Koalition will es nun bald final vorstellen und sie auch noch in diesem Jahr durchs Parlament bringen. Sie will damit das private Altersvorsorgesparen neu ordnen. Das wäre die längst überfällige Reform des Riestersparens und kursierte bisher unter dem Namen Altersvorsorgedepot. Und einerseits wäre es höchst erfreulich, wenn die Regierung hier wirklich den Turbo einlegen würde. Denn den hat das Rentensystem inzwischen bitter nötig. Andererseits aber erntet die Koalition damit nur die tiefhängendsten Früchte, die in der gesamten Rentenreformdebatte zu finden sind.

Denn zur Erinnerung: Seit Jahren schon mahnen Wirtschaftsweise, Sachverständige und etliche Finanzmarktbeteiligte, wie wenig die Riester-Rente funktioniert und dass das private Rentensparen daher einer dringenden Reform bedürfe. Die lag auch quasi unterschriftsreif bei der Vorgängerregierung auf dem Tisch und auch die Zustimmung der CDU zum Altersvorsorgedepot galt als sicher. Nur zerbrach die Ampel schneller, als sie es noch durchwinken konnte. Deswegen will die große Koalition nun einen neuen Anlauf nehmen. 

Für die Rente selbst sparen

Im Kern ist die Idee: Künftig soll jede und jeder auf einem gesonderten Depot privat fürs Alter sparen können. Bevorzugt mit Fonds und Indexfonds, die ihm eine lukrative Rendite ermöglichen. Aber auch mit konservativeren Methoden wie Versicherungen, falls gewünscht. Vom Staat gibt es Zuschüsse – aber künftig ohne die bisher hochkomplizierten Detailberechnungen – zudem sollen die Erträge des Depots in der Ansparphase bis zur Rente steuerfrei bleiben. Das wäre ein großer Vorteil, denn so könnte sich der Zinseszinseffekt voll entfalten, weil die jährlichen Zugewinne unterwegs nicht durch Abgaben geschmälert würde. Auch Umschichtungen sollen im Depot möglich sein. Niemand muss also ewig an den gewählten Fonds oder ETFs festhalten, nur weil er sich einmal dafür entschieden hat.

Die richtige Auswahl der Produkte könnte der Staat den Bürgern auch erleichtern, so betonten die Wirtschaftssachverständigen dieser Tage noch einmal: Der Staat könnte eine Vorauswahl an geeigneten Fonds treffen und sie zentral beschaffen. Über die staatliche Plattform könnten die Sparer sie dann kaufen. Und eine staatliche Behörde könnte sogar selber einen Fonds bewirtschaften, der genau für dieses Ziel gedacht ist. Das wäre günstig und praktisch. So machen es bereits die Schweden, bei denen das glänzend funktioniert. Und auch in Deutschland gibt es bereits den staatlichen Fonds Kenfo, der bisher die Gelder für den Atomausstieg managt. Er erzielte bisher beachtliche Renditen. Mit Spekulation hat all das also nichts zu tun, sondern mit seriöser, langfristiger und zudem umsichtiger Geldanlage.

All das wäre so unglaublich viel besser als die jetzigen starren Riester-Verträge der vielen Versicherer, mit denen die allermeisten Kunden es nicht einmal schaffen, auch nur den Anstieg der Inflation wettzumachen. Die Versicherungsbranche hatte 20 Jahre lang Zeit, ihre Leistungsfähigkeit bei Riester unter Beweis zu stellen. Sie hat diese Möglichkeit nicht genutzt. Jetzt wäre endlich die Fondsbranche an der Reihe, damit stünden den Sparern künftig deutlich lukrativere Wege zum Dauersparen offen. Und hoffentlich viel flexiblere Auszahlungsmöglichkeiten. Denn es soll möglich sein, aus dem Vorsorgedepot zu Rentenbeginn auch höhere Einmalbeträge zu entnehmen, wenn zum Beispiel noch eine Immobilie entschuldet werden muss. Oder altersgerecht umgebaut.

Altersvorsorgedepot: Eine echte Erleichterung!

Noch sind viele Details zum Vorsorgekonto nicht festgezurrt. Deswegen muss man abwarten, was die Koalition genau vorlegt und auf welche Änderungen sich die Ausschüsse anschließend noch einigen. Aber klar ist: Für alle, die genügend Geld haben, noch privat fürs Alter vorzusorgen, wäre es eine Revolution, und eine große Erleichterung, wenn dieses Altersvorsorgedepot wirklich käme. Wie auch immer es letztlich hieße.

Man muss aber genauso deutlich sagen: Der große Wurf fürs deutsche Rentensystem wäre diese Neuregelung nicht. Die Reform bei den privaten Sparverträgen wäre völlig losgelöst vom System der gesetzlichen Rente – auf die bekanntlich in absehbarer Zeit enorme Finanzierungsschwierigkeiten zurollen. Genau dagegen tut die Regierung bisher nichts, im Gegenteil: Sie verschärft diese Finanznot sogar noch, wenn sie ihr Rentenpaket II durchs Parlament bringt. Das ist jene Reform, die nicht nur die teure Ausweitung der Mütterrente bedeuten würde, sondern auch über 2031 hinaus an der 48-Prozent-Haltelinie festhalten will. Das aber nähme allen jüngeren Einzahlern die Möglichkeit, mit künftigen Lohnsteigerungen die stetig steigenden Renteneinkünfte der Älteren zu finanzieren. In den vergangenen Jahren sind die Renten nämlich nicht gesunken, sondern enorm gestiegen. Von daher ist es folgerichtig, dass einige Jungpolitiker gegen das Rentenpaket opponieren.

Wenn den Jüngeren aber künftig noch weniger vom Gehalt übrigbleibt, weil sie noch höhere Beiträge in die Rentenkasse zahlen müssen – wozu das Rentenpaket wohl zwangsläufig führt – dann torpediert das im Grunde auch das Vorsorgedepot. Denn wie sollen die Beschäftigten privat mehr vorsorgen, wenn sie immer weniger Geld dafür zur Verfügung haben? Die großen Lohnsteigerungen – nach Steuern und Abgaben – erleben die meisten Beschäftigten nämlich nicht. Einen Teil fressen Inflation und steigende Mieten, der Rest geht für höhere Krankenkassen- und Rentenbeiträge drauf. Schon jetzt sagen laut repräsentativen Umfragen bloß 57 Prozent der Bundesbürger, dass sie fürs Alter sparen. Mehr werden es wohl auch nicht, wenn die wirklich nötige Reform des gesetzlichen Rentensystems weiter aufgeschoben wird.

Unsere stern-Kolumnistin Nadine Oberhuber startet nun auch einen Newsletter, in dem sie jeden Freitag alle Fragen rund ums Geld beantwortet. Hier können Sie ihn abonnieren.