Der langjährige kenianische Oppositionsführer Raila Odinga ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 80 Jahren während eines Besuchs in Indien, wie die dortige Polizei mitteilte. Odinga sei während eines Spaziergangs zusammengebrochen und dann im Krankenhaus für tot erklärt worden. Odinga war in den vergangenen Jahrzehnten eine prägende Figur der kenianischen Politik, auch wenn er fünf Mal bei Präsidentschaftswahlen unterlag.

Der kenianische Präsident William Ruto würdigte den Verstorbenen als „Kenias vordersten Staatsmann und einen der größten Söhne Afrikas“. Ruto rief eine siebentägige Staatstrauer aus und ordnete ein Staatsbegräbnis für Odinga an. Vor dessen Haus in der kenianischen Hauptstadt Nairobi versammelten sich hunderte Trauernde. Viele trugen Zweige, was ein symbolischer Ausdruck des Respekts ist. Manche riefen „Baba“ (Vater) – so wurde Odinga häufig genannt. 

Der 80-Jährige war aus gesundheitlichen Gründen nach Indien gereist. Dort habe er im südlichen Bundesstaat Kerala mit seiner Schwester, seiner Tochter und seinem Leibarzt einen Morgenspaziergang unternommen, „als er plötzlich zusammenbrach“, teilte ein örtlicher Polizeisprecher mit. 

Odinga sei mit Atembeschwerden kollabiert und vor Ort zunächst wiederbelebt worden, sagte ein Krankenhaussprecher. Nach dem Transport in das nahe Krankenhaus Sreedhareeyam Ayurvedic Eye sei er verstorben: „Trotz wiederholter Bemühungen der Ärzte verschlechterte sich sein Zustand, und die Ärzte konnten ihn nicht retten.“

Odinga war zuletzt im Jahr 2022 als Präsidentschaftskandidat gescheitert. Für seine wiederholten Niederlagen im Rennen um das höchste Staatsamt machte er in vier seiner insgesamt fünf Kandidaturen Wahlbetrug verantwortlich. Sein Tod hinterlässt eine große Führungslücke in der kenianischen Opposition. Kein anderer Oppositionsvertreter hat derzeit das Charisma und die Anziehungskraft Odingas. Die nächste Präsidentschaftswahl in dem ostafrikanischen Land steht 2027 an.

Odinga war insbesondere in seiner Heimatregion im Westen Kenias in der Lage, große Menschenmengen zu mobilisieren. Er präsentierte sich stets als anti-elitärer Systemkritiker. Doch gehörte er einer der führenden politischen Dynastien Kenias an – sein Vater war nach der Unabhängigkeit 1963 der erste Vizepräsident des Landes.

Odinga gehörte dem Volk der Luo an, der nach abweichenden Schätzungen dritt- oder viertgrößten Ethnie des Landes. Als junger Mann studierte er in den 1960er-Jahren in der DDR Maschinenbau. 

Seine frühen Jahre als Politiker verbrachte Odinga entweder im Gefängnis oder im Exil. Während der autokratischen Regierungszeit von Präsident Daniel arap Moi (1978-2002) war Odinga ein Kämpfer für die Demokratie. 1992 zog er in das kenianische Parlament ein, 1997 kandidierte er erstmals für das Präsidentenamt. 

Nach seiner erneuten Niederlage als Präsidentschaftskandidat im Jahr 2007 brachen schwere Unruhen aus, bei denen mehr als 1100 Menschen getötet wurden. Odinga übernahm dann im Zuge einer Vereinbarung zur Aufteilung der Macht 2008 das Amt des Ministerpräsidenten, das er fünf Jahre lang ausübte 

Odinga litt in seinen letzten Lebensjahren an Gesundheitsproblemen, die auch seine gerühmten rhetorischen Fähigkeiten einschränkten. Seine Popularität ließ etwas nach, auch weil er politische Allianzen mit dem früheren Präsidenten Uhuru Kenyatta und dem heutigen Amtsinhaber Ruto einging.

Mit seiner zweiten Frau Ida war Odinga rund 50 Jahre verheiratet, er hinterlässt drei Kinder und fünf Enkel. Einen seiner Söhne benannte er nach dem kubanischen Revolutionär Fidel Castro. 

dja/ck