Vor der ersten Lesung im Bundestag diese Woche fordert die Union noch Änderungen am neuen Wehrdienstgesetz – nun gibt es offenbar erste Ergebnisse in den Gesprächen mit der SPD. Demnach könnten konkrete Zielvorgaben zur Zahl der nötigen Rekruten kommen, um gegebenenfalls auch verpflichtend Wehrdienstleistende einzuziehen, wenn diese nicht erreicht werden. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch betonte aber, Priorität liege weiter auf der Freiwilligkeit. 

Es sei aus seiner Sicht richtig, dass „Zieldaten“ bei der Zahl der nötigen Freiwilligen genannt würden, sagte Miersch den Sendern RTL und ntv. „Aber es gibt nicht den Tag XY, wo man dann den Hebel umschaltet und einen Automatismus einsetzt.“

Der Gesetzentwurf von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) soll am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten werden. Er sieht vor, dass ab kommendem Jahr junge Männer einen Fragebogen ausfüllen müssen. Geeignete Kandidaten werden dann zur Musterung geladen. Die Entscheidung für den Wehrdienst soll aber freiwillig bleiben. 

Die Union hält dies nicht für ausreichend und verlangt Änderungen in Richtung eines Automatismus, wenn Zielgrößen nicht erreicht würden. In Pistorius‘ Gesetzentwurf ist auch ein Umschwenken auf eine Wehrpflicht vorgesehen, wenn Rekrutierungsziele nicht erfüllt werden. Es gibt aber keinen Automatismus, keine festgelegte Zahl und keinen festgelegten Zeitpunkt für eine Aktivierung der Wehrpflicht. Nötig dafür wäre auch die Zustimmung des Bundestags.

Nach einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Sonntag haben sich die Fraktionen von Union uns SPD in dem Streit auf einen Kompromiss geeinigt. Demnach soll ein Losverfahren darüber entscheiden, wer gemustert wird. Für den Fall, dass es nicht genügend Freiwillige gibt, sollten die Ausgelosten anschließend auch zu einem mindestens sechsmonatigen Wehrdienst verpflichtet werden. Pistorius soll den Angaben zufolge nun konkrete Zahlen nennen, ab welchem Zeitpunkt er wie viele Wehrdienstleistende benötige.

Miersch dementierte eine Vereinbarung zu einem Losverfahren nicht, sah darin aber nicht die Priorität. „Entscheidend für uns ist, dass wir erst mal mit der Freiwilligkeit beginnen (…) Da reden wir überhaupt nicht über Losverfahren etc., sondern wir wollen, dass junge Menschen wirklich auch sehen: Dieser Dienst ist durchaus attraktiv.“ Das solle durch die Bezahlung bis hin zur Unterstützung für den Führerschein verdeutlicht werden. Deswegen hoffe er, dass es genügend Interessenten geben wird. Ein Losverfahren könne erst in einem weiteren Schritt eine Rolle spielen.

Weder Union noch SPD wollten eine Einigung konkret bestätigen. Die Verhandlungen liefen noch, hieß es aus Fraktionskreisen. Dort wurde darauf verwiesen, dass es nach der ersten Lesung am Donnerstag ohnehin noch Verhandlungen im zuständigen Ausschuss über den Gesetzentwurf geben werde. Auch ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums wollte den RND-Bericht nicht bewerten und verwies auf die Gespräche im Parlament.

BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht kritisierte Pläne für ein Losverfahren zur Musterung. Ein solches Modell sei „maximal ungerecht“ und „verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft“, sagte sie dem Portal t-online. Dies habe nichts mit Gleichheit vor dem Gesetz und Gleichbehandlung der Bürger zu tun. Der Vorstoß sei eine faktische Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Die Deutsche Bischofskonferenz bekräfigte ihre Position, dass Freiwilligkeit beim Wehrdienst „vor Verpflichtung“ kommen müsse. Eingriffe in die Freiheitsrechte der Einzelnen müssten „stets einer besonderen Begründungspflicht unterliegen“, erklärte die Bischofskonferenz unter Verweis auf ein schon Ende September verabschiedetes Positionspapier zur Wehrpflicht. „Pflichtdienste dürften daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommen“.

Die Bischöfe sprechen sich deshalb für „ein gestuftes Modell“ aus. „Zunächst sollten freiwillige Wehrdienstleistende gewonnen werden; verpflichtende Maßnahmen dürften nur als letztes Mittel ergriffen werden – wenn nämlich nicht anders die militärische Verteidigung sichergestellt werden könne.“ Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung müsse in jedem Fall „uneingeschränkt gewährleistet bleiben“.