Nach dem Abschied aus der Regierung spricht Wiebke Osigus über emotionale Momente, alte Rollenbilder und ihre Pläne für die Zukunft im Landtag.
Niedersachsens frühere Europaministerin Wiebke Osigus wehrt sich gegen den Vorwurf, in ihrer Amtszeit zu wenig sichtbar gewesen zu sein. „Geräuschlose Politik ist unsexy“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. „Aber wenn wir in der Regionalentwicklung konkrete Verbesserungen erreicht haben, dann war das für die Menschen ein Hauptgewinn. Auch wenn mein Name nicht auf der Titelseite stand.“
Die 44 Jahre alte Juristin hatte das Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und regionale Entwicklung 2022 übernommen. Im April 2025 kündigte der neue Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) an, das Ressort aufzulösen und die Aufgaben in die Staatskanzlei zu verlagern. Mit der Kabinettsbildung am 20. Mai schied Osigus aus der Regierung aus. Nachfolgerin als Ministerin in der Staatskanzlei wurde Melanie Walter (SPD).
Abschied mit Applaus
Ganz ohne Emotionen verlief der Abschied nicht. „Als ich erklärt habe, dass ich für die neue Struktur nicht zur Verfügung stehe, gab es zum Abschied Standing Ovations in der Fraktion. Das war für mich ein sehr emotionaler Moment.“ Die Wochen danach seien eine „Achterbahnfahrt“ gewesen, erst viel Tempo und dann eine Phase der Stille. Sie habe in fast drei Jahren als Ministerin viele Unwägbarkeiten gemeistert. „Wir sind solide durchgekommen, darauf bin ich stolz.“
Ihr Ausscheiden aus der Landesregierung habe sie selbst entschieden. „Halbe Sachen gibt es mit mir nicht. Wenn ich nicht voll dahinterstehe, kann ich ein Team nicht führen“, sagte sie. Ein auf Europa reduziertes Ressort mit starker Präsenz in Brüssel – und dafür ohne die Bundesangelegenheiten – entsprach nicht ihrer Vorstellung: „Dafür muss man brennen, sonst ist man die falsche Frau an der Spitze.“
Alte Rollenbilder statt Sachkritik
Die Opposition hatte Osigus‘ Wirken als Ministerin als zu blass kritisiert. Diese Kritik weist sie nicht rundweg zurück, verteidigt aber ihre Arbeit. „Sachliche Kritik nehme ich ernst. Aber wenn es darum geht, ob ich Kinder habe, ob ich eine Frau bin oder ob ich schon genug geführt habe – das sind alte Rollenbilder. Solche Vorwürfe sind unsachlich und belasten Politik bis heute.“
Das Ministerium war seit seiner Einrichtung 2017 immer wieder umstritten. Der Bund der Steuerzahler und die CDU hatten es als überflüssig kritisiert. Lies begründete die Auflösung mit dem Ziel, Europapolitik zur Chefsache zu machen.
Zwei Siege gegen den CDU-Chef
Politisch bleibt Osigus im Landtag verwurzelt. „Ich habe meinen Wahlkreis zweimal direkt gegen Sebastian Lechner gewonnen: 2017 und 2022“, sagte sie über den CDU-Fraktionschef. „Berlin reizt mich nicht. Ich bin Niedersachse und bleibe Niedersachse.“
Ob 2027 ein drittes Duell im Wahlkreis Neustadt/Wunstorf folgt, lässt sie offen – eine Richtung gibt sie dennoch vor: „Wenn ich mir für 2027 etwas wünschen dürfte, dann eine Aufgabe, für die ich brenne, bei der ich Rückhalt habe und bei der ich den Menschen in meinem Wahlkreis in die Augen schauen kann.“
Auch als einfache Abgeordnete bleibt Osigus nach eigenen Angaben für viele Bürgerinnen und Bürger sichtbar. „Selbst wenn ich abends im Kapuzenpulli im Supermarkt eine Tiefkühlpizza kaufe: Im Wahlkreis bin ich trotzdem Politikerin und werde angesprochen.“