Die politische Gewalt in den USA erreicht mit dem Attentat auf Charlie Kirk einen neuen Höhepunkt. Donald Trump ruft zur Mäßigung auf. Die Presse zweifelt, dass sich etwas ändert.

Während seiner Rede auf dem Campus der Utah Valley University erschießt ein Unbekannter den politischen Aktivisten und Trump-Vertrauten Charlie Kirk. Amerika trauert, ehemalige US-Präsidenten sprechen den Hinterbliebenen ihr Beileid aus, Donald Trump und seine Anhänger wittern hinter dem Attentat Täter aus den Reihen der Linken. Noch ist vieles unklar, zum Beispiel, warum Kirk getötet wurde und wer wirklich hinter dem Anschlag steckt. Das FBI fahndet derweil mit Fotos von Videoaufnahmen nach dem unbekannten Täter.

Unterdessen blickt die deutsche Presse mit Argwohn auf die Reaktionen in den USA.

Trump-Lager heizt politische Gewalt weiter an

„Lausitzer Rundschau“: „Das Attentat ist aber nicht nur ein Auswuchs der laschen Waffengesetze. Es ist auch das Ergebnis eines politischen Diskurses, der von Hass, Rachsucht und der Dämonisierung Andersdenkender geprägt ist. Dazu hat wiederum Kirks großer Held, US-Präsident Donald Trump, maßgeblich beigetragen. Trump spricht von ‚radikalen Demokraten‘, die ‚Amerika zerstören wollen‘. Er hatte seinerzeit zur Inhaftierung seiner Gegnerin Hillary Clinton aufgerufen. Bei Wahlkampfveranstaltungen hat Trump Sicherheitskräfte aufgefordert, Kritiker zu verprügeln. Kirk ist das jüngste Beispiel für die Folgen. Hinter dem Anschlag auf Kirk verbirgt sich wahrscheinlich ein glühender MAGA-Gegner. Der Hass und die Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, trifft nämlich beide Seiten.“

„Reutlinger General-Anzeiger“: „Die US-Verfassung gewährt jedem US-Bürger das Recht, eine Waffe zu tragen. Der Grundgedanke dabei ist, dass das amerikanische Volk das Recht – wenn nicht gar die Pflicht – hat, sich gegen die staatliche Obrigkeit zu erheben, sollte diese versuchen, die verfassungsmäßige Ordnung abzuschaffen. Dass der ein oder andere fehlgeleitete Patriot dieses Szenario nun als gegeben ansieht und unter dem Deckmäntelchen der Verfassung zur Tat schreitet, darf einen angesichts der radikalen Trump-Agenda kaum überraschen. Die beiden politischen Lager stehen sich unversöhnlich gegenüber. Wenn sich nicht bald Stimmen der Mäßigung Gehör verschaffen, droht den USA erneut ein blutiger Bürgerkrieg. Im Gegensatz zum letzten dürfte sich das Kräfteverhältnis jedoch gewandelt haben. Das Recht auf Waffenbesitz, das die Demokratie eigentlich schützen sollte, könnte ihr am Ende den Todesstoß versetzen – welch Ironie.“

Trump nutzt Charlie Kirks Tod für sich

„Badische Zeitung“: „Trump bekundete Kirks Familie zunächst sein Beileid. Kurz danach aber machte er einzig die politische Opposition für Kirks Tod verantwortlich. Zu diesem Zeitpunkt war der Täter nicht gefasst und das Motiv unbekannt – klar erschien nur eines: Um ein Ende der extremen Polarisierung bemüht sich dieser Präsident nicht.“

Badische Neueste Nachrichten“: „Charlie Kirk vertrat legitime konservative Ansichten. Er redete Donald Trump aber auch bei gefährlichen Lügen das Wort, etwa bei jener von der gestohlenen Wahl. Der 31-jährige Familienvater war jedoch ebenso jemand, der den Dialog mit der Linken suchte, ein Held der Meinungsfreiheit. Man hätte sich gewünscht, dass Trump innehält und erneut Demut zeigt. Zumal zunächst keinerlei Erkenntnisse über das Motiv vorlagen. Doch der US-Präsident machte sich umgehend daran, schamlos Kapital aus der Tat zu schlagen.“

Friedliche Meinungsäußerung gefährdet

„Ludwigsburger Kreizseitung“: „Eine Vielzahl politischer Gewalttaten sorgte in den vergangenen Jahren für Entsetzen, doch nur wenige haben landesweit die Gemüter so erregt. Bilder der Bluttat im Internet, hämische Kommentare politischer Gegner, Donald Trump, der ‚radikalen Linken‘ die Schuld zuschiebt, bevor der Schütze gefunden wurde, und der Kirk zu einem Märtyrer seiner MAGA-Bewegung macht – all das wird die Stimmung weiter vergiften. Der Präsident sollte die Nation einen, doch für ihn und seinesgleichen zählen nur die Opfer unter seinen Anhängern. Es ist zu befürchten, dass es zu Racheaktionen kommt, die wiederum Gegenreaktionen hervorrufen. Schlimmstenfalls droht den USA, die als Ordnungsmacht ohnehin zunehmend ausfallen, eine Welle der Gewalt, die ihren internationalen Einfluss noch weiter schmälert. Sehr zur Freude Moskaus, Pekings und Teherans.“

„Stuttgarter Zeitung“: „US-Bürger lehnen Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung mit großer Mehrheit ab. Zu viele aber verabschieden sich vom Ideal des friedlichen Meinungsstreits. Dass die USA in Waffen schwimmen, verschlimmert die Lage weiter. Die Intensität des politischen Streits wird sicher nicht abnehmen. Und Teile der öffentlichen Rede werden – verdorben durch X und Tiktok – auch nicht wieder zivilisierter. Das gilt übrigens auch diesseits des Atlantiks. Umso wichtiger wäre es, wenn die Eliten mit gutem Beispiel vorangingen und sich gemäßigter und mit mehr Empathie äußern würden. Und diejenigen, die politische Gewalt billigen, müssen dazu gebracht werden, ihre Gegenüber nicht länger zu dämonisieren.“

„Frankfurter Rundschau“: „Leider werden die Appelle zum Gewaltverzicht nach dem Attentat auf den Trump-Unterstützer Charlie Kirk verpuffen. Gewalt ist in der politischen Auseinandersetzung in den USA keine Ausnahme, sie gehört dazu. Der Schock und die Appelle nach diesen Tragödien verändern aber weder das politische Klima, noch das Verhalten von Politikerinnen und Politikern. Einige wie US-Präsident Donald Trump legitimieren Gewalt oder rufen dazu auf. Drohungen sind allgegenwärtig, werden medial verstärkt und sorgen mit Verschwörungstheorien und das sinkende Vertrauen in demokratische Institutionen für eine zunehmend aggressivere Stimmung. Leicht verfügbare Waffen tun ihr Übriges. All das ist genauso bekannt wie Schritte der Deeskalation, um den Weg in eine Systemkrise umzukehren. Die immer wieder aufwallenden Debatten über ein Waffenverbot etwa blieben erfolglos. Es gibt keine Anzeichen für eine Veränderung, weshalb Charlie Kirk wohl nicht das letzte Opfer politischer Gewalt in den USA bleiben dürfte.“

T-Online: „Das Attentat droht Amerikas Abwärtsspirale in Richtung gewaltsamer Konfrontation noch weiter zu vertiefen. (…) Politische Gewalt ist dabei, sich in den USA zu normalisieren. In einigen Fällen wird sie sogar heroisiert. Hinzu kommen eine extrem unübersichtliche Situation im eigenen Land und eine explosive Weltlage, in der Desinformationen, Lügen und Halbwahrheiten wie ein Treibstoff wirken. Mit jedem politischen Attentat stirbt in Amerika etwas, das früher selbstverständlich schien: das Grundvertrauen in die Demokratie.“