Die Umstellung der Rentenbesteuerung führte bei manchen zu einer Doppelbesteuerung. Wie Sie herausfinden, ob Sie betroffen sind, und was Sie dann dagegen tun können.

Früher mussten Beschäftigte die Einzahlungen zur Rente aus versteuertem Einkommen leisten, dafür waren die Rentenzahlungen dann steuerfrei. Das war die vorgelagerte Besteuerung. Doch dieses System musste der Gesetzgeber ändern, weil es zu einer Ungleichbehandlung von Angestellten und Beamten führte. Seit 2005 gilt nun der Übergang zur nachgelagerten Besteuerung, das heißt: Die Beiträge zur Rente blieben seitdem Schritt für Schritt steuerfrei, zunächst zu 60 Prozent, später mehr. Während die Rentenzahlungen schrittweise besteuert wurden. Seit 2005 zu mindestens 50 Prozent, mit jedem Jahr ein bisschen mehr. 

Ursprünglich sollte im Jahr 2040 gelten, dass Renten dann zu 100 Prozent besteuert würden. Jetzt aber ist dieser Zeitpunkt nach hinten gewandert und die Vollbesteuerung greift erst 2058. Dafür sind bereits seit 2023 die Beiträge zur Rente komplett steuerfrei möglich.

Klagen gegen Doppelbesteuerung

Der Grund dafür waren Klagen von Rentnern, die seit 2005 doppelt besteuert wurden: Sie leisteten Rentenbeiträge aus bereits versteuertem Einkommen und unterlagen in der Rentenphase zudem steuerlichen Abzügen. Ein Knackpunkt war dabei: Das ansteigende Renteneintrittsalter, das noch zur Umstellung der Besteuerung dazu kam. Die schrittweise Umstellung des Systems macht das Ganze einigermaßen kompliziert. 

Warum also stellte man die Besteuerung nicht auf einen Schlag um? Wäre die nachgelagerte Besteuerung schlagartig 2005 eingeführt worden, dann wären dem Bund erstens auf einen Schlag hohe Steuereinnahmen weggebrochen (weil kein Arbeitnehmer mehr Streuern auf Vorsorgebeiträge gezahlt hätte), und zweitens hätten alle Rentner ab 2005 Steuern auf ihre Auszahlungen entrichten müssen – womit sie in jedem Fall alle doppelt besteuert worden wären, was nicht verfassungskonform wäre. 

Deshalb entschied sich der Gesetzgeber für die extrem lange Übergangszeit, um gerade diese Doppelbesteuerung zu verhindern. Dennoch bestätigte der Bundesfinanzhof (BFH) 2021 in zwei Urteilen, dass es zu einer Doppelbesteuerung kommen könne, woraufhin der Gesetzgeber dringend zum Nachbessern angehalten war. So brachte die Ampelkoalition 2023 eine Übergangsregelung auf den Weg – nun sind Rentenvorsorgebeiträge voll absetzbar, die volle Besteuerung greift aber erst 2058. Das führe bereits zu einer „deutlichen Entlastung“, stellte ein Gutachten der Universitäten Würzburg und Berlin fest, das im Auftrag des Bundesfinanzministeriums (BMF) erstellt wurde. Vor allem für Generationen von etwa 1973 bis 1990. Insgesamt seien jetzt „weniger Rentnerkohorten betroffen“, das Gutachten sagt aber auch: „Dennoch besteht weiterer Reformbedarf“.

Wer ist von der Doppelbesteuerung der Rente betroffen?

Das räumte selbst die Ampelregierung nach der Nachbesserung des Alterseinkünftegesetzes ein: „Zur vollständigen Vermeidung einer doppelten Besteuerung sowohl für zukünftige Rentenkohorten, aber auch zur Beseitigung von gegebenenfalls im Einzelfall bereits eingetretener doppelter Besteuerung in Bestandsrentenfällen sind  weitere Regelungen erforderlich, die zeitnah in einem dritten Schritt gesetzlich geregelt werden.“ Es muss also noch ein neues Gesetz her. 

Möglich ist die Doppelbesteuerung nämlich dennoch. Derzeit betrifft sie allerdings nur sehr wenige Menschen. Wer bereits jetzt in Rente ist, wird laut Gutachten sogar häufig weniger besteuert als zuvor. Potenziell aber könnte die Doppelbesteuerung etliche treffen, die demnächst in Rente gehen, so ermittelte das BMF-Gutachten. Generell sei das von vier Hauptfaktoren abhängig: vor allem vom Gehalt (also der Zahl der jährlich gesammelten Rentenpunkte), dem Renteneintrittsjahr, der Anzahl der Beitragsjahre zur Rentenversicherung sowie von der Höhe der Eigenbeiträge zur Altersvorsorge. Außerdem ist noch die Art der Beschäftigung relevant, also ob jemand selbständig oder angestellt ist oder beides in der Arbeitsbiografie vereint. Sowie vom Ehepartner und dessen Berufsstand. 

Häufig sind alleinlebende Männer betroffen, weil sie nicht von der günstigeren Ehegattenbesteuerung profitieren und keine Hinterbliebenenrente erhalten können und zudem statistisch eine kürzere Lebenserwartung haben. Dadurch erhalten sie auch im Schnitt weniger Rentenauszahlungen.

Die Gutachter rechneten exemplarisch mehrere Fallbeispiele durch und stellten fest: „Eine Doppelbesteuerung tritt für zahlreiche Kohorten auf, die in den nächsten Jahrzehnten in Rente gehen.“ Der Umfang der Doppelbesteuerung unterscheide sich dabei für alle Rentenzugangskohorten, erreiche aber (durch die Übergangsregelung) ungefähr um das Jahr 2058 seinen Höhepunkt. Also bei den Geburtsjahrgängen um 1991, die dann in Rente gehen. Für spätere Generationen gilt: „Das Doppelbesteuerungsproblem verschwindet“ also „bei Renteneintritt im Jahr 2070, da erst diese Kohorte sämtliche Beiträge zur Rentenversicherung vollständig als Vorsorgeaufwendungen geltend gemacht haben wird.“ Die Geburtsjahrgänge um 2003 dürfte es also nicht mehr betreffen.

Die Doppelbesteuerung trete zudem häufiger auf, je mehr Entgeltpunkte die Beschäftigten pro Erwerbsjahr sammelten. Ein Geringverdiener (mit rund 50 Prozent des deutschen Durchschnittsverdienstes von derzeit rund 50.000 Euro) sei demnach deutlich seltener betroffen, bei ihm betrüge das Doppelbesteuerungsvolumen kumuliert rund 10.000 Euro. Bei einem Durchschnittsverdiener wachse die Belastung bereits auf 13.700 Euro. Bei Gutverdienern, die über der Beitragsbemessungsgrenze liegen, seien es kumuliert bereits 28.300 Euro in der Spitze, bei Renteneintritt 2058.

Bei Selbständigen sei das Problem zudem deutlich ausgeprägter als bei Arbeitnehmern. Denn Selbständige zahlen komplett selbst in die Rentenkasse ein, ohne Arbeitgeberzuschüsse zu erhalten. Bei unternehmerisch tätigen Personen komme es zu gut 55 Prozent zu einer Doppelbesteuerung, bei Freiberuflern sogar zu 66 Prozent. Bei ihnen könne das kumulierte Volumen auch über 80.000 Euro betragen.

Wer nun bereits in Rente ist und von einer Doppelbesteuerung betroffen, für den habe auch das neue Recht keine Änderung gebracht. Dessen Doppelbesteuerungsvolumen bleibe unverändert, sagen die Gutachter weiter. Besonders Selbständige seien hier mit den höchsten Doppelabgaben konfrontiert, deswegen müsse für sie dringend eine zusätzliche Gesetzesanpassung erfolgen, um die Doppelbesteuerung vollständig zu vermeiden, wie sie der Bundesfinanzhof gefordert hat. Zusätzliche Rentenfreibeträge könnten künftig Abhilfe schaffen.

Eine Entwarnung gibt es lediglich für alle, deren Renten unterhalb der Freibeträge für Rentner liegen. Wer also weniger als rund 1000 Euro im Monat erhält, wird nicht doppelt besteuert. 

Wer klagen will, muss vorbereitet sein

Eine Doppelbesteuerung errechnet sich übrigens so: Wenn die Summe der versteuerten Einkommen (bis zum Renteneintritt) höher ist als der steuerfreie Anteil der Rente, dann liegt laut Bundesfinanzhof eine Doppelbesteuerung vor. Zum steuerfreien Anteil der Rente dürfen dabei folgende Beträge nicht gerechnet werden: das steuerfreie Existenzminimum, die Krankenkassen- und Pflegekassenbeiträge, der Werbungskostenpauschbetrag sowie der Sonderausgabenpauschbetrag. 

Grundsätzlich gilt: Alle Steuerbescheide seit 2005 tragen einen Vorläufigkeitsvermerk, der sich auf die Besteuerung von Rentenbeiträgen und Rentenbesteuerung bezieht. Wer den Verdacht hat, er könne der Doppelbesteuerung unterliegen, der sollte sämtliche Rentenauszahlbescheide sowie alle Steuerunterlagen parat halten, denn die muss er im Zweifel vorlegen. Allerdings können nur Steuerbescheide angefochten werden, die nach dem 30. August 2021 ergangen sind. Alle älteren Steuerzahlungen gelten inzwischen als rechtskräftig und sind damit unangreifbar.