Sozialarbeit wandert immer mehr auch ins Netz. Wer Probleme in der Familie hat, suchtgefährdet oder von Gewalt betroffen ist, kann sich von digitalen Streetworkern beraten lassen.
Sozialarbeit gibt es nicht nur auf der Straße – zunehmend bekommen Jugendliche in Not Hilfsangebote auch im Netz. Denn einer Studie von 2023 zufolge sind junge Menschen zwischen 12 und 19 Jahren in ihrer Freizeit im Schnitt 224 Minuten täglich online, also etwa 3,7 Stunden. Dort können sogenannte digitale Streetworker junge Menschen treffen.
Viele soziale Einrichtungen haben sich nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie bereits auf den Weg ins Netz gemacht. Die Beratung, vor allem aber die Ansprechbarkeit über soziale Medien sei enorm wichtig, da dadurch auch Menschen erreicht würden, die sich nicht an eine Beratungsstelle wenden, heißt es etwa in einer Stellungnahme des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer (SKFM) Düsseldorf für eine Anhörung zum „Digital Streetwork“ im NRW-Landtag. Die Experten-Anhörung ist für den 12. März im Ausschuss für Gesundheit und Soziales angesetzt.
Digitale Beratung in vielen Notlagen
Der SKFM betreibt nach eigenen Angaben schon seit acht Jahren digitale Sozialarbeit und Streetwork im Netz und erreicht demnach mittlerweile eine hohe Anzahl seiner Klientel über Instagram, Twitter und Facebook. Digital oder über Online-Chats biete der Sozialdienst zum Beispiel Erziehungs-, Jugend-, Schwangerschafts- oder Suchtberatung an, aber auch Notschlafstellen für junge Frauen und Mädchen oder Beratung für Menschen in der Prostitution.
Bei der digitalen Kommunikation verlaufe die Einschätzung des Gegenübers allerdings nicht über Wahrnehmung, Aussehen, Auftritt und Stimme, sondern über geschriebene kurze Texte. „Das ist in den komplexen Beratungssituationen eine echte Herausforderung, der sich Sozialarbeit stellen muss.“
Im Netz eine größere Reichweite
Auch die Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork/Mobile Jugendarbeit NRW e.V. hat schon länger Erfahrungen im Digitalen. Eine isolierte Betrachtung der analogen und digitalen Lebenswelten sei aus fachlicher Sicht nicht zielführend, heißt es dort. Besonders Präventionsprogramme seien im digitalen Raum bereits gut erprobt und wirksam, da sie eine größere Reichweite besäßen als rein analoge Angebote.
Die Landesarbeitsgemeinschaft sieht aber auch Grenzen der sozialen Beratung im Netz, denn die psychische Gesundheit junger Menschen werde in der Praxis sozialer Arbeit vor allem durch kontinuierliche, verlässliche Beziehungsangebote gestärkt.
Bayerisches Modell als Vorbild
Die SPD im NRW-Landtag, die die Anhörung initiiert hat, sieht das bayerische Projekt „Digital Streetwork Bayern“ (DSW) als Vorbild. 14 Streetworkerinnen und Streetworker seien in Bayern auf Gaming- und Social-Media-Plattformen erreichbar, etwa auf Discord, Instagram, Twitch, WhatsApp, Tiktok und Reddit. Auswertungen hätten gezeigt, dass das Team inzwischen Kontakt zu rund 11.000 jungen Menschen hatte. Daraus hätten sich rund 6.300 Beratungsgespräche ergeben. In rund 420 Fällen konnten junge Menschen an Fachstellen vermittelt werden.
Sorgen um den Datenschutz und Persönlichkeitsrechte bei digitaler Jugendarbeit macht sich indes die Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) NRW. Die AJS bietet das Seminar „Digitale Kommunikation in der Jugendhilfe – Recht & Praxis“ an. Mehr als 400 Fachkräfte hätten bislang daran teilgenommen, weil sie digitale Medien in ihrer Arbeit einsetzen wollten. Es gehe um die Abwägung zwischen dem gesetzlichen Auftrag einer Lebensweltorientierung und dem gesetzlich verankerten Datenschutz.
Digitale Angebote miteinander vernetzen
Nach Ansicht der Solinger digitalen Jugendhilfe „Between The Lines“ muss der digitale Raum für junge Menschen auch im Bereich Sozialarbeit „unbedingt erschlossen werden“. Vorhandene Angebote sollten miteinander vernetzt und ausgebaut werden. „Between The Lines“ biete hierfür eine Plattform zur Vernetzung mit Digital Streetwork sowohl für NRW als auch bundesweit. Aus dem Kontakt im digitalen Raum könne im besten Fall später ein physischer Kontakt werden. „Dass ein digitales Angebot von jungen Menschen angenommen wird, zeigen sämtliche erwähnten Nutzerzahlen eindeutig.“
Die SPD ruft die NRW-Landesregierung dazu auf, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, Digital Streetwork bundesweit auszurollen und zu vernetzen.