Der einstige CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer bezeichnet die Anklage gegen sich als „politisch motiviert“, seine Partei springt ihm bei. Warum diese Strategie fatal ist.

Natürlich ist das keine schöne Situation für Andreas Scheuer. Er war einst CSU-Generalsekretär und Bundesverkehrsminister und auch sonst ziemlich wichtig. Nun ist er das alles nicht mehr, aber dafür Angeschuldigter. 

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Scheuer wegen uneidlicher Falschaussage im Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestages angeklagt. Umgangssprachlich formuliert: Der Ex-Minister soll gelogen haben. 

Dass Scheuer alle Vorwürfe mit maximaler Empörung zurückweist und seinen Rechtsanwalt die Ermittlungsbehörde kritisieren lässt, ist nicht bloß erwartbar, sondern legitim. Mehr noch: Es ist sein gutes Recht. 

Andreas Scheuer stellt die Unabhängigkeit der Justiz infrage

Doch für seine Behauptung, dass ihm die Anklageerhebung „politisch motiviert“ erscheine, gilt dieser Befund ausdrücklich nicht. Indem Scheuer insinuiert, dass die Staatsanwaltschaft eine politische Agenda besitze, stellt er ein demokratisches Grundprinzip infrage: die Unabhängigkeit der Justiz.

Genau dies ist seit jeher die Strategie rechter Extremisten. So systematisch sie versuchen, Regierungshandeln zu diffamieren und parlamentarische Prozesse auszuhöhlen, so gezielt nähren sie Zweifel am Rechtsstaat.

Beispiele dafür gibt es viele. Da ist die Dauerkampagne gegen die Wahl der Bundesverfassungsrichter. Da sind die Angriffe auf Gerichte, die sich mit der Partei und ihren Funktionären beschäftigen müssen. Und da ist Björn Höcke

Der thüringische AfD-Vorsitzende, der gleich zweifach wegen Verwendung einer NS-Parole verurteilt wurde, stilisiert sich als Justizopfer und behauptet, dass die „Kartellparteien“ in einer „DDR 2.0“ die Justiz mithilfe von „Maulkorbparagrafen“ und willigen Richtern steuerten. „Ich habe das Gefühl, dass man die Opposition mithilfe der Justiz mundtot machen will“, sagte er im Prozess gegen sich in Halle.

Selbst wenn es Unfug ist, Scheuer und Höcke gleichzusetzen: Der Ex-Minister scheint gewillt zu sein, mit ähnlich absurden Unterstellungen wie der Rechtsextremist zu arbeiten. Dabei kümmert es ihn auch nicht, dass sie jeglichen Anfangsverdachts entbehren.

Denn was soll bitte das politische Motiv der Staatsanwaltschaft sein? Oder meint der Angeschuldigte gar, dass der Regierende Bürgermeister von Berlin oder die Justizsenatorin (beide CDU) nachgeholfen hätten?

Die CSU muss aufpassen

Es ist ein gefährliches Spiel, das Scheuer begonnen hat. Und die CSU muss aufpassen, nicht mit hineingezogen zu werden. Dass ihr Landesgruppenchef Alexander Hoffmann die Anklage als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet, ist das Äußerste, was ein Politiker, der im Wortsinn Partei ist, dazu sagen sollte. Vielleicht ist es schon zu viel.

In den USA ließ sich über die vergangenen Jahre wieder beobachten, wie Populisten das Ansehen in die Justiz interessengeleitet untergruben. Nun, da das Vertrauen in den Rechtsstaat ruiniert ist, werden seine Institutionen angegriffen. An der Spitze steht ein verurteilter Präsident, der nach Rache dürstet.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Selbstverständlich gibt es auch in Deutschland übergriffige Ermittlungen, unberechtigte Anklagen und Fehlurteile. Genau deshalb existiert ja ein mehrstufiges Instanzen-System. Und genau deshalb ist sachlich fundierte Kritik an Staatsanwaltschaften und Gerichten nicht nur erlaubt, sondern geboten – wie etwa beim Verfahren gegen den Ober-„Querdenker“ Michael Ballweg.

Doch die Gewaltenteilung in Deutschland funktioniert. Und das jüngste Beispiel dafür ist, dass die Staatsanwaltschaft im CDU-regierten Berlin einen ehemaligen Minister der aktuellen Regierungspartei CSU angeklagt hat. Ohne Ansehen der Person.

Das Landgericht Berlin kann jetzt die Anklage abweisen. Oder das Hauptverfahren kann mit einem Freispruch enden. Sowieso gilt die Unschuldsvermutung bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung, in welcher Instanz auch immer. 

Das ist der Rechtsstaat. Und es sollten nicht die Parteien sein, die ihn mutwillig, aber unbegründet in Zweifel ziehen.