Was für ein Ritt: Fast 25 Jahre nach „Der Schuh des Manitu“ bringt Michael Bully Herbig mit „Das Kanu des Manitu“ die Fortsetzung seines größten Blockbusters.
Man brauchte gar nicht als einer der rund 3000 Premierengäste in einem der zehn Kinosäle des Münchner Mathäser-Filmpalasts sitzen und die anrührende finale Szene dieses Premierenfilms abwarten, um Michael Bully Herbigs zentrale Botschaft zu kapieren. Ein Blick auf die Bilder vom roten Teppich genügt. Der Regisseur des bis dato erfolgreichsten deutschen Kinohits ist mit zwei Menschen auf den roten Teppich der Weltpremiere der Fortsetzung gekommen, deren Erscheinen enorme Symbolkraft hat.
Mit Hella Brice stellt sich die 76-jährige Witwe des vor zehn Jahren verstorbenen legendären Winnetou-Darstellers Pierre Brice, der die Satire als Verhöhnung des Karl May-Stoffes scharf kritisiert hatte, demonstrativ an Bullys Seite. Der US-amerikanische Schauspieler Alan Tofaya spielt im Film nur eine kleine, dafür bedeutende Rolle. Der 63-Jährige ist Angehöriger der Jicarilla Apachen aus Dulce, New Mexico. In der Gesamtinszenierung dieses Comeback-Projekts spielt er eine zentrale Hauptrolle: als Kronzeuge gegen all die woken Kulturkämpfer, die Bullys Manitu-Zirkus schon im Vorfeld zu verteufeln suchten.Auf der Premiere Hauptdarsteller; Michael Bully Herbig, Hella Brice und Apache Alan Tofaya
© IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON
Michael Bully Herbig kehrt mit Mission in den Wilden Westen zurück
Egal wie man zu dieser sehr eigenen Sparte an Humor stehen mag, Bullys Wille und Mut, dieses Projekt gelingen zu lassen, ist beeindruckend. Ganz besonders, weil es nie brachial geschieht. Herbig will nicht mit aller Macht einen Kulturkampf gewinnen, er hat recht offensichtlich viel darüber nachgedacht, wie es funktionieren kann. Die wichtigste Nachricht für Bully-Fans vorweg: Dieser Film ist zwar nicht wie sein erster Teil, sondern tiefgründiger, raffinierter, präzise durchdacht, doch das Geniale an „Das Kanu des Manitu“ ist, dass man all das nicht merkt. Herbig, Tramitz und Kavanian scheuen auch im Alter von 57, 70 und 54 den anarchistischen Pennälerhumor, die Flachwitze und Wortspielereien nicht, mit denen sie einst groß geworden waren.
Darum gehts: Häuptling Abahachi und sein Blutsbruder Ranger sind in die Jahre gekommen, was nicht so schlimm ist, schließlich haben sie sich bereits vor 25 Jahren wie ein altes Ehepaar benommen, warum sollte es zum silbernen Jubiläum dieses Lebensbundes anders laufen? Die Herren Blutsbrüder geraten jedoch in Konflikt mit dem rudimentären Rechtsstaat des Wilden Westens, selbstverständlich unverschuldet. Eine hinterhältige Bande an Nachwuchs-Revolverhelden hat allerlei Verbrechen begangen und die Fährte auf unser Traumpaar der Prärie gelenkt. Nun soll dem vermeintlichen Apachen-Häuptling sein Insiderwissen über den Verbleib eines magischen Indianerbootes abgepresst werden.
Die Bande ist ein kleines Kunstwerk der Komödie für sich. „Der Boss“, ein besonders harter Halunke, wird von Jessica Schwarz gespielt – mehr Genderwitz braucht es gar nicht. Die Besetzung ist diverser als die meisten Tatort-Folgen, der vietnamesisch stämmige Tiktok-Star Tutty Tran darf seine Paradenummer („Kein Flei mehr?“) paraphrasieren, der schwarze Schauspieler Akeem van Flodrop spielt einen erwachsen gewordenen und ausgewanderten Jim Knopf. Besonders anrührend die von Schauspielkünstler Merlin Sandmeyer genial ziselierte Figur des Komparsen namens Wolfgang, ein Außenseitertyp, der nur dabei sein darf, weil jede Bande aus sieben Mitgliedern besteht. Eleganter wurde die „vierte Wand“ selten durchbrochen. Auch im „Kanu des Manitu“ fliegen die Pointen so tief wie die Tomahawks, doch hier darf sich fast jede Minority selbst auf die Schippe nehmen. Nur die Figur des superqueeren Indianerbruders Winnetouch spielt Bully selbst, stilisiert diese jedoch zur queeren Superheldenikone.Auf dem Holzweg: Der Weg zum „Kanu des Manitu“ wird mit Floß bestritten
© Constantin Film
„Das Kanu des Manitu“: Hier wird mit Witz und viel Herz geballert
Auch Rick Kavanians Figur, der griechische Tavernenbesitzer Dimitri, bekommt diesmal seine eigene Liebesgeschichte und darf auch den Revolver zücken. Und auch Sky du Mont, dessen Figur den ersten Teil eigentlich nicht überlebt hat, kehrt zurück. Wie aus den Dreharbeiten zu hören war, hatte sich die 78-jährige Kinolegende, weltbekannt aus Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“, spontan am Set entschieden, mit dieser Rolle seine Karriere in ihr verdientes Finale zu führen. Eine kurzfristig geplante Ansprache des Regisseurs scheiterte angeblich an dessen Tränen.
Ob es Michael Bully Herbig mit diesem Film tatsächlich gelingen wird, die laute und hitzige Debatte darüber, was Humor heute noch darf und was nicht, mit fröhlichem Gelächter zu übertönen, lässt sich am ersten Abend noch nicht sagen. Wünschen würde man es ihm aber doch, denn er reitet ohne geladenen Revolver in diesen High Noon, seine Munition ist Spaß, seine Waffe heißt Herz.