Wie hip können Gewichtsdecken sein? Bearaby-Gründerin Kathrin Hamm hat aus einem Therapieprodukt einen Lifestyle-Bestseller gemacht. Auch dank kostenloser Werbung aus Hollywood.

Gewichtsdecken hatten bis vor kurzem einen eher bescheidenen Glamour-Faktor. Die mehrere Kilo schweren Stoffberge sollen bei Stress, Angst und Schlafstörungen helfen, weshalb sie auch als Therapiedecken vermarktet werden. Potenziell nützlich, aber wenig sexy.

Kathrin Hamm hat das geändert. Die deutsche Gründerin hat mit ihrem Start-up Bearaby in den USA aus Gewichtsdecken einen Lifestyle-Hit gemacht. Celebritys wie Hollywood-Schauspielerin Kathryn Hahn oder Grammy-Gewinnerin Olivia Rodrigo schwören auf die handgestrickten Baumwolldecken – und erzählen davon werbewirksam in Interviews mit großen US-Magazinen.

Auch die Setdesigner von Netflix und anderen großen Streamingdiensten fahren auf Bearaby ab. Die Decken waren unter anderem in der „Sex and the City“-Fortsetzung „And Just Like Us“ zu sehen und im Apple-TV-Hit „The Morning Show“ mit Reese Witherspoon. In der Erfolgsserie „Only Murders in the Building“ wird die Gewichtsdecke sogar Teil der Story. Hauptdarsteller Steve Martin schmust in einer lustigen kleinen Szene innig mit seiner Bearaby-Decke und erklärt, diese sei so „kuschelig wie ein großer Hund“.

Wer hätte gedacht, dass grobgestrickte Monster-Decken – fünf, sieben oder neun Kilo schwer – einen solchen It-Faktor entwickeln können?

Mit Gewichtsdecken zum Millionen-Business

Kathrin Hamm hat das Coolness-Potenzial ihrer Marke früh erkannt und geschickt gefördert. Ihre Decken hat sie den Streamingmachern in der Hoffnung auf kostenlose Publicity von sich aus angeboten. „Gewichtsdecken gibt es zwar schon lange, aber sie sahen einfach nicht gut aus – das hat Bearaby geändert“, sagt Hamm über ihr Erfolgsrezept. 

Bei den Amerikanern hat sie mit den schicken Decken und dem Versprechen von besserem Schlaf einen Nerv getroffen. Im Jahr 2018 gegründet, machte ihr Start-up schon 2020 mehr als 20 Millionen Euro Umsatz. Für 2025 peilt Hamm einen mittleren zweistelligen Millionenumsatz an. 

Dabei soll auch der Markteintritt in Deutschland helfen, wo es die Gewichtsdecken erst seit vergangenem Herbst zu kaufen gibt. Denn obwohl Hamm aus Schwaben stammt, hat sie Bearaby zunächst in den USA groß gemacht. Das liegt zum einen daran, dass der US-Markt größer ist und Gewichtsdecken dort als Therapiedecken schon recht bekannt waren. Zum anderen aber auch daran, dass Hamm selbst in den USA lebt.

Karriere bei der Weltbank

Bevor die 42-Jährige mit Bearaby durchstartete, hatte sie schon eine beachtliche Karriere als Ökonomin vorzuweisen. Viereinhalb Jahre arbeitete Hamm bei der in Washington beheimateten Weltbank. Durch die vielen Geschäftsreisen in verschiedene Zeitzonen litt sie in der Zeit allerdings zunehmend unter Schlafstörungen. Und kam so auf die Idee, selbst eine schlaffördernde Decke zu entwickeln. „Dass ich meinen sicheren Job bei der Weltbank aufgebe, um Gewichtsdecken zu verkaufen, hat damals nicht jeder verstanden“, sagt Hamm rückblickend.

Für das Abenteuer Selbstständigkeit löste sie ihren Rentenfonds auf, was ihr 120.000 Dollar Startkapital brachte. Ein erfolgreiches Crowdfunding und der rasante Verkauf der ersten 800 Decken binnen zwei Wochen bestätigten Hamm in ihrer Geschäftsidee. Nach sechs Monaten hatte sie Bestellungen im Wert von 250.000 Euro vorliegen. „Da wusste ich dann, dass die Idee gut ist.“ Hamm baute eine Produktion in Indien auf, wo sie heute bis zu 800 Bio-Baumwolldecken am Tag herstellen lassen kann. Mittlerweile verkauft Bearaby auch Schlafmasken, Nackenwärmer und Gewichtsdecken für Kinder.

Was sagen die Deutschen?

Nun will Hamm mit Bearaby auch Deutschland erobern. Die lieben Landsleute aber sind anspruchsvoll. „Die deutschen Kunden sind schwieriger zu überzeugen“, sagt Hamm. Sie seien viel mehr an Produktdetails interessiert und stellten mehr Nachfragen als die Amerikaner. Was bringen Gewichtsdecken wirklich? Was sagt die Wissenschaft? Und wie wäscht man die Dinger eigentlich? Um das kleine – vornehmlich englischsprachige – Service-Team zu entlasten, musste Hamm die deutsche Website schnell um eine FAQ-Sektion erweitern.

Dass ein US-Star sagt, er könne nicht mehr ohne Bearaby leben, reicht hier als Kaufanreiz für die 230 bis 300 Euro teuren Decken nicht aus. „Viele Kunden wollen die Decken anfassen und ausprobieren, bevor sie eine kaufen“, sagt Hamm. Daher schließt sie in Deutschland nun Kooperationen mit großen Yoga-Studis, die in ihren Räumen Testdecken auslegen. Bestellt werden kann dann später im Online-Shop. Wenn alles gut läuft, soll der deutsche Markt in diesem Jahr für fünf Millionen Euro Umsatz sorgen.

Wo Erfolg ist, sind allerdings auch Trittbrettfahrer nicht weit. Eine weitere Herausforderung für Bearaby ist daher der Kampf gegen Nachahmer, die die ikonischen Decken allzu dreist kopieren. Zwar hat Bearaby seine Gewichtsdecken mit 14 Patentanmeldungen schützen lassen. Trotzdem hilft manchmal nur der Gang vors Gericht. 2023 musste Hamm allein für einen großen Patentstreit mehr als eine Million Euro an Rechtskosten aufwenden.