1971 wurde ein Tankstellenbesitzer in Lippstadt (NRW) erschossen. Bis heute ist der Täter unbekannt. Nun gibt moderne Forensik seiner Familie Hoffnung auf späte Gerechtigkeit.
Für Claudia Kiel, 58, und ihre Mutter Margarethe ist es nach vielen Jahrzehnten ein lang ersehnter Lichtblick. 54 Jahre nach dem Mord an dem Vater und Ehemann Friedrich Wilhelm Kiel hat die Polizei Dortmund den Fall wieder aufgerollt. Dank neuester Technik zur Auswertung von DNA-Spuren gibt es jetzt wieder Hoffnung, den Täter von damals noch zu fassen. Auch wenn er – sofern er noch lebt – inzwischen hochbetagt sein muss.
„Meine Mutter macht sich sehr viel Hoffnung, dass der Fall noch aufgeklärt wird, bevor sie stirbt“, sagt Claudia Kiel im Gespräch mit dem stern. „Das ist ihr größter Wunsch.“ Margarethe Kiel wird in diesem Jahr 86 Jahre alt. Persönlich möchte sie derzeit nicht über den Fall sprechen. Als sie aus den Medien erfuhr, dass der Fall wieder aufgerollt wird, habe sie das „alles wieder so aufgewühlt“, so ihre Tochter.
Claudia Kiel selbst war noch keine fünf Jahre alt, als es zu dem Überfall auf ihre Eltern kam. Den Abend verbrachte sie mit ihrer großen Schwester bei ihrer Oma. Ihr Vater war damals 34 Jahre alt. Zusammen mit seiner Frau betrieb er eine Shell-Tankstelle in Lippstadt an der Erwitter Straße. „Meine Mutter hat an der Kasse gearbeitet, und mein Vater hat die kleine Werkstatt betreut und die Tanksäulen bedient“, so Kiel. Laut Polizeibericht schloss das Ehepaar an jenem Mittwochabend, den 3. November 1971, die Tankstelle um 21.40 Uhr ab und lief mit den Tageseinnahmen von 14.000 Mark zum Auto, als ein Unbekannter mit einer Schusswaffe an sie herantrat und forderte: „Hände hoch oder ich schieße“.
Was ihrer Mutter von damals noch besonders in Erinnerung blieb: „Der Mann trug eine Jacke, wie sie früher die Viehhändler anhatten, mit vier großen Knöpfen. Und einen rosafarbenen Schal“, so Claudia Kiel.
Der vermummte Mann versuchte, Kiel die Tasche mit dem Bargeld zu entreißen und schlug sie dabei hart zu Boden. Als Friedrich Wilhelm Kiel seiner Frau zu Hilfe eilen wollte, wurde er erschossen. Der Unbekannte entkam mit dem Geld. Die Polizei geht davon aus, dass es neben dem Haupttäter noch einen Mittäter gab, der in der Nähe mit einem Auto wartete und so die weitere Flucht ermöglichte. In dem mutmaßlichen Fluchtfahrzeug, das die Polizei später fand und bei dem es sich um ein gestohlenes Auto handelte, wurden auch DNA-Spuren gefunden. Diese könnten nun helfen, den Fall endlich aufzuklären.
Der Tatort: Die damalige Tankstelle an der Erwitter Straße im nordrhein-westfälischen Lippstadt (Aufnahmejahr ca. 1965)
© privat
Bereits Ende März wandten sich die Ermittler an die Öffentlichkeit. „Inzwischen konnte mithilfe der neuesten zur Verfügung stehenden technischen Methoden DNA extrahiert werden“, erklärte Oberstaatsanwalt Ralf Meyer von der Staatsanwaltschaft Paderborn damals. Da es jedoch zu keinem Treffer in der Datenbank gekommen sei, erhoffe man sich neue Hinweise aus der Bevölkerung, so Meyer. Claudia Kiel hat die Hoffnung, dass es trotz der langen Zeit noch einen Mitwisser gibt, der „vielleicht sein Gewissen noch erleichtern möchte, bevor er stirbt. Ich wünsche mir für meine Mutter sehr, dass sie das noch erfährt.“
Polizei hofft in Cold Case auf Hinweise aus der Bevölkerung
Nach dem Überfall wurde die Tankstelle neu verpachtet. Später dann zogen die Kiels nach Bayern. „Meine Mutter wurde auch Jahre später immer wieder auf den Fall angesprochen. Das war für sie nochmal eine besondere Belastung“, so Kiel.
Sie selbst hat kaum noch Erinnerungen an ihren Vater. „Ich erinnere nur Bruchstücke. Wie er beispielsweise meinen Bauch gestreichelt hat, als ich noch ganz klein war, weil ich Bauchschmerzen hatte. Oder wie er mir die Comicfigur ‚Die schnellste Maus von Mexiko‘ aus dem Tankstellenshop geschenkt hat“, sagt sie. „Die habe ich übrigens heute noch.“
Wer kann Angaben zur Tat oder zu möglichen Tätern machen? Hinweise zu dem Fall nimmt die Kriminalwache Dortmund unter der Telefonnummer 0231/132-7441 entgegen.
Quellen: Polizei Dortmund, mit DPA.