Jahrelang zierte eine Venus-Bronze einen Berliner Behördenbau. Dann erregte ihre Nacktheit Ärger und sie musste weichen. Die Statue hatte schon vorher eine bewegte Geschichte.

 

Leicht vornübergebeugt, den Blick zur Seite abgewendet, die Hände schützend über Brust und Scham gelegt. So stand eine Bronze-Statue der Venus Medici jahrelang im Eingangsbereich des sonst recht schmucklosen Gebäudes des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) in Berlin. Im vergangenen Sommer musste sie jedoch von ihrem Platz weichen und wurde als Leihgabe an das Leipziger Grassi Museum gegeben. 

Wie die „Bild“-Zeitung nun berichtet, ging dem Ortswechsel offenbar eine Beschwerde über die Nacktheit der Skulptur voraus. Eine Sprecherin des Bundesverwaltungsamts, zuständig für das Gebäude, bestätigte dem Blatt auf Anfrage, dass es einen Hinweis der Gleichstellungsbeauftragten des BADV gegeben hätte. Diesem zufolge könne die Statue als sexistisch empfunden werden und sich deshalb Handlungsbedarf aufgrund des Bundesgleichstellungsgesetzes ergeben. In der Folge wurde die Venus entfernt. 

Tatsächlich ist die verkörperte Venus wie das berühmte Marmor-Original in den Uffizien in Florenz gänzlich unbekleidet. Das Bronze-Abbild entstand dem Grassi Museum zufolge vermutlich im frühen 18. Jahrhundert. Die Statue verkörpert die römische Liebesgöttin Venus, in der griechischen Mythologie Aphrodite genannt. „Die Göttin wird nach dem mythischen Typus der „pudica“ (keusch) dargestellt“, heißt es auf der Museums-Webseite. Und weiter: „Ertappt, wie sie instinktiv ihre Brüste und Scham bedeckt, als ob sie sich von einem indiskreten Blick beobachtet fühlt“. 

Die Darstellung der Venus Medici gilt „pudica“ (keusch)
© Jan Woitas

Die Venus Medici wurde von Görings Schergen im See versenkt

Auch ohne die jüngste Wendung hat die Statue eine bewegte Geschichte hinter sich. Aus nicht ganz geklärter Ursache wurde sie im Dritten Reich Teil der Kunstsammlung des damaligen Reichsmarschall Hermann Göring in seinem Jagdanwesen Carinhall in Brandenburg. Als 1945 die Rote Armee näher rückte, sprengten deutsche Soldaten das Anwesen und versenkten die Venus mit anderen Kunstwerken im nahegelegenen Großen Döllnsee. In der Folge lag die Statue 45 Jahre lang am Grunde des Sees, bis sie 1990 von Tauchern geborgen wurde. 

Die Venus ging in den Besitz der Bundesrepublik über und stand zuletzt jahrelang im Eingangsbereich des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen – bis sie nach den Sexismus-Bedenken von dort verbannt wurde und erstmal nach Leipzig umzog, wo sie mit offenen Armen empfangen wurde und nun Teil der Dauerausstellung ist.

Quellen: „Bild“,Monopol“, Grassi Museum 

In der Galerie: Kathy Shorr verwandelte ihre Limousine in ein Fotostudio auf Rädern. Daraus entstand „Limousine“ – ein neuer Bildband über Freiheit, Kunst und weibliche Autonomie.