Berlin ärgert sich wegen Wadephuls Trump-Anlehnung und Basel bereitet sich auf das Finale des Eurovision-Song-Contests vor. Was heute sonst noch wichtig wird.

Liebe Leserinnen und Leser,

Sicherheitspolitik ist sowohl in Deutschland als auch in Europa ein heikles Thema. Seit den frühen 200ern gibt es Vorgaben, wie viel Prozent ihrer Wirtschaftsleistung die Nato-Partner in ihre Verteidigung stecken sollen. Die wenigsten Länder hielten sich an diese Zwei-Prozent-Vorgabe – dann überfiel Russland die Ukraine. Nach langem Ringen hat Deutschland dieses Ziel im vergangenen Jahr nun endlich erreicht. Da prescht der neue Außenminister Johann Wadephul (CDU) mit einer neuen Zahl vor. Applaus gab es von der Nato. Ärger wartet derweil daheim in Berlin.

Europa und Deutschland müssen selbstständig werden

Doch was war geschehen? Beim Nato-Außenministertreffen in Antalya stellte sich Wadephul hinter die Forderung von US-Präsident Donald Trump, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent zu erhöhen, und zwar bis zum Jahr 2032. Man kann das als Versuch werten, Trump zu gefallen – oder um sich militärisch zu emanzipieren.

Für Deutschland ist dieser Vorstoß jedenfalls nicht unerheblich, immerhin wären fünf Prozent der Wirtschaftsleistung eine Summer von mehr 200 Milliarden Euro. Das entspricht ungefähr der Hälfte des gesamten Bundeshaushaltes aus dem vergangenen Jahr. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) muss gerade sowieso genau schauen, wo er Geld investieren kann und wo Deutschland sparen muss. Was Wadephuls Vorstoß für das Land bedeutet und warum Berlin grummelt, haben die Politikkollegen aus dem Hauptstadtbüro im Podcast „5-Minuten-Talk“ analysiert:

Der Vorstoß vom Außenminister mag rigoros klingen, aber wahrscheinlich bleibt Deutschland und den Europäern am Ende nicht viel übrig. Seit Donald Trumps Wiederwahl ist klar, dass sich die Union nicht mehr von den USA unterstützen lassen kann. Sie muss ihre eigene Position in der Welt zementieren und die Frage der eigenen Verteidigungsfähigkeit ist in Zeiten wie diesen nicht unerheblich.

Um dieses Thema geht es heute übrigens auch beim Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft. Das Format hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ins Leben gerufen. Dieses Jahr findet es zum sechsten Mal statt. Teilnehmen werden nicht nur die EU-Staaten, sondern auch das Vereinigte Königreich, mehrere Kaukasus- und Balkanstaaten.

430 Polizisten für Margot Friedländer

Gestern wurde eine der letzten Holocaustüberlebenden beerdigt. Margot Friedländer hatte die Schrecken der Shoa als junges Mädchen er- und überlebt. Vergangene Woche ist sie im Alter von 103 Jahren gestorben. Friedländer wird in Erinnerung bleiben – als Stimme für Menschlichkeit und Gemeinschaft, gegen Hass und Vergessen.

Zur Realität gehört aber auch, dass sie aus einer Welt schied, in der Hass und Hetze wieder salonfähig werden. In der Minderheiten auch in Deutschland geächtet und bedroht werden. Das Bundesinnenministerium verzeichnet etwa seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 einen deutlichen Anstieg antisemitischer Straftaten. In dem Bericht aus dem vergangenen Jahr ist von einem neuen Höchststand die Rede. Dass Polizisten vor jüdischen Einrichtungen wie Synagogen oder Schulen patrouillieren, gehört zum normalen Stadtbild – in Hamburg, in Bremen, in Berlin und auch anderswo.

Auch bei der Beerdigung von Margot Friedländer waren Hunderte Einsatzkräfte vor Ort. Die Berliner Polizei schrieb auf der Plattform X von rund 430 Beamten. Margot Friedländer war eine Prominente in Deutschland, gewiss. Aber das dürfte nicht der einzige Grund für die große Polizeipräsenz gewesen sein.

Wer hat die beste Perform- äh Stimme?

Noch einmal schlafen, dann wird wieder einmal entschieden, welche Nation die größte Show abzieht – pardon, welche Nation am besten singen kann. 26 Länder treten am Samstag im ESC-Finale in Basel gegeneinander an. Deutschland ist der Platz als Mitglied der „Big Five“ traditionell sicher. Andere Länder mussten dafür kämpfen. Im Halbfinale haben sich gestern Abend unter anderem noch Israel, Griechenland, Armenien, Malte und Finnland für die Endrunde qualifiziert.

Jetzt heißt es nur noch: Wohnzimmer dekorieren, Fingerfood vorbereiten und Sekt kalt stellen! Morgen Abend geht es um 21 Uhr los. Falls Sie noch Angeberwissen rund um den Eurovision-Song-Contest brauchen, schauen Sie gerne im Liveblog meiner Kollegin Sarah Stendel vorbei. Sie wird Sie dort auch beim ESC-Finale begleiten.

Was heute sonst noch passiert

Seitdem die FDP mit Christian Lindner die Ampel-Regierung gesprengt hat, ist es ruhig geworden um die Partei. Aus dem Bundestag ist sie rausgeflogen, der Ex-Parteichef hat sich aus der Bundespolitik zurückgezogen und verdient sich seinen Unterhalt nun als freier Redner und Autor. Heute bestimmen die Liberalen eine neue Parteiführung.Den mutmaßlichen Attentäter von Salman Rushdie erwartet heute sein Urteil. Der Mann soll den indischen Autor 2022 mit einem Messer attackiert haben. Rushdie ist seitdem auf einem Auge blind. stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz hat mit ihm darüber gesprochen.

Einen angenehmen Freitag, ein schönes Wochenende und viel Spaß beim ESC (so Sie denn zuschauen) wünscht Ihnen

Christine Leitner
(Nachrichtenredakteurin)