Am Ende eines Prozesses in Arizona war der Getötete zu sehen – als KI-generierte Version. Seine Schwester legte ihm versöhnliche Worte an den Täter in den Mund.
In einem Strafprozess im US-Bundesstaat Arizona tauchte ein unerwarteter Zeuge auf: das Opfer. Unerwartet, denn schließlich handelte es sich um einen Mordprozess – und Chris Pelkey ist seit mehr als drei Jahren tot. Seine Schwester ließ im Gerichtssaal eine mit Künstlicher Intelligenz generierte Version ihres erschossenen Bruders auftreten.
Pelkey wurde 2021 erschossen, nachdem es im Straßenverkehr zu einem Streit zwischen ihm und einem anderen Autofahrer gekommen war. Er wurde nur 37 Jahre alt. Als Täter identifizierte die Polizei einen 50-jährigen Mann. Der Schütze wurde zu zehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Ungewöhnlicher Prozess in Arizona: Getöteter ist in KI-Video zu sehen
Vor Gericht wurde ein Video abgespielt, in dem die KI-Version von Pelkey sich direkt an den Täter wendet: „An den Mann, der mich erschossen hat: Es ist eine Schande, dass wir uns an diesem Tag unter diesen Umständen begegnet sind“, ließ seine Schwester den Toten sagen. „In einem anderen Leben hätten wir wahrscheinlich Freunde sein können.“ Die KI-Version von Pelkey sprach dem Täter außerdem seine Vergebung zu.
Pelkeys Schwester Stacey Wales hatte die Idee zu dem ungewöhnlichen Auftritt, der laut US-Medien der erste seiner Art ist. Sie habe zwei Jahre lang überlegt, was sie dem Täter sagen sollte, und dabei ständig die Stimme ihres Bruders im Kopf gehabt, sagte Wales dem Sender NPR. Die Liebe zu Gott und zu anderen sei ihm immer besonders wichtig gewesen. „Er darf nichts mehr sagen. Das konnten wir nicht zulassen. Wir mussten ihm eine Stimme geben.“
Fast vier Minuten langes Video
Zusammen mit ihrem Mann fütterte sie verschiedene KI-Tools mit Fotos sowie Stimmproben ihres Bruders. Das fast vier Minuten lange Ergebnis wurde im Gerichtssaal abgespielt und ist auch auf Youtube zu sehen. Neben den Worten an seinen Mörder ist darin auch ein künstlich generiertes Bild von Pelkey als alter Mann zu sehen, sowie authentische Bilder aus seinem Leben.
Alle hätten „zugestimmt, dass diese Aufnahme eine wahre Darstellung des Geistes und der Seele war, wie Chris über die Verurteilung seines Mörders gedacht hätte“, sagte Stacey Wales.
KI wirft ethische Fragen auf
Auch der Richter stand dem Auftritt, der deutlich vom üblichen Prozessablauf abweicht, positiv gegenüber. „Es sagt etwas über die Familie aus, weil Sie mir erzählt haben, wie wütend Sie waren und die Höchststrafe gefordert haben. Und obwohl Sie das wollten, haben Sie Chris erlaubt, seine Meinung zu sagen, so wie Sie sie wahrgenommen haben. Ich habe nicht gehört, dass er die Höchststrafe gefordert hat“, sagte er in Richtung der Angehörigen.
Laut Experten wurde das KI-Video vor Gericht zugelassen, weil es in dem Prozess keine Jury gab. Außerdem wurde am Anfang des Clips transparent gemacht, dass er mit Künstlicher Intelligenz erstellt wurde. Dennoch bleibe der Einsatz von KI vor Gericht eine juristische und ethische Gratwanderung.