Zypern lockt nicht nur mit vielen Sonnentagen, sondern auch mit Steuervorteilen. Das scheint auch Influencer anzuziehen. Zwei von ihnen haben daraus ein Geschäft gemacht, das Fragen aufwirft.
Romantische Strände mit saphirblauem Wasser, kleine Hafenstädte, Fischerhütten, Yachthäfen oder beeindruckende Skylines. Deutsche Influencer grüßen in sozialen Netzwerken mittlerweile nicht nur im Urlaub aus dem Ausland, manche wandern auch gleich ganz aus. Während vor einigen Jahren Emirate wie Dubai hoch im Kurs standen, sieht man nun auch Bilder aus EU-Ländern – zum Beispiel aus Zypern. Aber was macht die Insel im östlichen Mittelmeer attraktiv für diese Menschen?
Einige Gründe liegen auf der Hand: Fast das ganze Jahr über herrscht hier schönes Wetter, die Wege zum Strand sind meist kurz und das Essen ist dank der mediterranen Küche nicht nur lecker, sondern auch gesund.
Doch abseits dieses Urlaubsfeelings macht auch ein nicht so offensichtlicher Faktor Zypern zum Mekka für Auswanderer: die Steuergesetze.
Zypern ist als steuerzahlerfreundliches Land bekannt. Selbstständige können dort eine sogenannte Limited gründen, also eine Kapitalgesellschaft ähnlich der GmbH in Deutschland. Seit 2013 zahlen Unternehmer und Selbstständige auf Zypern Steuern auf ihr gesamtes Einkommen in Höhe von 12,5 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland ist der Steuersatz abhängig von der Höhe des Einkommens. Der Spitzensteuersatz liegt – wenn man den Einkommenssteuersatz und den Solidaritätszuschlag zusammenrechnet – bei etwa 47,5 Prozent, erklärt der Fachanwalt für Steuerrecht Eugen Mehlhaf dem stern. Wenn man die Kirchensteuer dazurechne, „dann kommt man sogar auf über 50 Prozent“.
Viel Sonne, wenig Steuern: ein Lockmittel auch für Influencer
Schönes Wetter und niedrige Steuern – das klingt nach einer unschlagbaren Kombination für viele, die gleichzeitig ihr Leben auf Social Media präsentieren und eigene Unternehmen gründen oder führen. So wie das Influencer-Paar Jonathan und Alina Schöck. Vor etwa zweieinhalb Jahren packten die beiden ihre Koffer, ließen das Großstadtleben in Berlin-Mitte hinter sich und zogen nach Zypern. Neben seinen Reiseblogs veröffentlicht das Paar Videos aus seinem Alltag auf der Mittelmeerinsel und einen eigenen Podcast. Mit insgesamt fast 3,5 Millionen Followern auf Tiktok, Youtube und Instagram erreichen die Schöcks ein großes Publikum.
Jonathan hat zudem aus dem Auswandern selbst ein Geschäft gemacht. Gemeinsam mit seinem Partner David Aufinger betreibt er die Agentur „Zypern Lifestyle“. Ihre Dienstleistung: deutschsprachigen Kunden beim Auswanderungsprozess zu helfen. Hierzu bieten sie einen Videokurs mit mehr als 25 Filmen an, acht Checklisten sowie Zugang zu einer „Community“ mit über 50 Mitgliedern und ihrem „Netzwerk“. Das Paket soll rund 400 Euro kosten. Ein reibungsloser Ablauf beim Auswandern werde gewährleistet, inklusive Firmengründung und Rabatten bei Anwälten und Steuerberatern, so das Versprechen.
Unklar bleibt allerdings, was genau in den Videos und Checklisten erklärt wird. Ebenso, ob im späteren Verlauf einer Auswanderung noch weitere Kosten etwa für Anwälte oder Behördengänge anfallen und was genau mit „Community“ gemeint ist, deren Zugang Teil des Paketes ist.
„Non Dom“-Status bietet viele Steuervorteile auf Zypern
„Unsere Vision ist es, 10.000 Menschen zu Erfolg auf Zypern zu verhelfen“, heißt es auf der Website von „Zypern Lifestyle“. Bei einem Videokurspreis von knapp 400 Euro bedeutet das: Die Unternehmer wollen rund vier Millionen Euro einnehmen.
Die Kosten einer Firmengründung mithilfe der Agentur sollen zwischen 2800 und 3100 Euro liegen – für die Gründung einer Limited, den sogenannten „Yellow Slip“, der die dauerhafte Niederlassung und eine Arbeitserlaubnis ermöglicht, und die Organisation des sogenannten „Non Dom“-Status.
Insbesondere Letzterer ist für viele Ausländer ein wichtiger Anreiz, nach Zypern zu ziehen. Denn der Status bietet Einwanderern weitreichende Steuervorteile. Eingeführt wurde er 2015, um Fachkräfte, Unternehmer und reiche Privatpersonen in das Land zu locken. Wichtigster Aspekt dabei: Wer den Status genießt, zahlt null Prozent Steuern auf Dividenden und Aktiengewinne.
Auch die Schöcks betonen in einem Video auf Youtube die Vorteile ihres Lebens auf Zypern: das Wetter, mehr als 300 Sonnentage im Jahr, eine deutschsprachige „Community“, Freunde, die bereits auf der Insel lebten, die gute Kommunikation auf Englisch, niedrige Lebenshaltungskosten, ihr „Business“, welches aus mehreren Firmen, Immobilien und ihrer „Auswanderungs-Consulting-Firma“ bestehe.
Ein verlockender Rahmen für Unternehmer, wie auch der Rechtsanwalt Robin Nocon im stern konstatiert: „Den deutschen Markt kann man digital aus allen Winkeln bespielen und der ist 100 Millionen Menschen stark. Selbst wenn man da nur 50 Leute heranzieht, kann das schon sehr lukrativ sein.“
So scheinbar auch für die Schöcks. In Berlin hätten sie in einer 55-Quadratmeter-Wohnung gewohnt – nun lebten sie in einer Villa, nur sieben Minuten Fußweg vom Meer entfernt, erzählen sie. „Wir haben hier so eine Art ‚Gated Community‘ mit Villen. Die sehen auch alle gleich aus“, sagt Jonathan im Haustour-Video auf Youtube.
„Das hohe Angebot an Eigenheimen lasse auf Zypern die Preise schrumpfen und biete Interessenten bei sorgsamer Auswahl von Objekten ein langfristiges Wertsteigerungspotenzial“, heißt es auf „Immobilienscout 24“.
Ein Potenzial, das scheinbar auch die Schöcks erkannt haben. Sie bauen derzeit ein Haus auf Zypern, wie Alina ankündigt. Sie hätten auch eine Investmentfirma, ergänzt Jonathan, und errichteten derzeit einen Wohnkomplex mit sechs Wohnungen. Ihr Fazit aus dem Video: Man bekomme viel mehr für sein Geld, zahle weniger Steuern und könne besser investieren.
Für Menschen, die mit dem Gedanken spielen, auszuwandern, womöglich interessant. In den AGBs von „Zypern Lifestyle“ ist allerdings zu lesen, dass der „Anbieter sich ausdrücklich von Tätigkeiten, die eine rechtliche oder finanzielle Beratung darstellen“, distanziert, „da er keine Lizenzen oder Befugnisse in diesen Bereichen besitzt.“
Schöcks antworteten auf Fragen des stern mit Anwaltspost
Der stern kontaktierte die Schöcks, um mehr zu den Hintergründen ihres Lebens auf Zypern, ihrer Geschichte sowie den Beweggründen und Erfahrungen in Bezug auf die Auswanderung nach Zypern zu erfahren. Einem ersten Interview stimmten die Influencer zu, widerriefen ihre Autorisierung allerdings nach einem zweiten Gesprächstermin, in dem genauer zu dem Geschäftsmodell gefragt wurde.
Auf eine erneute Anfrage mit der Bitte um schriftliche Beantwortung unserer Fragen wollten sie sich zunächst nicht äußern. Geantwortet hat stattdessen eine Anwaltskanzlei – und erklärt, dass es die Schöcks per Zufall nach Zypern verschlagen habe, „da gute Freunde bereits auf der Insel lebten“ und sie „sich nach ihrem ersten Aufenthalt ‚zu Hause fühlten'“. Weiter schreibt die Kanzlei: „Unsere Mandanten sind in Zypern steuerpflichtig.“
Bemerkenswert ist auch ein näherer Blick in das Impressum von „Zypern Lifestyle“. Die Firmenadresse führt zu einem Haus in Paphos. Hier sind neben „Zypern Lifestyle“ auch zwölf weitere Unternehmen und zwei Anwaltskanzleien gemeldet.
„Die Firmenadresse am Sitz einer Rechtsanwaltskanzlei wird genutzt, damit die Privatsphäre unserer Mandantschaft bestehen bleibt. Ein übliches Vorgehen bei Personen, die in der Öffentlichkeit stehen“, heißt es dazu in dem Anwaltsschreiben der Schöcks.
So üblich wie ihr Geschäftsmodell: Die Influencer machen deutschen Content in sozialen Medien für den deutschen Markt, gründen Firmen für den deutschen Markt, ihre Steuern aber zahlen sie vorschriftsgemäß dort, wo der Fiskus ihnen nicht so tief in die Tasche greift – Google, Facebook, Amazon und Co. haben es vorgemacht.
Quellen: Geschäftswebsite „Zypern Lifestyle“, Visit Cyprus, Statista, Europäische Union Zypern, Immobilienscout 24, Finanzministerium Steuerabteilung Zypern, Offizielle Website Republik Zypern, KPMG Limited, Instagramkanal Alina Schöck, Tiktok-Kanal Alina Schöck, Instagramkanal Jonathan Schöck, Tiktok-Kanal Jonathan Schöck, Youtubekanal Jonathan und Alina Schöck, Instagramkanal „Zypern Lifestyle“