Monatelanges Warten auf den Pass oder das Wohngeld. Lärmbelästigung und Ungerechtigkeiten: Die Rheinland-Pfälzer haben sich 2024 in fast 2.200 Fällen an die Bürgerbeauftragte gewandt.
Eine Rechnung über fast 400 Euro für einen nicht veranlassten Feuerwehreinsatz, eine laute Wärmepumpe des Nachbarn und monatelanges Warten auf wichtige Zahlungen oder Papiere: In solchen Fällen ist die rheinland-pfälzische Bürgerbeauftragte Barbara Schleicher-Rothmund 2024 aktiv geworden. „Den Bürgern werden teilweise Steine in den Weg gelegt.“
Was ist die Aufgabe der Bürgerbeauftragten?
Sie unterstützt Hilfe suchende Menschen und vermittelt bei Beschwerden gegenüber Verwaltungen und Behörden. Zu erreichen ist sie schriftlich, telefonisch, per Fax oder E-Mail, aber auch in persönlichen Gesprächen.
Der oder die Bürgerbeauftragte sei eine Hilfsorganisation des Landtags mit dem Auftrag zu kontrollieren, wie Verwaltungen in Rheinland-Pfalz funktionierten, sagte Schleicher-Rothmund. Mit der Einrichtung der Position der Bürgerbeauftragten des Landtags war Rheinland-Pfalz vor 50 Jahren Vorreiter in Deutschland.
In wie vielen Fällen kann sie helfen?
Insgesamt gingen im vergangenen Jahr 2.178 Eingaben ein, das waren 2,8 Prozent weniger als im Vorjahr. 1.882 Eingaben seien zulässig gewesen, bei den anderen ging es beispielsweise um Gerichtsverfahren, Bundeszuständigkeiten, private Firmen oder Nachbarschaftsstreitigkeiten.
„In etwa zwei Drittel der Fälle konnten wir helfen.“ Dann könne ein Fall gelöst werden oder es entstehe „eine befriedende Wirkung“ durch Erklärungen etwa der Rechtslage.
Die meisten Eingaben beträfen den Justizvollzug, gefolgt von Verkehrsrecht – weil sich Autofahrer etwa zu Unrecht geblitzt fühlten oder nicht wüssten, wohin sie im Ausland ihre Strafe bezahlen sollten.
Lange Wartezeiten können Existenzen bedrohen
Eine Dame mit 502 Euro Rente habe im August einen Antrag auf 327 Euro Wohngeld gestellt. Im Oktober habe sie in der Behörde jemanden erreicht, der ihr sagte, derzeit würden die Anträge vom Juni bearbeitet. Ein anderer Antrag auf Schwerbehinderung blieb elf Monate unbearbeitet liegen, bis sich der Antragsteller bei der Bürgerbeauftragten meldete.
Eine mit einem Deutschen verheiratete Kolumbianerin, die in Luxemburg arbeitete, hatte wochenlang keine Papiere und musste jeden Tag illegal die Grenze für den Arbeitsweg überqueren. Ihr kolumbianischer Pass war ihr beim Antrag auf Einbürgerung sogleich abgenommen worden, der Staatenlosen-Ausweis ließ auf sich warten.
Schleicher-Rothmund konnte in allen Fällen helfen, die Behörden seien schneller aktiv geworden.
Lärmbelästigung ist ein häufiges Thema
Bei eingegangenen Fällen von Lärmbelastung sei es um Gewerbefirmen, Gaststätten, Baustellen und Glascontainer gegangen, aber in zwei Fällen auch um Wärmepumpen. Ein Fall laufe seit rund fünf Jahren. Dabei habe das für die Lärmfeststellung zuständige Ordnungsamt nicht einmal über ein Lärmmessgerät verfügt.
Und der Feuerwehreinsatz?
Der kostete einen Bürger fast 400 Euro, weil sein Auto in der Garage in der Nacht einen Notruf abgesetzt hatte, während der Eigentümer im Bett lag.
Vorsicht Nebenwohnung
Ein wiederkehrendes Problem, mit dem sich die Bürgerbeauftragte befasse, seien Rundfunkgebühren für Nebenwohnungen. „Immer wieder wissen Menschen nicht, dass sie noch irgendwo gemeldet sind.“ Die Rundfunkgebühren für eine Nebenwohnung entfielen aber nicht automatisch, sondern nur auf Antrag. Ein besonders krasser Fall: Ein Mann sollte fast 1.000 Euro nachzahlen. Es ging um eine Adresse, wo er vor 41 Jahren als Azubi von seinem Arbeitgeber gemeldet, aber nie abgemeldet worden war.
Wiederaufbauhilfe nach der Ahr-Flutkatastrophe
Ein anderer Fall: Wegen eines technischen Problems habe die landeseigene ISB (Investitions- und Strukturbank) Anträge über längere Zeit nicht abgeschlossen und auch auf Nachfragen und an der Telefon-Hotline nicht reagiert. Das sei durch einen Antrag bekanntgeworden und es habe mehreren Menschen geholfen werden können.
Welche strukturellen Probleme gibt es?
„Großer Fachkräftemangel“ im dritten Jahr in Folge und schleppende Digitalisierung führten zu langen Bearbeitungszeiten in vielen Verwaltungen, bilanziert Schleicher-Rothmund. Besonders in den Ausländerbehörden und im Sozialbereich könnten die Menschen oft nicht einmal vorsprechen. Viele Verwaltungen seien auch nach Corona noch nicht wieder für Bürger geöffnet. Sie müssten klingeln „und kommen nur rein, wenn sie einen Termin haben“.
Wann hilft Digitalisierung?
Digitalisierung könne den Fachkräftemangel in den Behörden zu einem Teil aufheben, aber nicht vollständig, sagt Schleicher-Rothmund. Einige Beschwerden der Bürger hingen damit zusammen, dass Geld zurückgezahlt werden müsse, weil der Datenaustausch nicht funktioniere – etwa zwischen Wohngeld- und Grundsicherungsstelle auf einem Flur oder Grundbuch- und Nachlassamt.