Hessens Geflügelwirtschaft ist in Sorge: Nach bestätigten Fällen droht eine weitere Ausbreitung der Vogelgrippe. Wie Experten die Lage einschätzen und was Tierhalter jetzt beachten sollten.
Nach ersten Nachweisen der Vogelgrippe in Hessen liegen beim Hessischen Landeslabor positive Befunde aus zahlreichen weiteren Regionen Hessens vor. Eine Bestätigung, dass es sich auch in diesen Fällen um die Tierseuche handelt, stehe derzeit noch aus, teilte das hessische Landwirtschaftsministerium auf Anfrage mit.
Betroffen seien neben dem Landkreis Groß-Gerau auch der Rheingau-Taunus-Kreis, Frankfurt, Gießen sowie die Landkreise Limburg-Weilburg, Marburg-Biedenkopf, Hersfeld-Rotenburg, Waldeck-Frankenberg, Werra-Meißner, Schwalm-Eder und Kassel.
Als Maßnahmen ordneten die zuständigen Veterinärbehörden der Kreise und kreisfreien Städte je nach Risikoeinschätzung vor Ort regionale Aufstallungen an, teilte das Ministerium weiter mit. So seien im Kreis Hersfeld-Rotenburg entsprechende Anordnungen an einzelne größere Geflügelhaltungen ergangen.
Hohe Risiken bei Vogelausstellungen und mobilem Geflügelhandel
In Gebieten mit hoher Dichte an Wasser- und Zugvögeln sollten Tierhalter auch in eigener Verantwortung in Betracht ziehen, die Tiere im Stall zu lassen. Das Landwirtschaftsministerium appelliert zudem, Geflügel- oder Vogelausstellungen abzusagen oder nur unter Einhaltung strenger Sicherheitsregeln und nur mit einer abgestimmten regionalen Risikobewertung durchzuführen.
Ein hohes Risiko stelle zudem der mobile Geflügelhandel dar, also Verkaufstouren von Gewerbetreibenden, die Geflügel zur privaten Haltung aus Fahrzeugen heraus verkaufen. „Nach Möglichkeit sollten Händler darauf verzichten. Tierhalter sollten unbedingt darauf achten, nur gesunde Tiere zu kaufen.“
Über das weitere Vorgehen wollten Vertreter und Experten des Ministeriums sowie aus Geflügel- und Landwirtschaft, Naturschutz, Tiermedizin und Wissenschaft je nach Lage in Videokonferenzen beraten.
Geflügelwirtschaft stellt sich auf weitere Nachweise ein
Derweil stellt sich die hessische Geflügelwirtschaft auf eine weitere Ausbreitung der Tierseuche ein. Noch in dieser Woche rechne man mit weiteren Nachweisen, sagte Inga John, Geschäftsführerin des Geflügelwirtschaftsverbandes Hessen.
Im südhessischen Landkreis Groß-Gerau hatte das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) den Verdacht auf Vogelgrippe bei zwei Höckerschwänen und einem Silberreiher bestätigt. Daraufhin hatte das Veterinäramt des Kreises am vergangenen Freitag den Ausbruch der hoch ansteckenden Tierseuche festgestellt. Zugleich waren für sechs Monate eine Aufstallpflicht und andere Einschränkungen für Geflügelhalter angeordnet worden. Anderswo in Hessen gibt es solche Allgemeinverfügungen bislang nicht.
Rund 90.000 Legehennen in Hessen
Der Geflügelwirtschaftsverband Hessen hat 75 Mitgliedsbetriebe mit 90.000 Legehennen sowie einer jeweils nicht näher genannten Zahl von Masthähnchen und Puten. Allerdings seien längst nicht alle Geflügel haltenden Betriebe in dem Verband organisiert. Sollte H5N1 in vielen Nutztierbeständen ausbrechen, wäre dies „schon ein heftiger Schlag ins Kontor“, sagte John.
Die Vogelgrippe, auch Geflügelpest genannt, ist eine hochansteckende und bei vielen Vogel- und Geflügelarten rasch tödlich verlaufende Infektionskrankheit. Ehemals war das Virus im Zusammenhang mit dem Vogelzug nur während der kalten Jahreszeit hierzulande präsent. Mittlerweile gibt es das ganze Jahr hindurch Nachweise, wenn auch mit saisonalen Schwankungen. Das FLI empfiehlt als Schutzmaßnahme die schnelle Entfernung von Wildvogel-Kadavern durch Expertenteams.