„Fragen Sie mal Ihre Töchter“, antwortete der Kanzler auf die Frage, was er denn nun mit dem „Problem im Stadtbild“ gemeint habe. Das muss man dem stern nicht zweimal sagen.

Man könnte das so sehen: Der Bundeskanzler macht es sich mindestens recht einfach. So wirklich erklären jedenfalls will er sich nicht. Alles begann damit, dass Friedrich Merz vor einigen Tagen bei einem Termin in Brandenburg über die Asylpolitik seiner Regierung sprach. „Wir sind bei der Migration sehr weit“, sagte er wörtlich, man habe die Asylzahlen um 60 Prozent nach unten gebracht. Und dann folgte dieser Satz: „Aber wir haben im Stadtbild immer noch dieses Problem.“ Deswegen sei der Bundesinnenminister dabei, „jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen“.

„Problem im Stadtbild“? Das sagen junge Frauen

Nur, was genau meinte der Kanzler jetzt mit „diesem Problem“? Ein paar Tage später wurde er das von Journalisten in Berlin gefragt. Fast schon genervt im Ton schleuderte er ihnen entgegen: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“ Sehr viel konkreter wurde er nicht, auch wenn er später noch hinzufügte, es gehe ihm grundsätzlich um das Verbessern der öffentlichen Sicherheit.

Wir haben junge Frauen gefragt, wo für sie das Problem im Stadtbild liegt. Nicht immer sind die Antworten so, wie Merz sie sich vorgestellt haben dürfte. Die Aussagen zeigen zudem lediglich einen Ausschnitt der Wirklichkeit, sie erheben nicht den Anspruch einer repräsentativen Umfrage.

Franka, 24, aus Hamburg: „Nachts fühlt man sich an manchen Orten einfach unwohl“

Ich lebe in Hamburg und pendle für mein Studium nach Lüneburg, bin also regelmäßig an Bahnhöfen unterwegs. Am Wochenende gehe ich gerne auch mal auf der Reeperbahn feiern. Es gibt Momente, in denen ich mich dort unwohl fühle. Als junge Frau erlebt man Sicherheit in der Stadt anders als Männer – vor allem nachts fühlt man sich an manchen Orten einfach unwohl. Aber das liegt nicht an den Menschen, die anders aussehen oder eine andere Sprache sprechen. Es sind die sichtbare Obdachlosigkeit, die Drogenprobleme, betrunkene Männer, die ein Gefühl von Unsicherheit erzeugen. Wenn ich abends durch den Hamburger Hauptbahnhof laufe, sehe ich nicht Zuwanderung als Problem, sondern soziale Not und Ungleichheit. 

Diese Probleme haben nichts mit Herkunft zu tun, sondern mit einer Politik, die jahrelang beschämt weggeschaut hat. Wenn Jens Spahn oder Friedrich Merz dann mit dem Finger auf „Migrantenviertel“ zeigen, wirkt das auf mich nicht wie ehrliche Sorge um die Sicherheit von jungen Frauen oder Töchtern, sondern wie bewusste Stimmungsmache. Statt nach Lösungen zu suchen, werden Stereotype bedient – wie man sie sonst nur von der AfD kennt. Das finde ich traurig und beschämend. 

Franka: „Es sind die sichtbare Obdachlosigkeit, die Drogenprobleme, betrunkene Männer, die ein Gefühl von Unsicherheit erzeugen“
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Lisa, 26, aus Ingolstadt (Name geändert): „Liegt auch an kulturellen Unterschieden“

Ich finde, man versucht, Merz gerade die Worte im Mund zu verdrehen. Deshalb will ich meinen echten Namen öffentlich auch nicht lesen. Wir sind an einem Punkt, an dem wir Sachen, die eigentlich Realität sind, nicht aussprechen dürfen, obwohl es wichtig wäre. 

Mir geht es gar nicht um ein verändertes Stadtbild. Das ist an sich nichts Negatives und passiert mit der Globalisierung überall. Und dass man als junge Frau auch mal angesprochen wird, ist das eine. Aber wenn ein „Nein“ einfach nicht akzeptiert und man bedrängt wird, dann liegt das auch an kulturellen Unterschieden. Ich musste das schon öfter am eigenen Leib erfahren. In arabischen und muslimischen Kreisen zählt die Meinung einer Frau oft einfach weniger.

Schon als ich noch in der Schule war, hieß es zu uns im Hochsommer, wir sollten aus Respekt vor unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen bitte keine kurzen Kleider tragen. Das ist für mich der komplett falsche Ansatz – die Verantwortung an die Frauen abzugeben, um zu verhindern, dass es zu einer Belästigung kommt. Das hat nichts mit der Selbstbestimmung der Frau zu tun. Unsere Politiker sollten sich hinstellen und einstehen für die Werte, die Rechte und die Gleichberechtigung, die wir uns in diesem Land über Jahre hinweg erarbeitet haben.

Michelle, 16, und Lina, 17, aus Lüneburg: „Wurden genauso oft von Deutschen belästigt“

Um eines klarzustellen: Wir wurden mindestens genauso oft von deutschen wie von ausländischen Männern belästigt. Das Stadtbild lässt sich nicht mit Abschiebung verbessern, sondern mit mehr Schutz für Frauen. Mehr als die Hälfte aller Frauen haben in Deutschland sexuelle Belästigung erlebt. Jeden Tag versucht ein Mann in Deutschland, seine Frau oder Ex-Frau zu töten, und jeden zweiten Tag gelingt es ihm. 

Doch die Politik sieht weg. Friedrich Merz, ein Politiker, der für ein Frauenbild von vorgestern steht, tut jetzt auf einmal so, als würde ihm die Sicherheit der Frauen am Herzen liegen. Dabei versucht er nur, die Unterdrückung der Frauen als Argument gegen Migration zu benutzen. 

Das Problem sind nicht Ausländer, sondern Männer. Es wird immer auf andere geschoben, und keiner will wahrhaben, dass auch sie Teil des Problems sind. Wir als Frauen haben in diesem Land Angst, aber nicht vor Ausländern, sondern vor Politikern wie Merz, die immer weiter nach rechts rücken und es nicht schaffen, einen sicheren Ort für jeden Menschen zu schaffen.

Michelle und Lina: „Wir wurden mindestens genauso oft von deutschen wie von ausländischen Männern belästigt“
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Svenja, 32, aus Nürnberg (Name geändert): „Der Kanzler nimmt mir die Worte ab“

Ich habe einen Migrationshintergrund. Trotzdem finde ich Merz’ Aussage nicht rassistisch – sondern mutig. Ich bin erleichtert, dass der Kanzler mir die Worte abnimmt, die ich mich selbst nicht zu sagen traue. Vor meinen Freunden würde ich nie sagen, dass mir Gruppen arabischer Männer Angst machen. Ich würde nie sagen, dass ich mich unwohl fühle, wenn vollverschleierte Frauen an mir vorbeigehen. Da stände sofort die Freundschaft auf dem Spiel. Für sie wäre ich eine Rassistin. Aber das bin ich nicht. Also sage ich nichts. 

Einmal hatte ich einen arabischstämmigen Freund zu Besuch. Wir saßen im Bus, und er telefonierte mit seiner Mutter auf Arabisch. Er hörte sich irgendwie aggressiv an. Ich sah, wie die Rentner neben ihm nervös auf ihre Schuhe blickten. Als wir ausstiegen, fragte ich, was er denn zu seiner Mutter gesagt hatte. Er antwortete: „Dass ich sie lieb habe.“ Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass sich Leute um ihn herum unwohl fühlen, weil sie ihn nicht verstanden haben. Das wiederum hat er nicht verstehen können, und ich merkte, dass ich bei ihm unten durch war.

Ich glaube, solche Missverständnisse sind die eigentliche Ursache dafür, dass man sich in Gruppen von Menschen, die anders aussehen als man selbst, schnell unwohl oder sogar bedroht fühlt. Was dagegen hilft, sind echte Begegnungen. Das erste Mal, dass ich mit einem Syrer ins Gespräch kam, war im Juli dieses Jahres. Wir standen auf dem Erdbeerfeld, zwei Reihen voneinander entfernt. Er biss in eine Erdbeere und sagte auf Deutsch in meine Richtung, dass die Erdbeeren in diesem Jahr zu wässrig seien. Ich nickte, was er als Einladung verstand, weiterzureden. 

Er erzählte von seinem Job als Taxifahrer, von seinen Kindern, auf die er sehr stolz sei, von seiner Frau, die ein paar Reihen weiter pflückte. Dann fragte er nach mir. Wie es mir geht und was ich arbeite. Rein äußerlich gehört dieser Mann wohl zu den Stadtbild-Ruinierern, von denen Merz sprach. Er hatte dunkle Haut und einen dunklen Bart. Wäre ich ihm zu einer späteren Tageszeit in der Stadt begegnet, wäre ich schnell und ohne aufzublicken vorbeigegangen. Erst das Gespräch zeigte mir, dass ich keine Angst haben muss.

Lotte, 18, aus Hamburg: „Zum Hauptbahnhof gehe ich nicht, da habe ich Angst“

Ich habe mir über das Stadtbild noch nie Gedanken gemacht. Ich bin in Hamburg aufgewachsen, Migration ist für mich überall. Viele meiner Freunde haben einen Migrationshintergrund. Ich gehe nicht vor die Haustür und denke: „Oh, ein Ausländer. Oh, ein Weißer. Oh, ein Schwarzer.“ Andere Kulturen waren nie fremd für mich. Ich bin mit meinen Eltern viel in arabischen Staaten gereist. 

Im Freundeskreis bin ich manchmal das einzige biodeutsche Mädchen in der Gruppe. Und manchmal finde ich es tatsächlich gut, wenn noch ein anderes deutsches Mädchen dabei ist. Es gibt Situationen, da sprechen alle über ihren Hintergrund, und wenn ich dann sage, ich bin deutsch, dann heißt es: „Was, nur deutsch?“ Dann fühle ich mich wohler, wenn noch andere Deutsche dabei sind, damit ein Klischee wie „geizig“ nicht nur mich trifft.

In jeder Gruppe, egal ob Migrationshintergrund oder nicht, gibt es Böse und Gute. In den Clubs gibt es Leute, die ultrarespektvoll sind. Wenn sie mich kennenlernen wollen, und ich sage, dass ich kein Interesse an ihnen habe, dann gehen sie weg. Natürlich gibt es Leute, die aufdringlich sind. Wenn ich blöd angemacht werde, dann sind es meistens ausländische Jungs, die mir helfen. Zum Hauptbahnhof gehe ich nicht, da habe ich Angst. Nicht wegen der ausländischen Menschen, sondern wegen der vielen Drogen- und Alkoholabhängigen.

Kathrin, 26, aus Bonn: „Es gibt sehr viele Probleme im Stadtbild“

Wenn ich mich unsicher in der Stadt fühle, dann wegen Männern im Allgemeinen, unabhängig von deren Herkunft. Ich frage mich auch, woran ich das denn festmachen sollte: Wie soll ich feststellen, dass diese Gruppe Männer, an der ich abends am Busbahnhof möglichst unauffällig vorbeilaufe, illegale Migranten sind? 

Die Aussage ist völlig aus der Luft gegriffen und macht mich extrem wütend, weil genau solche Behauptungen zu noch mehr Spaltung in unserer Gesellschaft führen. Als Bundeskanzler einer demokratischen Partei, die eigentlich Werte wie Nächstenliebe vertritt, darf er meiner Meinung nach so etwas nicht sagen. Nein, noch viel wichtiger: Er sollte so etwas Rassistisches überhaupt nicht denken! In einem Punkt gebe ich ihm recht: Es gibt sehr viele Probleme im Stadtbild, beispielsweise Leerstand, zu viele Autos, Versiegelung von Flächen, zu wenig Grün und zu wenig öffentliche Räume mit einer guten Aufenthaltsqualität.

Kathrin: „Wie soll ich feststellen, dass diese Gruppe Männer, an der ich abends am Busbahnhof möglichst unauffällig vorbeilaufe, illegale Migranten sind?“
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Sabrina, 35, aus München (Name geändert): „Die Töchter werden viel zu wenig gefragt“

Ich unterschreibe die Äußerungen von Friedrich Merz komplett, sie sprechen mir aus der Seele. Im öffentlichen Raum fühle ich mich zunehmend unwohl wegen des steigenden Risikos sexueller Übergriffe. Diese gehen von Männern aus, und nun einmal prozentual häufiger von Zuwanderern als Nichtzuwanderern. Darüber hinaus ist es einfach unangenehm, wenn dir eine Gruppe junger Männer nachstarrt. So was führt dazu, dass ich abends nicht zu Fuß heimgehe, sondern ein Taxi nehme. Dabei würde ich gerne zu Fuß gehen, weil das abends guttut. Es führt auch dazu, dass ich mich nicht im Bikini an einem öffentlichen See sonne, sondern in einem Hotel, wo ich die Augen zumachen und dösen kann. Das macht mich wütend, vor allem die Machtlosigkeit, weil du dem ausgeliefert bist. 

Ich halte es für ein Armutszeugnis, dass ein Politikum daraus gemacht wird, wenn so etwas thematisiert wird. Ich traue mich zu behaupten, dass ich mit dem Gefühl als Frau nicht allein bin. 

„Fragt eure Töchter“ trifft ehrlicherweise den Nagel auf den Kopf. In der Migrationspolitik werden die Töchter viel zu wenig gefragt. Und das finde ich nicht in Ordnung. Ich lebe hier, ich bin Teil der Gesellschaft, und ich halte den Laden mit am Laufen. Also nicht nur ich, sondern alle in meiner Situation. Und dann erwarte ich, dass auch meine Anliegen repräsentiert werden. Meine Bevölkerungsgruppe hat auch Interessen, und die kollidieren nun mal mit der Einwanderungspolitik. Der Staat spricht über Frauenquoten. Diesen Schutz brauche ich nicht. Aber ich brauche den Schutz vor sexuellen Übergriffen, weil ich da einfach machtlos bin.

Es geht mir nicht um Zuwanderer per se, und ich weiß auch, dass nicht der Einzelne das Problem ist. Aber am Ende des Tages sage ich: Wo liegt der Fokus? Auf der Tätergruppe oder auf der Opfergruppe?

Samira, 32, aus Hamburg: „Das Problem heißt Misogynie“

Ich bin Tochter, 32, lebe in Hamburg, geboren und aufgewachsen in Deutschland. Und ja, Herr Merz, ich habe Angst. Wenn ich nachts allein in der U-Bahn sitze, durch dunkle Straßen gehe oder im Taxi fremden Männern mein Heimkommen überlasse. Diese Angst hat kein Gesicht, keine Herkunft, kein Alter – nur ein Geschlecht: Männer. 

Sie sagen: „Wir haben ein Problem im Stadtbild“ und meinen Menschen mit dunkler Haut, anderem Namen. Sie malen Angst, wo Alltag ist – und die Union klatscht. Ich aber sage: Sicherheit wächst nicht aus Angst und Hass, sondern aus Gerechtigkeit. Sie schieben Verantwortung auf Fremde und spalten. Ich aber sage, dass Heimat nicht entsteht, wo man Fremde vertreibt.  

Ich habe Angst – nicht nur vor Übergriffen, sondern vor einer Politik der Ausgrenzung, die solche Worte nähren. Ich fürchte mich vor Politikern, die nicht weise sind, aber laut. Sie waren das beste Beispiel eines solchen, als Sie die Vergewaltigung in der Ehe nicht als Straftat sahen, sie blieben es, als sie die Abtreibung kriminalisieren wollten, und Sie sind es noch immer, wenn Sie jetzt Frauen instrumentalisieren, um falsche Ängste zu schüren. 

Samira: „Gewalt gegen Frauen kommt meist aus dem eigenen Umfeld – vom Partner, Ex-Partner, Kollegen“
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Es ist wahr, dass wir Frauen uns nachts allein fürchten. Aber lieber Herr Merz, Wahrheit verliert ihre Kraft, wenn sie mit Verachtung gesprochen wird. Es sind nicht Fremde, die uns bedrohen. Gewalt gegen Frauen kommt meist aus dem eigenen Umfeld – vom Partner, Ex-Partner, Kollegen. Das zeigen Zahlen des Bundeskriminalamts.  

Das Problem heißt Misogynie. Die gab und gibt es schon immer im öffentlichen Raum – mit und ohne Zuwanderung. Was wiederum Städte unsicher macht, sind Armut, Wohnungsknappheit, fehlende Prävention, schlechte Beleuchtung, zu wenig Sozialarbeit und Polizeipräsenz dort, wo sie gebraucht wird. 

Das Problem im Stadtbild sind nicht Menschen mit Migrationsgeschichte. Das Problem ist eine Politik und Rhetorik der Feigheit, die Verantwortung verschiebt, Hass normalisiert und wichtige Aufgaben – wie Wohnungsnot, Bildung, Aufstiegschancen – zu einem kulturellen Konflikt verklärt. Weder mein noch das Leben anderer Frauen wird dadurch sicherer. 

Pauline, 16, aus München: „Hatte das Gefühl, die Situation könnte kippen“

Ich finde schon, dass das, was Friedrich Merz gesagt hat, vom Ansatz her richtig ist. Denn ich habe schon mehrere bedrohliche Begegnungen mit Männern mit Migrationshintergrund erlebt, meist im Alter meines Vaters. Auf meinem Schulweg fahre ich oft U-Bahn und muss immer am Marienplatz umsteigen. Dort erinnere ich mich an eine Situation, in der sich zwei dunkelhäutige Männer mir direkt gegenübersetzten, mich ununterbrochen anstarrten und plötzlich mit „How are you“ ansprachen. Das war so aufdringlich, dass ich mich bedrängt fühlte. Ein anderes Mal, in der Bibliothek, passte ein Inder, sicher über 40 Jahre alt, den Moment ab, als ich zusammenpackte, lief mir hinterher und sagte: „I wanted to tell you, you are cute.“ Dann wollte er meine Handynummer. Ich fühlte mich überrumpelt und verunsichert. 

Oder vergangenes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt am Marienplatz: Eine Freundin und ich wurden von einer Gruppe junger Syrer umringt, die uns ansprachen und nicht gehen ließen, obwohl wir deutlich machten, dass wir kein Interesse hatten. Da hatte ich zum ersten Mal wirklich Angst, weil ich das Gefühl hatte, die Situation könnte kippen. 

Ich habe zwei Freundinnen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, und wir alle drei kennen solche bedrängenden Situationen bisher nur mit Männern mit Migrationshintergrund. Dabei bewege ich mich gar nicht in Gegenden, wo besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund sind. Trotzdem habe ich gemerkt: Wenn ich allein unterwegs bin, vor allem bei Dunkelheit, fühle ich mich einfach nicht sicher.

Pauline: „Meine beiden Freundinnen und ich kennen solche bedrängenden Situationen bisher nur mit Männern mit Migrationshintergrund“
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Denise, 37, aus Hamburg: „Rechte nutzen Frauenrechte für rassistische Politik“

„Fragen Sie mal Ihre Töchter“, sagte Friedrich Merz auf die Frage nach einer Entschuldigung für seine „Stadtbild“-Äußerung. Ein rhetorischer Winkelzug, der seine Methode entlarvt. Merz spricht von Töchtern, nicht von Frauen. Diese Wortwahl ist Kalkül. Wer „Töchter“ sagt, meint: junge Frauen, die beschützt werden müssen. Merz inszeniert sich als Beschützer – und rechtfertigt damit Ressentiments gegen migrantische Männer.

Dabei ist seine Sorge hochselektiv. Die CDU wurde von jungen Frauen kaum gewählt. Seine Partei votierte gegen Gewaltschutz, Gleichbehandlung und die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Bei Frauenhäusern schweigt die Union. Doch gegen Migration werden Frauen plötzlich wichtig. Die Soziologin Sara R. Farris nennt das Femonationalismus: Rechte nutzen Frauenrechte für rassistische Politik. Merz macht aus einem Problem mit Sexismus ein Problem mit Migration. Frauen haben nachts Angst auf der Straße – vor Männern allgemein, egal wie sie aussehen. Wo schützt uns der Bundeskanzler da? Not all men, but always a man: Wer Frauen schützen will, muss über Machtstrukturen zwischen den Geschlechtern sprechen – unabhängig von Herkunft.

Die Antwort der Töchter ist eindeutig: Das Problem sind Männer, die über Frauen bestimmen wollen – und Politiker, die Frauenrechte nur wichtig finden, wenn sie damit Rassismus rechtfertigen können.