Knapp zwei Tage lang besucht Markus Söder die Insel Helgoland – und fühlt sich pudelwohl dabei. Was will er uns mit dieser Reise sagen?
„Achtung, Achtung, der Kapitän hat was Schlechtes gegessen. Der Co-Kapitän auch. Ich habe das Steuer übernommen“, verkündet Markus Söder. Die Durchsage an die Schiffspassagiere: offensichtlich augenzwinkernd. Doch tatsächlich sitzt der bayerische Ministerpräsident – unter Aufsicht des echten Kapitäns – am Steuer eines Schiffes nach Helgoland. Er plaudert jovial, fragt, wie die Besatzung zur Seefahrt kam, trägt eine Kappe mit dem bayerischen Wappen und strahlt bis über beide Ohren, als er mit dem rechten Zeigefinger die Fahrtrichtung angibt.
Was soll diese Tour? Hisst er – vielleicht ebenfalls augenzwinkernd – die Segel zur langen Reise Richtung Berlin? Falls Merz‘ Koalition Schiffbruch erleidet und die AfD das Kanzleramt zu kapern droht? Kanzler und Kapitän beginnen schließlich beide mit K. So fernliegend das heute erscheint, könnte Söder sich wirklich schon um einen Kampf in der unionsinternen K-Hierarchie wähnen. Zusammen mit den potenziellen Co-Kapitänen Hendrik Wüst, Ursula von der Leyen und Daniel Günther. Allen hat er schon mal den Wind aus den Segeln genommen.
„Nicht relevant“
Er kann das sanft, wie etwa bei Hendrik Wüst. Befragt im ARD-Interview, was Söder am Amtskollegen aus Schleswig-Holstein schätze, folgt erst eine lange Pause, dann ein ratloses Schnaufen und schließlich ein, „dass er immer so schön schlank bleibt“.
Er kann es über Bande, wie bei Ursula von der Leyen. Seit beim grünen Lieblingsgegner Habeck regierungstechnisch Ebbe herrscht, wendet sich Söder nun zunehmend gegen die EU. Deren Kommissionspräsidentin von der Leyen versprach ein Verbrennerauto-Aus bis 2035. Unions-„Kollege“ Söder blafft dagegen: „Das grundlegende Verbrennerverbot muss weg. Wir setzen auf Technologieoffenheit statt Ideologie.“
Und natürlich kann er auch harsch. Vor der letzten Bundestagswahl dachte Daniel Günther über eine Koalition mit den Grünen nach. Söder reagiert mit einem Schuss vor dessen Bug: Günthers Aussagen seien schlicht „nicht relevant“.
Oder geht es Markus Söder um eine ganz andere K-Frage? Um jene, wie viele Klicks das alles bringt? Bereits zwei Tage zuvor hatte er den Mund besonders weit aufgerissen, gelächelt und zugebissen. In einem seiner Instagram-Videos sieht man, wie er einen Döner genießt. Der Beitrag gefällt 19.000 Menschen. Klappt das erneut mit der Reise von Hamburg nach Helgoland?
Vor der Abfahrt: großer Bahnhof. TV-Teams, Helgolands Bürgermeister, die Tourismus-Chefin und der Fährenbetreiber begrüßen ihn. Söder lächelt, geht an Bord. Sein Besuch sei „der erste offiziell als Ministerpräsident“, schreibt er. 2874 Instagrammer liken das – schon eine Stunde nach dem Posting.
„Heimatabend“ auf Helgoland
Von mindestens einem aber gibt es dafür wieder keinen Like: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther. „Wenn es nach dem Länderfinanzausgleich geht, dann wären Sylt und Helgoland längst bayerisch“, hatte Söder im Wahlkampf vor einem halben Jahr rausgehauen. Beide Inseln gehören zu Günthers Bundesland. Helgolands Bürgermeister hatte Söder daraufhin zu diesem Besuch eingeladen. Der ließ sich nicht zweimal bitten und schiffte sich nun samt Entourage recht kurzfristig auf der Nordseeinsel ein. Ob auch Günther den Gast aus dem Süden auf der Insel begrüßen werde? „Ich habe Gäste in unserem Land, die ich betreuen muss, die auch vorher Bescheid gesagt haben“, verneint er in nordisch-gelassener Version des Mittelfingers.
Aus Lust auf Entspannung dürfte Söder die Reise jedenfalls nicht angetreten haben. Beim „Heimatabend“ muss er richtig was leisten. Er wird um ein Grußwort gebeten. Die etwa 200 Besucher goutieren seine launigen Sätze. Johlender Jubel keimt auf, als er verspricht, „der reiche Freund aus dem Süden“ sei jederzeit bereit, Helgoland aufzunehmen, falls die Insulaner mal unzufrieden seien. Beim Gastgeschenk des Bürgermeisters – einem maritimen Präsentkorb – sagt er ablehnend und grinsend, dass er seine Hoffnung nun doch eher auf das versprochene zweite Geschenk lege. Kurze Irritation im Saal. War das lustig? Egal. Dann ist Söders Sitzfleisch gefragt, als ihm die örtliche Tanzgruppe detailliert alle Besonderheiten einer Helgoländer Tracht zeigt.
Nach zweieinhalb Stunden schließlich wird der Gast gefragt, ob er Lust habe zu singen. Hat er. Freddie Quinns Klassiker „Sie hieß Mary Ann“ schmettert Söder zusammen mit dem Shanty-Chor sehr selbstbewusst. Das kommt an in Helgolands Nordsee-Halle. Circa 200 Likes sind ihm hier gewiss. Und bei Insta? 6476 Personen gefällt das. Ein Instagram-User – nein, nicht Daniel Günther – kommentiert das Gesangsvideo in söderscher Augenzwinker-Manier: „Unser zukünftiger deutscher König kann nicht nur Bayern sondern auch Norden.„
Transparenzhinweis: Die Recherche zu diesem Artikel wurde unterstützt durch den Betreiber der Helgoland-Fähre FRS.