Ein Expertengremium warnt vor ausufernden Subventionen für Unternehmen in Deutschland. „Durch die Vielzahl an Fördermaßnahmen und Zielen besteht die Gefahr, dass die Industriepolitik zu einem Sammelsurium von Subventionen ohne wirtschaftspolitischen Kompass verkommt“, erklärte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministeriums am Dienstag zur Veröffentlichung eines Gutachtens zur Industriepolitik in Europa. „Die Rücknahme exzessiver Regulierung und eine konsequente Entbürokratisierung sind für Europa und Deutschland aktuell die beste Industriepolitik“, empfahl der Beiratsvorsitzende Eckhard Janeba.

Eine von industriepolitischen Eingriffen dominierte Wirtschaftspolitik berge Risiken für die Volkswirtschaft, da Unternehmen in einer solchen Situation „ihre Investitionen stärker an zukünftigen Entwicklungen in der Politik und nicht an Marktchancen ausrichten“, erläuterten die Experten. „Nehmen Sie die USA: Jedes Unternehmen überlegt sich: Was will denn Trump? Und wenn es der nicht ist, was will sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin?“, erläuterte der federführende Betreuer des Gutachtens, Achim Wambach.

Bei einem Fokus auf Fördermaßnahmen droht laut Beirat zudem die Gefahr, dass „wesentliche Schritte zu Belebung der Wirtschaft an anderer Stelle vernachlässigt werden“.

Zugleich sieht das Expertengremium sehr wohl Bereiche, in denen „gesellschaftliche Ziele nicht über marktbasierte Prozesse erreichbar“ sind. Hier nennen die Experten die „neuen geopolitischen Herausforderungen“ und die Transformation der Wirtschaft zur Klimaneutralität. Industriepolitische Eingriffe sollten aber so „marktkonform“ wie möglich sein, sagte Wambach. Damit sei gemeint, dass sie den Wettbewerb stärken und nicht etwa einzelne Unternehmen abschotten. Vor Eingriffen sollte den Forschenden zufolge zudem immer die Verhältnismäßigkeit analysiert werden.

So sei etwa das EU-Ziel, bis 2030 mindestens 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an sauberen Technologien wie Windkraftanlagen, Wärmepumpen und Anlagen zur CO2-Speicherung in Europa zu produzieren, „weder klimapolitisch noch mit Blick auf die Versorgungssicherheit“ zu begründen. Daher solle die Bundesregierung dieses Ziel „nicht aktiv verfolgen“, fordert das Gremium. „Wenn wir keine Solarplatinen bekommen, dann geht hier nicht die Welt unter“, sagte Wambach gegen das Argument der Versorgungssicherheit. „Das ist was anderes, als wenn wir kein Gas aus Russland bekommen.“

Zudem verweisen die Forschenden auf den zweiten EU-Emissionshandel, der 2027 in Kraft tritt und mit dem knapp 90 Prozent der europäischen klimaschädlichen Emissionen durch die entsprechenden Handelssysteme abgedeckt würden. Wenn dies konsequent durchgesetzt werde, seien viele andere Maßnahmen „überflüssig“, sagte Wambach weiter. Auch stellt das Gutachten fest, dass europäische Unternehmen im Wettbewerb außerhalb Europas Nachteile haben, wenn dort geringere Klimaschutzvorgaben gelten. Die Forschenden empfehlen daher, weitere Instrumente für exportierende Unternehmen einzusetzen.

Wie schon in einem vorherigen Gutachten schlagen die Wissenschaftler vor, ein „European Supply Security Office“ einzurichten, dass Daten zu den Risiken der Lieferketten sammeln und so prüfen soll, wann Unternehmen eines Sektors nicht mehr selber für die Lieferkettensicherheit sorgen können. Dieses solle etwa Stresstests für anfällige Sektoren entwickeln. 

Entgegen des Trends in der US-Politik rät der Beirat der EU klar dazu, sich an die Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu halten. „Ich glaube, es ist jetzt noch notwendiger zu sagen, Europa sollte versuchen, WTO-konform zu sein“, fuhr Wambach fort. Länder wie etwa Indien „brauchen keine Sorgen zu haben, dass Frau von der Leyen morgens aufwacht und sagt: Wir machen jetzt 50 Prozent Strafzoll, weil ihr die falsche Politik führt. Das wird in Europa nicht passieren. Und das ist unsere Stärke. Und die Stärke sollten wir nicht leichtfertig hergeben.“