Der SPD-Mann Dirk Wiese fordert eine Steuerreform. Zu Friedrich Merz hat er ein besonderes Verhältnis: Man kennt sich aus dem Wahlkreis. Nun droht Ärger in der Koalition.

Neulich hat Dirk Wiese von der SPD eine Steuerreform gefordert. Weniger Belastung unten, mehr ganz oben. Die Union will das nicht. Wiese ist der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, und man könnte vermuten, so eine Wortmeldung versende sich irgendwo zwischen dem dramatischen Weltgeschehen und der innenpolitischen Pausenstimmung in Deutschland. Aber manchmal verbirgt sich dahinter doch eine interessante kleine Geschichte.

So ein Parlamentarischer Geschäftsführer hat eine sperrige Funktionsbezeichnung, aber eine wichtige Rolle. Er ist der Manager der Fraktion, regelt die Abläufe, wirkt als Frühwarnsystem für die Stimmung unter den Abgeordneten und organisiert zusammen mit dem Fraktionschef die Mehrheiten. Kurz gesagt: alles, was neulich in der Unions-Fraktion schiefgelaufen ist, als neue Verfassungsrichter gewählt werden sollten.

Der Bundeskanzler steht natürlich hierarchisch weit über einem Parlamentarischen Geschäftsführer. Aber wenn er klug ist, weiß er, wie wichtig der sogenannte PGF auch des Koalitionspartners für ihn sein kann, besonders, wenn die Mehrheit der Regierung nur zwölf Stimmen beträgt wie bei Friedrich Merz.

Was Friedrich Merz von Angela Merkel lernen kann

Von Angela Merkel ist bekannt, dass sie für ein reibungsloses Funktionieren der Koalition großen Wert auf die Arbeit der PGFs legte, weshalb sie den Posten in ihrer ersten Regierungszeit Norbert Röttgen überließ, der damals noch ein enger politischer Vertrauter von ihr war. Auf der SPD-Seite hieß der PGF Olaf Scholz, mit dem sich die Kanzlerin weit besser verstand als mit seinem Fraktionsvorsitzenden Peter Struck. Jemand aus ihrer damaligen Umgebung hat mal gesagt, es habe für Merkel „etwas Beruhigendes“ gehabt, wenn sie wusste, dass ein Problem mit Scholz verhandelt worden war.

Dass das bei Merz und Wiese rund 20 Jahre später genauso ist, erscheint eher zweifelhaft. Die beiden kennen sich schon länger, weil sie aus demselben Wahlkreis im Sauerland kommen, und mögen sich, nach allem, was man weiß, nicht besonders. Merz hat diesen Wahlkreis zuletzt mit großem Abstand gewonnen, Wiese ist über die SPD-Landesliste in den Bundestag eingezogen.

Bevor Friedrich Merz mit der SPD zu regieren begann, war sein persönliches Verhältnis zu vielen Sozialdemokraten mies. Vom Kanzler Olaf Scholz fühlte er sich schlecht behandelt, von anderen zu Unrecht angegriffen. Auch deshalb konnte Merz einige SPDler nicht leiden, und Dirk Wiese stand auf dieser Liste sehr, sehr weit oben, um es zurückhaltend auszudrücken. Wiese wiederum sah offenkundig wenig Anlass, das Verhältnis zu verbessern, kritisierte Merz als Innenpolitiker oft hart und ärgerte ihn im Wahlkampf, indem er sich die Internetadresse für Merz’ Slogan „Mehr Sauerland für Deutschland“ sicherte. Jetzt spielt dieser Dirk Wiese für die Macht des Kanzlers eine Schlüsselrolle. Das hat schon was.

Wenn also Wiese dieser Tage den ohnehin brüchigen Koalitionsfrieden stört, kann es sein, dass der Kanzler beim Lesen der Meldung denkt: der schon wieder!

Aber ein PGF ist oft auch der Vorbote für größeren Ärger. Prompt hat SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil Steuererhöhungen für das Stopfen von Haushaltslöchern am vergangenen Wochenende nicht vom Tisch genommen. Nun tobt die CDU. Etwas Beruhigendes hat das alles für diesen Kanzler nicht.