Vor gut einem Jahr gewinnt Darja Varfolomeev als erste Deutsche Olympia-Gold in der Rhythmischen Sportgymnastik. Nun geht sie als fünffache Titelverteidigerin in die WM. Es hat sich einiges verändert.

Die Gymnastik-Königin lächelt glücklich. Wieder einmal hat Darja Varfolomeev alle fünf Titel abgeräumt. „Ich glaube, das war der stärkste Wettkampf in der Saison“, sagt die 18-Jährige bei den deutschen Meisterschaften in Dresden. Schon 2023 ist ihr dieses Kunststück gelungen – und anschließend auch bei den Weltmeisterschaften in Valencia. 

Nun tritt Deutschlands erste Olympiasiegerin in der Rhythmischen Sportgymnastik bei der WM von Mittwoch bis Sonntag in Rio de Janeiro als fünffache Titelverteidigerin an und hat die Hoffnung auf eine Wiederholung geweckt. „Ich kann nicht sagen, dass ich bei der WM den gleichen Erfolg zeigen werde. Aber ich gebe mein Bestes“, verspricht Deutschlands Sportlerin des Jahres.

Die Bürde der Erfolgsserie ist Varfolomeev auf der Turnfläche nicht anzusehen. Anmutig und elegant katapultiert sie den Ball hoch bis nahe an die Hallendecke, um ihn nach einigen turnerischen Elementen scheinbar spielerisch wieder aufzufangen. Nicht weniger überzeugend präsentiert der Gymnastik-Star vom TSV Schmiden seine Darbietungen mit Reifen, Keulen und Band. „Druck ist immer dabei. Damit muss man umgehen“, sagt sie scheinbar lakonisch.

Schwieriges Jahr seit dem Olympiasieg

Als sie in Dresden Anfang August mit ihren fünf Goldmedaillen lächelnd vor dem goldfarbenen Funkenregen posiert, hat Darja Varfolomeev ereignisreiche zwölf Monate hinter sich. „Ich kann sagen, dass das ganze Jahr schon schwierig ist“, gibt sie zu. Seit dem Triumph bei den Olympischen Spielen in Paris hat sich einiges verändert. Die Wahl zur Sportlerin des Jahres hat zusätzliches öffentliches Interesse an ihr als Gesicht der deutschen Rhythmischen Sportgymnastik geschürt.

„Ich dachte, nach Olympia würde es ruhiger sein. Das ist auf jeden Fall nicht passiert“, sagt sie. Geblieben sind ihr Ehrgeiz, ihre Leidenschaft und der Wille, bei sich selbst zu bleiben. „Es hat sich schon viel geändert. Aber ich bin immer noch Darja. Ich kämpfe immer noch und hoffe, dass ich mein Bestes zeigen kann“, betont sie.

Inzwischen ist sie volljährig und hat die Schule abgeschlossen. „Die Schule ist jetzt zum Glück vorbei. Nach den Europameisterschaften habe ich noch die letzten Prüfungen geschrieben. Jetzt kann ich mich voll auf den Sport konzentrieren“, berichtet sie. Die EM im estnischen Tallinn Anfang Juni ist wie die Weltcups nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nach Rio gewesen, bei der sie aber immerhin Gold mit dem Band und Bronze im Mehrkampf gewann. „Die ganzen Wettkämpfe bisher waren die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften“, sagt Varfolomeev. 

Sportlich neue Herausforderungen

Auch auf sportlichem Terrain ist sie im aktuellen Olympia-Zyklus mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Der Weltverband Fig hat die Wertungsrichtlinien verändert. Es werden weniger Elemente und Schwierigkeiten gezählt. Dadurch fallen die Noten niedriger aus. In Paris hatte Varfolomeev den Mehrkampf mit fast 143 Punkten gewonnen, bei den nationalen Titelkämpfen gab es nicht ganz 121 Zähler. „120 punkte zu turnen, ist schon sehr, sehr gut. Das schaffen nur ganz, ganz wenige“, urteilt die deutsche Teamleiterin Isabell Sawade.

Auch deswegen hat Sawade Varfolomeevs Auftritt in Dresden imponiert. „Wir haben absolute Weltklasseleistungen gesehen“, sagt sie und schließt dabei auch Anastasia Simakova (Schmiden) als zweite deutsche WM-Starterin mit ein. Die 20-Jährige hat die Olympia-Vierte Margarita Kolosov (Potsdam) auf den Rang der Ersatz-Turnerin verdrängt und gibt ihr WM-Debüt. 

Wieder fünf WM-Titel?

An eine Wiederholung des Fünffach-Triumphes von Varfolomeev glaubt Sawade dennoch nicht ganz. Als „sehr gering“ beurteilt die Teamleiterin die Chance, dass die Ausnahme-Gymnastin auch im Olympia-Park von Rio fünfmal gewinnt. „Das ist ja auch in der Vergangenheit nicht so oft passiert, egal bei welchen Gymnastinnen. Ich gehe davon aus, dass es so nicht kommen wird“, erklärt sie. Vor Varfolomeev ist dies zuletzt der Russin Jewgenija Kanajewa 2009 und 2011 gelungen.

Für unmöglich hält sie es wiederum nicht, denn Varfolomeev habe es in der eigenen Hand. „Sie hat ein wahnsinnig schwieriges Programm. Grundsätzlich, wenn sie alles durchturnen kann, dann muss es erstmal eine andere geben, die sie schlagen kann“, sagt Sawade.