Mit dem Langbogen besiegten die Briten die französischen Ritter. Die Verletzungen waren fürchterlich. Die Rotation der Pfeile führte zu besonders schweren Wunden.

Dass die Ritter durch die Erfindung der Feuerwaffen von den Schlachtfeldern vertrieben wurden, ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Im Vergleich zu den frühen tragbaren Feuerwaffen waren die weit älteren Bögen des Mittelalters weitaus gefährlicher. Sie verursachten Wunden, wie sie auch moderne Infanteriewaffen hervorrufen. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung von Archäologen der Universität Exeter.

Überraschender Fund

Dazu haben sie Skelette und Knochen ausgewertet, die bei einem Dominikanerkloster in Exeter ausgegraben wurden – ein Glücksfund. Denn zwar bezeugen Quellen den Einsatz von Bögen in den Kriegen des späten Mittelalters, doch Funde von verletzten Skeletten sind äußerst selten. Bei dem Kloster in Exeter wurden nun 22 Knochen beziehungsweise Knochenfragmente gefunden, die Spuren von Pfeilwunden aufweisen. Radiokarbontests deuten darauf hin, dass die Überreste aus der Zeit zwischen 1482 und 1645 n. Chr. stammen. Diese Datierung ermöglichte es, die Funde mit den letzten Phasen mittelalterlicher Kriege und den frühen neuzeitlichen Konflikten in England, wie dem Bürgerkrieg, in Verbindung zu bringen.Dieser Pfeil durchschlug den Schädel.
© University of Exeter

Das Team fand einen Schädel, bei dem ein Pfeil durch das rechte Auge gedrungen und am Hinterkopf wieder ausgetreten war. Die tödliche Waffe besaß eine Besonderheit: Der Pfeil war befiedert, sodass er während des Fluges im Uhrzeigersinn rotierte. Diese Rotation stabilisierte die Flugbahn, da sie kleine Ungenauigkeiten in der Massenverteilung des Pfeils ausglich. Beim Eintritt in den Körper führte dieser Drall zu besonders schweren Verletzungen, insbesondere wenn eine abgeflachte Spitze verwendet wurde. Solche sogenannten „Bodkin“-Spitzen waren speziell dafür entwickelt, Rüstungen zu durchdringen, während breite Jagdspitzen größere Wunden rissen. Die Wissenschaftler konnten nur die Ein- und Austrittswunden untersuchen, doch das zerfallene Weichgewebe wurde ebenfalls durch einen breiten Kanal aufgerissen.
„Pfeiltraumata sind schwer zu identifizieren, aber unsere Zusammenstellung zeigt, dass von Langbögen abgefeuerte Pfeile Eintritts- und Austrittswunden im Schädel verursachen können, die mit modernen Schusswunden vergleichbar sind“, schreiben die Autoren. „Diese Ergebnisse haben tiefgreifende Auswirkungen auf unser Verständnis der Kraft des mittelalterlichen Langbogens.“

Langbogen war eine kriegsentscheidende Waffe

Beim englischen Langbogen handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Jagdbogen oder einen leichten Bogen, wie ihn Reitervölker verwendeten. Der englische Langbogen war etwa 1,8 Meter lang und eine gewaltige Waffe. Seine immense Durchschlagskraft und Reichweite machten ihn zu einer der ersten Waffen, die den Vorteil schwerer Rüstungen neutralisierte und die Kriegsführung nachhaltig veränderte. Lebenslanges Training war notwendig, um ihn spannen zu können. Im Gegensatz zur Armbrust, die zwar präzise, aber langsamer war, ermöglichte der Langbogen eine hohe Schussfrequenz, was ihn in Massenschlachten überlegen machte. Die Anstrengung führte zu spezifischen Veränderungen und Abnutzungen, die bei den Skeletten von Schützen nachweisbar sind. Diese Pfeile durchschlugen auf 200 Meter Kettenhemden und leichtere Panzer. Je nach verwendetem Pfeil konnten sie sogar über 300 Meter weit fliegen. Doch anders als Robin-Hood-Filme suggerieren, wurden keine gezielten Einzelschüsse abgegeben.
Der Militärhistoriker Andrew Ambert sagte in der Smithsonian-Reihe „World of Weapons“: „Der Langbogen ist kein Präzisionsinstrument. Er ist nicht dafür gemacht, einen einzelnen Mann auf große Entfernung zu treffen. Er wurde geschaffen, um eine Formation von Männern und Pferden zu bekämpfen, die sich auf die Schützen zubewegt. Sie feuern Salven auf die Masse der Feinde ab. Das ist eine Art Massenfeuer, das ziemlich modern wirkt.“

Gewaltige Salven

Im Hundertjährigen Krieg gelang es den englischen Fußsoldaten mit dieser Waffe, die schwer gepanzerten französischen Ritter zu besiegen. Die Schützen traten stets in großen Gruppen auf und ließen in Salven einen Pfeilregen auf die feindlichen Formationen niedergehen. Das entsprach einem ununterbrochenen Pfeilhagel, der den Himmel verdunkelte und die feindlichen Reihen in Chaos stürzte. Ob und wo am Körper die Pfeile trafen, war Zufall. Aufgrund der gedrängten Schlachtreihen fanden sie jedoch stets ihre Opfer, auch wegen der hohen Schussfrequenz. In der Schlacht von Crécy 1346 – der ersten großen Schlacht dieses Krieges – sollen die englischen Bogenschützen 35.000 Pfeile in einer Minute abgefeuert haben. So brachen sie den Angriffsschwung der Franzosen und konnten trotz ihrer Unterzahl von nur 14.000 gegen 30.000 Franzosen die Schlacht für sich entscheiden. Nur schwere und teure Panzerplatten verhinderten einen Durchschuss der Pfeile.

Das adelige Ritterwesen verachtete Fernwaffen, weil sie den gepanzerten Ritter obsolet machten. Für Ritter galt der Nahkampf als ehrenvoll, während Fernwaffen als unehrenhaft angesehen wurden, da sie keine direkte Konfrontation erforderten. Dadurch war der Wirkungsradius der schwer gerüsteten Kämpfer auf kaum mehr als zwei Meter beschränkt. Es war aussichtslos, in schwerer Rüstung 200 oder gar 300 Meter über das Schlachtfeld zu stapfen und zu hoffen, den Feind lebend zu erreichen.