Von Computer-Hackern, die die Sicherheit gefährden, hat wohl jeder schon gehört. Die hybride Bedrohung ist jedoch noch größer. IHK und Verfassungsschutz im Saarland wollen dafür sensibilisieren.

Es ist ein Thema, über das viele Unternehmen im Saarland öffentlich nicht sprechen wollen: hybride Bedrohungen – also Gefährdungen durch Spionage, Sabotage oder Cyberangriffe. „Darüber dürfen wir nicht reden“, sagen die Einen, „betrifft uns nicht“, sagen die Anderen. Genau an diesem Punkt setzt die Saarländische Industrie- und Handelskammer (IHK) nun an: „Das Thema Sicherheit ist aktueller und relevanter denn je. Aber in der Breite der Wirtschaft ist es noch nicht so angekommen. Das wollen wir ändern“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Frank Thomé der Deutschen Presse-Agentur. 

Bei einem „Saarländischen Sicherheitsdialog“ will die IHK langfristig eine Plattform „zur Information, zum gegenseitigen Austausch und im nächsten Schritt auch zur Kooperation“ schaffen. Ziel sei es dabei auch, „ein gemeinsames Bewusstsein für die veränderte Bedrohungslage zu schaffen, um uns effektiv aufzustellen gegenüber den zahlreichen Herausforderungen, die wir heute haben.“

Bewusstsein noch nicht groß genug

Und der Bedarf dafür ist groß, meint auch der stellvertretende Leiter des Saarländischen Verfassungsschutzes, Harald Schnur: „Das Bewusstsein für die Gefahr muss noch geweckt werden. Die reflexartige Antwort ist oft: Wer interessiert sich denn schon für uns?!?“ Vor allem viele kleine und mittlere Unternehmen dächten, das Thema sei für sie nicht relevant, weil sie „nicht die großen Player“ seien und sie keine große Rolle spielten. „Aber so ist es nicht. Auch im kleinen Saarland gibt es ein großes Interesse von außen.“

Davon ist auch Oberst Uwe Staab, Kommandeur des Landeskommandos Saarland, überzeugt: „Viele Unternehmen verdrängen sicherlich die Kriegsgefahr. Aber die hybride Bedrohung ist allgegenwärtig. Deshalb ist es wichtig, sie dafür zu sensibilisieren.“ Denn seiner Ansicht nach gehe es mehr denn je um eine gesamtgesellschaftliche Resilienz – „und die Wirtschaft hat einen entscheidenden Anteil daran.“

Mehr Aufwand durch wachsende Bedrohung

Eines der wenigen Unternehmen, die sich schon seit langem mit dem Thema beschäftigen und auch darüber sprechen, ist die iMAR Navigation mit ihren rund 110 Mitarbeitenden in St. Ingbert: ein führender Anbieter auf dem Gebiet inertialer Mess-, Automatisierungs- und Regelsystemr (iMAR) für die Bereiche Luftfahrt, Schifffahrt, Automobil, Verteidigung, Industrie und Forschung. „Die Themen Geheimschutz und Cyber-Sicherheit spielen für uns in der Tat schon sehr lange eine bedeutende Rolle, nicht nur in der Theorie, sondern ganz praktisch“, sagt Geschäftsführer Edgar von Hinüber. 

Bereits seit fast 20 Jahren nutze sein Unternehmen die Informationen und Dienste der Geheimschutzbetreuung des Bundes. Und in die Schutzmechanismen der IT-Infrastruktur investiere man seit vielen Jahren „nicht unerhebliche Aufwände“ bezüglich Technik, Technologie und Manpower. „Dieser Aufwand ist in den letzten Jahren mit steigender Bedrohungslage ständig gestiegen“, so der Geschäftsführer. „Aber wir sehen uns hier gut aufgestellt.“ Zudem helfen entsprechende Lieferantenaudits, eine mögliche Bedrohungslage bei den Zulieferern zu erkennen, zu bewerten und entsprechend zu handeln. 

Genauer Blick auf Lebensläufe und Motivation

Und auch bei der eigenen Personalauswahl, speziell bei einigen Interessenten aus dem Ausland, ist der Unternehmer besonders sensibel geworden: Lebensläufe, der persönliche Background und die Motivation der Bewerber werden sorgfältig geprüft. „Da haben wir in der Vergangenheit schon sehr interessante Erkenntnisse sammeln müssen“, so Hinüber. Unterm Strich habe man aus solchen Gründen bereits „eine deutliche Anzahl“ an Bewerbern abgelehnt.

„Viele kleine und mittlere Unternehmen sind sich gar nicht darüber bewusst, wo die Probleme liegen“, glaubt der Geschäftsführer. In seinem Betrieb hingegen gehe man schon jetzt sehr sorgfältig mit jeglichen Informationen und Daten um: „Man muss lernen, sensibel zu sein. Wenn ich einen Werkstudenten einstelle, dann gebe ich ihm sicherlich keinen Schlüssel fürs Labor, damit er auch abends alleine in Ruhe weiterarbeiten kann.“ Selbstverständlich sei auch, dass nicht alle Mitarbeiter Zugriff auf alle Systeme haben.

Anbahnungsversuche denkbar

Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes sind solche Vorkehrungen genau der richtige Weg. „Berücksichtigen Sie Sicherheitsaspekte schon bei der Personalwahl“, bestätigt Harald Schnur. Beschäftige sollten zudem regelmäßig im Hinblick auf mögliche Anbahnungsversuche geschult werden. Und ein weiterer Tipp: „Sorgen Sie für ein angenehmes Arbeitsklima und schaffen Sie eine positive Fehlerkultur. Und etablieren Sie Meldewege und Prozesse für den Umgang mit Verdachtsfällen“, appelliert der Experte. Bei Fragen und speziell besonders natürlich bei akuten Bedrohungen könnten sich Ratsuchende auch vertraulich an den Saarländischen Verfassungsschutz ([email protected] oder unter 0049 681 / 3038-183/ -185/ -172) wenden.

Doch nicht nur Unternehmen müssten seiner Ansicht nach Vorkehrungen vor Spionage, Sabotage und Cyberangriffe treffen, sondern auch Verwaltungen, Städte und Gemeinden und Regionalverbände. „Bis die alle sensibel werden, das ist ein sehr langer Weg“, meint Schnur. 

Doch Oberst Uwe Staab stellt bei Gesprächen rund um Themen wie Sicherheit, Bedrohung oder Verteidigungsfall auch Fortschritte fest. „Im Saarland finde ich offene Türen auf allen Ebenen“, sagt er. „Natürlich weiß ich, wenn ich mit einem Landrat spreche, dass er sich nicht täglich mit dem Operationsplan Deutschland befasst. Aber allein schon, dass er mit mir reden will und sich interessiert zeigt, dass er seinen Katastrophenschutzstab schickt, damit wir zusammenarbeiten, zeigt, dass die Botschaften angekommen sind.“

IHK erstellt Checklisten für Unternehmen

Genau diese Zusammenarbeit will auch die IHK weiter ausbauen. Nach einer ersten Auftaktveranstaltung, die den Grundstein zu einem „Saarländischen Sicherheitsdialog“ geschaffen hat, wolle man in Kürze beginnen, Praxisleitfäden zu erstellen, sprich Checklisten zu Themen wie Notfallvorsorge, Cybersicherheit oder auch Reservistenmanagement. Außerdem bereite man ein regelmäßiges Dialogformat unter dem Motto „Wirtschaft trifft Bundeswehr“ vor, „um Vertrauen zu schaffen, sich kennenzulernen, aber auch Kooperationspotenziale gemeinsam auszuloten“, so Frank Thomé. 

Seiner Ansicht nach sei die Verteidigungsfähigkeit keine rein militärische Aufgabe, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die nur im Schulterschluss funktioniere. „Das erfordert eine ganz enge Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Akteuren, zwischen der Bundeswehr, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft.“ 

Eines steht für den IHK-Hauptgeschäftsführer dabei außer Frage, ganz gleich, ob Cyberangriffe, Wirtschaftsspionage oder Sabotageakte: „Solche Bedrohungen sind nicht weit weg von uns, sondern die begegnen auch uns hier im Saarland Tag für Tag.“ Deshalb sei jedes einzelne Unternehmen „aufgerufen und gefordert, individuelle Krisen-Vorsorge zu betreiben“.

Bundesamt für Verfassungsschutz: Spionage, Cyberangriffe und Co. Bundeswehr: Operationsplan Deutschland Saarländischer Verfassungsschutz