Schuldenlast, Anfeindungen und familienfeindliche Arbeitszeiten – nur wenige Menschen wollen sich in der Kommunalpolitik engagieren. Das Image muss aufpoliert werden, meint ein Politologe.

Kommunalpolitik braucht nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Stefan Marschall eine stärkere öffentliche Wertschätzung, um mehr Menschen für das politische Engagement vor Ort zu gewinnen. Die kommunalpolitische Struktur müsse verbessert werden, sagte der Politik-Professor an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität der Deutschen Presse-Agentur. Dazu gehört auch die Frage des Umgangs mit der Milliarden-Schuldenlast der Kommunen. „Welche Spielräume schafft man für die Kommunen, damit es auch deutlich wird, dass man auf kommunaler Ebene etwas gestalten kann und nicht nur verwalten muss?“

In Nordrhein-Westfalen werden am 14. September Stadt- und Gemeinderäte, Kreistage, Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte gewählt. Es ist die letzte große Wahl in Deutschland in diesem Jahr. 

Erste Rückmeldung für neue Bundesregierung

Die Kommunalwahlen im bevölkerungsstärksten Bundesland könnten teilweise als „als eine erste Bilanz oder eine erste Rückmeldung“ zur Performance der neuen schwarz-roten Bundesregierung gelesen werden, sagte Marschall. „Man wird sie tatsächlich erst mal als Stimmungstest generell wahrnehmen wollen.“ 

Während in größeren Städten eher die bekannten Parteien eine Rolle spielten, seien in kleineren Gemeinden Personen wichtiger, sagte Marschall. „Je größer die Kommune ist, desto stärker wird dort auch parteipolitisch gewählt.“ Atmosphärische Stimmungen der Bundesebene könnten durchaus ausstrahlen auf die Wahlentscheidungen auf kommunaler Ebene. 

Kommunalpolitiker als Mangelverwalter

Der Gestaltungsspielraum der Kommunalpolitik sei angesichts der hohen Verschuldung vieler Städte und Gemeinden relativ klein geworden, sagte Marschall. „Letzten Endes schränkt das die Spielräume der Kommunen extrem ein, so dass Kommunalpolitiker oft nur Mangelverwalter sind.“ Es gebe aber durchaus Gestaltungsmöglichkeiten – etwa in Kultur und Sport. „Kommunen können noch etwas machen, es ist nicht so, dass sie alle insolvent wären“, sagt Marschall. 

Viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker berichteten allerdings von Anfeindungen, Hass und Übergriffen. Einerseits sei es wegen der finanziellen Grenzen schwierig geworden, die politischen Aufgaben zu erfüllen. „Zum anderen ist die Dankbarkeit begrenzt, wenn man in diesem Bereich unterwegs ist. Tatsächlich muss man doch eher mit Gewalt und mit Hass und Hetze leben.“ 

Frauen wollen gefragt werden 

Das schrecke vor allem Frauen ab, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Abgesehen davon sei Kommunalpolitik oft nicht mit Familie zu vereinbaren. Das alles führe dazu, dass es zunehmend schwierig werde, Menschen zu finden, die bereit seien, sich ehrenamtlich kommunalpolitisch einzubringen.

Aus der Forschung sei zudem bekannt, dass Frauen für kommunalpolitisches Engagement viel stärker mobilisiert werden müssten und „gefragt werden wollen“, sagte Marschall. Die Parteien müssten offener werden und Strukturen schaffen, auch Frauen zu mobilisieren. Auch Bürgerräte vor Ort seien eine Möglichkeit, die Menschen in die kommunale Politik einzubinden.