Für die deutschen Sprinter bot die 17. Etappe die wohl letzte echte Siegchance. Im Regen von Valence stoppt ein Sturz kurz vor dem Ziel viele Radprofis. Phil Bauhaus hat Glück im Unglück.
Phil Bauhaus war der Schrecken deutlich anzusehen. „Ich war der letzte Fahrer, der noch durchgekommen ist“, sagte der deutsche Sprinter nach der chaotischen Massenankunft, bei der er im strömenden Regen von Valence nur hauchdünn einem Sturz entging.
Die Siegchancen des 31 Jahre alten Bauhaus waren auf der 17. Etappe der Tour de France trotzdem dahin. „Der Sturz war vor mir links, ich hatte Glück, dass die Räder nach links gerutscht sind. Es war sehr, sehr rutschig“, beschrieb Bauhaus in der ARD.
In dem rasanten Finale auf regennasser Fahrbahn kam es rund 1000 Meter vor dem Zielstrich zu einem Massensturz, der das Feld in zwei Gruppen teilte und viele Sieganwärter um ihre Chancen brachte. Den Tageserfolg sicherte sich der Italiener Jonathan Milan vor Jordi Meeus und Tobias Lund Andresen. Es war Milans zweiter Etappensieg bei dieser Frankreich-Rundfahrt.
Milan: „Habe Sturz gar nicht mitbekommen“
„Ich habe gar nicht mitbekommen, dass es einen Sturz gab“, gestand der Träger des Grünen Trikots, der seinen Vorsprung in der Punktewertung vor den anstehenden Alpen-Etappen ausbauen konnte. In den Zwischenfall unmittelbar vor dem Endspurt waren auch Milans großer Konkurrent Tim Merlier und der Sieger der Punktewertung des vergangenen Jahres, Biniam Girmay, verwickelt.
So sind die deutschen Sprinter um Bauhaus und Pascal Ackermann auch im Regen von Valence leer ausgegangen. Als bester Deutscher kam Bauhaus nach 160,4 Kilometern nur auf den zwölften Platz in der Stadt an der Rhone.
Kaum noch Chancen für die Sprinter
Für die schnellen Radprofis könnte es angesichts der Montmartre-Überquerungen beim Finale am Sonntag in Paris schon die letzte Chance auf einen Tageserfolg gewesen sein. Ab Donnerstag stehen erst einmal die von ihnen ungeliebten Kletter-Etappen in den Alpen auf dem Programm.
Die Bilanz der deutschen Sprinter fällt nach 17 Etappen bei dieser Frankreich-Rundfahrt bisher sehr bescheiden aus. Der dritte Platz von Bauhaus auf der dritten Etappe war noch das beste Resultat. Beim Massensprint in Dünkirchen war er nicht an den Top-Sprintern Merlier und Milan vorbeigekommen.
Ackermann sprintete fünf Tage später in Laval als Vierter über die Ziellinie. Der letzte deutsche Profi, der bei der Tour einen Massensprint gewinnen konnte, war Marcel Kittel im Jahr 2017. Den letzten deutschen Etappensieg bis dato feierte im Jahr 2021 Nils Politt.
„Lipo, Lipo“-Sprechchöre vor dem Start
Bei Senkrechtstarter Florian Lipowitz sieht die Gefühlslage ganz anders aus. Bereits vor dem Etappenstart in Bollène feierten die Fans Deutschlands Radsport-Hoffnung mit „Lipo, Lipo“-Sprechchören. Der 24-Jährige schrieb im Weißen Trikot für den besten Jungprofi fleißig Autogramme und machte mit den Zuschauern Selfies.
Am Tag nach der harten Etappe hinauf zum legendären Tour-Berg Mont Ventoux kam Lipowitz in Valence zusammen mit Tour-Dominator Tadej Pogacar und dessen Dauerrivalen Jonas Vingegaard im Hauptfeld ins Ziel. Der ehemalige Biathlet verteidigte damit souverän seinen dritten Platz im Gesamtklassement und das begehrte Outfit. Das Trio schonte die Kräfte für die anstehenden harten Kletterpartien in den Alpen.
Im Gesamtklassement liegt Lipowitz weiter 9:03 Minuten hinter Pogacar im Gelben Trikot und Vingegaard (4:48 Minuten). Auf den viertplatzierten Briten Oscar Onley hat Lipowitz einen Vorsprung von 2:01 Minuten. Der Schwabe darf sich bei seiner ersten Frankreich-Rundfahrt weiter berechtigte Hoffnungen auf das Podium in Paris machen. Er wäre seit 2006 der erste deutsche Radprofi, der auf dem Tour-Podest stehen würde. Damals belegte Andreas Klöden den zweiten Platz.
Nach Zusammenbruch: Norweger wieder am Start
Glücklich war auch Tobias Halland Johannessen. Der Norweger stand nach seinem Kollaps auf dem Mont Ventoux wieder für das sein Team Uno-X Mobility an der Startlinie in Valence. Der 25-Jährige wurde am Vortag im Ziel nach dem Zusammenbruch von den Rennärzten mit Sauerstoff behandelt und zu weiteren Untersuchungen in ein Krankenhaus gebracht. Am Abend gab sein Team Entwarnung. In der Gesamtwertung liegt der Norweger auf dem achten Platz.
Am Donnerstag fiebern die Fans bei der Königsetappe auf ein erneutes Duell zwischen Titelverteidiger Pogacar und seinem Dauerrivalen Vingegaard hin. 2023 hatte der Däne dem dreimaligen Tour-Sieger aus Slowenien am Col de la Loze auf 2.304 Meter Höhe eine krachende Niederlage zugefügt. Für den Rest des Fahrerfeldes wird die wohl anspruchsvollste Etappe in den Alpen ein Tag der Qualen.
Ab dem Start in Vif geht es über 171,5 Kilometer und 5.450 Höhenmeter zum Ski-Ort Courchevel. Der gut 26 Kilometer lange finale Anstieg zum Col de la Loze fordert die Profis mit einer durchschnittlichen Steigung von 6,5 Prozent heraus. Insgesamt warten inklusive der Bergankunft drei Anstiege der höchsten Kategorie.