Die Geburt der Morlok-Vierlinge löste 1930 einen Medienrummel aus. Später erlangten die Schwestern ein zweites Mal Bekanntheit – diesmal auf traurige Art und Weise.

In Deutschland kommen Vierlingsgeburten statistisch gesehen nur einmal im Jahr vor. Die Wahrscheinlichkeit, auf natürliche Weise eineiige Vierlinge zu bekommen, liegt bei eins zu 13 Millionen. Doch das war nicht der einzige Grund, warum Edna, Wilma, Helen und Sarah Morlok in den 1930er Jahren so große Aufmerksamkeit in den USA erregten.

Im Jahr 1930 waren Vierlingsgeburten nämlich nicht nur selten, sondern auch gefährlich. Die Überlebenswahrscheinlichkeiten für Mutter und Neugeborene waren gering. Dass die in Lansing (US-Bundesstaat Michigan) geborenen vier Mädchen allesamt überlebten, galt deshalb als medizinische Sensation.

Jetzt ist mit Sarah Morlok Cotton die letzte der vier Schwestern gestorben. Sie starb im Alter von 95 Jahren in einem Pflegeheim. Sie und ihre drei Schwestern wurden schon als Kinder in die Öffentlichkeit gezerrt, von ihren Eltern misshandelt. Sie wurden berühmt – und erkrankten später schwer.

Morlok-Vierlinge sorgten in den USA für Begeisterung

Schon kurz nach ihrer Geburt begann ein riesiger Medienrummel. Die lokale Zeitung veranstaltete sogar einen Wettbewerb, um Namen für die Kinder zu finden – zunächst hießen sie nur A, B, C und D, in der Reihenfolge ihrer Geburt. Die Namen Edna, Wilma, Helen und Sarah machten schließlich das Rennen, weil sie den Anfangsbuchstaben des Edward W. Sparrow Hospital, in dem die Mädchen geboren wurden, entsprachen.

Die Eltern wurden von dem Interesse regelrecht überrollt, doch die Familie fand schnell einen Weg, daraus Profit zu schlagen. Vater Carl Morlok, ein gelernter Fabrikarbeiter, war wie so viele damals arbeitslos, es fehlte an Geld. Und da ohnehin viele Menschen ungeniert das Haus der Morloks besuchten, um einen Blick auf die Vierlinge zu erhaschen, nahm die Familie 25 Cent Eintritt.

Misshandlungen durch den Vater

Die Mutter brachte den Kleinen bei, zu singen und zu tanzen, und machte aus ihnen kleine Künstlerinnen. Mit sechs Jahren standen vier Schwestern zum ersten Mal auf der Bühne. Sie reisten durch verschiedene Bundesstaaten und wurden zu kleinen Berühmtheiten. Während der Großen Depression war jede Ablenkung willkommen.

Zu Hause herrschte ein striktes Regiment. Ihr Vater sei ein Tyrann gewesen, berichtete Sarah Morlok Cotton in ihrer Autobiografie. Er stellte 20 Regeln auf, an die sich die Schwestern halten mussten. Besuche von Freundinnen oder Freunden waren nicht erlaubt, auch die Mädchen selbst durften das Haus kaum für Freizeitaktivitäten verlassen. In einem Buch über sie und ihre Schwestern berichtete Sarah Morlok Cotton außerdem, ihr Vater habe sie misshandelt und als Teenager auch sexuell missbraucht.

Schwere psychische Erkrankungen

Im Erwachsenenalter wendete sich die Berühmtheit der Morlok-Vierlinge endgültig ins Tragische. Alle vier litten unter schweren psychischen Problemen. In ihren Zwanzigern wurde bei ihnen Schizophrenie diagnostiziert. So erlangten die Vierlinge zum zweiten Mal Bekanntheit – diesmal in der Wissenschaft und unter anderem Namen.

Um die Identität der Familie zu schützen, wurde sie zu Forschungszwecken in Genain umbenannt, die Schwestern hießen in der Literatur Nora, Iris, Myra and Hester. Wissenschaftler untersuchten die genetischen Voraussetzungen der Erkrankung und kamen zu dem Schluss, es liege „ein unglückliches Zusammenspiel von Natur und Erziehung“ vor. Die Misshandlungen durch den Vater hätten daran ebenso ihren Anteil gehabt wie die Gene der Großmutter väterlicherseits, die ebenfalls an Schizophrenie litt.

Sarah Morlok Cotton war die einzige der vier Schwestern, die in der Lage war, ein selbstständiges Leben zu führen. Sie heiratete, bekam zwei Kinder, arbeitete als Sekretärin. Ihre Schwestern Wilma und Helen starben bereits 2002 und 2003, Edna starb im Jahr 2015.

Quellen: „New York Times“, „Lansing State Journal“, „Washington Post“