Bei der Krankenhausreform demonstriert die neue Gesundheitsministerin den Schulterschluss mit den Ländern. Wird die Reform so noch helfen? Die Zweifel sind groß.

Es sei jetzt einiges anders als mit Karl Lauterbach als Bundesgesundheitsminister, sagt Karl-Josef Laumann, Landesminister in Nordrhein-Westfalen. Im Vergleich zu früheren Beratungen zur Krankenhausreform sei man bei diesem Treffen mit der neuen Ministerin Nina Warken früher als geplant fertig gewesen, so ihr CDU-Parteikollege. 

„Der zweite Punkt: Man musste kein Salz und Pfeffer mehr mitbringen“, das sei auch ganz praktisch, sagt Laumann und sorgt damit für einige Lacher. Der SPD-Mann Lauterbach macht seit vielen Jahren eine salzfreie Diät.

Die Stimmung ist locker und gelöst am Donnerstagnachmittag im Bundesgesundheitsministerium, als Vertreter von Bund und Ländern nach ihren Beratungen zur Zukunft der Kliniken vor die Presse treten – auch das ist ein eher ungewohntes Bild. Vorgänger Lauterbach fuhr an vielen Stellen einen harten Konfrontationskurs mit den Bundesländern. In der Überzeugung, dass die große Klinikreform, sein Vermächtnis, nur dann wirken werde, wenn die Bundesländer darin nicht zu viel herumpfuschten.

Krankenhausreform soll Zahl der Kliniken reduzieren

Schließlich soll die Reform erreichen, dass Behandlungen besser werden, weil nur noch bestimmte Häuser, die klare Voraussetzungen erfüllen, bestimmte Operationen durchführen dürfen. Am Ende soll das auch die hohe Zahl an Kliniken reduzieren. Deutschland gibt im europäischen Vergleich verhältnismäßig viel Geld für seinen Gesundheitssektor aus, erzielt dabei aber nur mittelmäßige Ergebnisse. Der größte Kostenblock der Krankenkassen fließt in die Kliniken.

Die Ministerpräsidenten und Landräte vor Ort haben naturgemäß ein Interesse daran, Klinikschließungen zu verhindern. Gerade im ländlichen Raum sind die Sorgen der Bevölkerung groß, wenn das nächstgelegene Krankenhaus dichtmachen muss. 

Die neue Gesundheitsministerin Nina Warken geht nun die Reform der Reform an – und will dabei die Bedenken der Länder stärker berücksichtigen. Sie wolle Lauterbachs Gesetz, das im vergangenen Herbst, kurz vor dem Aus der Ampelregierung, noch beschlossen wurde, „alltagstauglich“ machen, sagt die 46-Jährige. 

Man wolle nicht, dass ein Krankenhaus, das für die Versorgung notwendig sei, vom Netz gehen müsse, weil zu Beginn gewisse Standards nicht eingehalten werden könnten, erklärt die Ministerin, die vor ihrer Amtszeit Generalsekretärin der baden-württembergischen CDU war, und damit die Länderperspektive gut kennt. Auch im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf verständigt, die Krankenhausreform „fortzuentwickeln“.

Die Krankenhäuser sollen jetzt nicht nur mehr Geld bekommen, vier Milliarden Euro zusätzlich aus dem Infrastruktur-Sondervermögen, das die Regierung eingerichtet hat, die Ministerin will den Ländern auch mehr Ausnahmen von den strengen Vorgaben der Lauterbach-Reform ermöglichen. Von „mehr Gestaltungsspielraum“ ist in einem Informationspapier des Ministeriums die Rede. Die Reform werde „verbessert“, betont die Ministerin immer wieder, „aber nicht verwässert“.

Opposition fürchtet Ende einer „ernsthaften“ Reform

Genau das aber ist die Sorge in der Opposition nach dem Bund-Länder-Treffen. „Wer heute Strukturvorgaben aufweicht, verabschiedet sich von jeder ernsthaften Krankenhausreform“, sagt Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, dem stern. „Wenn Ministerin Warken den Ländern nun reihenweise Ausnahmen in Aussicht stellt, ist das keine Rücksicht auf ländliche Räume – sondern ein Geschenk an die Kliniklobby.“

Statt die Ausgaben unter Kontrolle zu bringen, wolle die Regierung offenbar lieber bei der Qualität sparen, zulasten der Versicherten und Patienten, kritisiert Dahmen. „Nicht nur für rund 500.000 Krebspatientinnen und -patienten wäre eine solche Politik potenziell tödlich“, fügt er an. „Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass dort, wo Krankenhaus drauf steht, auch das richtige Krankenhaus drin ist.“

Auch die Krankenkassen hören besorgt auf die neuen Töne aus dem Ministerium. „Patientinnen und Patienten müssen sich künftig darauf verlassen können, dass sie in jedem Krankenhaus eine wirklich gute Versorgung mit zuverlässigen Qualitätsmindeststandards vorfinden“, sagt Stefanie Stoff-Ahnis vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen dem stern

Krankenkassen sorgen sich um Qualitätsstandards

Nach dem Gipfel aber verstärke sich „die Sorge, dass sich die Regionalinteressen der einzelnen Bundesländer durchsetzen und die bundeseinheitlichen Qualitätsstandards auf der Strecke bleiben“, so die stellvertretende Vorstandsvorsitzende. „Das wäre schlecht für die Patientinnen und Patienten.“

Trotz dieser Kritik gibt sich Ministerin Nina Warken entschlossen, die Wünsche der Länder „soweit es möglich“ sei, zu berücksichtigen. Im Moment arbeitet ihr Haus an einem Referentenentwurf. Die Wahrscheinlichkeit sei „sehr, sehr groß“, sagt der nordrhein-westfälische CDU-Mann Laumann, dass ein Entwurf auf dem Tisch liegen werde, der von den Ländern mitgetragen werden könne. Die Vertreterin der SPD-Seite, die Hamburger Senatorin Melanie Schlotzhauer, äußert sich ähnlich.

Auf die Frage, ob sie Vertrauen hätten, dass der Prozess in ihrem Sinne laufen werde, antworten beide mit einem knappen, dafür umso eindeutigeren: „Ja“. Bis Ende des Jahres soll das Gesetz beschlossen sein, so sieht es Warkens Zeitplan vor.