Niedersachsen zieht Bilanz im Brand- und Katastrophenschutz. Während das Land Erfolge meldet, fordern Landkreise und Hilfsorganisationen mehr Unterstützung – und warnen vor wachsenden Lücken.

Die Kinder- und Jugendfeuerwehren in Niedersachsen wachsen weiter. 442 Mädchen und Jungen kamen im vergangenen Jahr neu dazu, wie Innenministerin Daniela Behrens (SPD) bei der Vorstellung der Jahresbilanz für Brandschutz, Katastrophenschutz und Rettungsdienst mitteilte. Insgesamt engagieren sich damit 31.635 Kinder und Jugendliche in 1.920 Jugendfeuerwehren, 43 Gruppen wurden 2024 neu gegründet.

„Diese Mädchen und Jungen sichern die Zukunft des flächendeckenden Brandschutzes in Niedersachsen„, sagte Behrens. Der Zuwachs sei dem Engagement der Betreuerinnen und Betreuer zu verdanken. Jugendleiterinnen und Jugendleiter sollen künftig von ihren Arbeitgebern freigestellt werden können.

Nach Angaben des Ministeriums ist auch der Anteil der Frauen in den Einsatzabteilungen gestiegen. Gleichzeitig warnte Behrens vor zunehmenden Belastungen durch die Folgen des Klimawandels, eine alternde Bevölkerung sowie neue Bedrohungslagen. „Die Herausforderungen im Brand- und Katastrophenschutz verändern sich und nehmen zu“, sagte sie.

Ein Extremereignis war das Hochwasser zum Jahreswechsel 2023/2024, bei dem mehr als 55.000 Einsatzkräfte in Niedersachsen unter schwierigen Bedingungen im Einsatz waren. Als Zeichen der Anerkennung hat das Land die Hochwasser-Ehrennadel 2023 gestiftet und an die unteren Katastrophenschutzbehörden zur Aushändigung übergeben.

Millionen für Technik und Ausbildung

Um die Einsatzkräfte besser auszurüsten, wurden unter anderem 13 Löschgruppenfahrzeuge, vier Hochleistungsfördersysteme, vier Abrollbehälter für Vegetationsbrände sowie acht Führungszüge für die Katastrophenschutzbehörden beschafft oder in Auftrag gegeben. Ein zusätzliches Ad-hoc-Paket umfasst mobile Hochwasserschutzsysteme, Sandsackfüllmaschinen und Förderpumpen. Nach Angaben des Landes wurden dafür mehr als 15 Millionen Euro investiert oder zur Beschaffung eingeplant.

Für die Ausbildung von Leitstellenpersonal wurde in Celle eine neue Lehrleitstelle mit einem Volumen von 9,2 Millionen Euro eröffnet. Dort sollen Einsatzszenarien unter realistischen Bedingungen geübt werden.

Auch finanzschwache Kommunen wurde demnach vom Land unterstützt: 33 besonders betroffene Städte, Gemeinden und Landkreise erhielten im vergangenen Jahr 22,8 Millionen Euro für Feuerwehrinfrastruktur. „Wir lassen die Kommunen mit diesen Kosten nicht allein“, sagte Behrens. Sie forderte zudem eine stärkere Finanzierung des Zivilschutzes durch den Bund.

Ein weiterer Schwerpunkt war den Angaben zufolge der Ausbau der Telenotfallmedizin. Seit Februar 2024 ist mit der Leitstelle Ems-Vechte ein zweiter rund um die Uhr betriebener Telenotarzt-Standort in Betrieb. Die Zusammenarbeit mit dem bereits bestehenden Standort Goslar werde nun erprobt.

DRK und Landkreise schlagen Alarm

Der Landesverband Niedersachsen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und der Niedersächsische Landkreistag (NLT) sehen dennoch erheblichen Nachholbedarf bei der Finanzierung. „Die finanzielle Lage unserer Katastrophenschutz-Einheiten ist dramatisch“, sagte DRK-Landesgeschäftsführer Ralf Selbach. Ausbildung, Fahrzeuge und Material würden größtenteils aus eigenen Mitteln getragen, während die laufenden Kosten seit Jahren stiegen – die Zuweisungen des Landes aber nicht.

„Das kann so nicht weitergehen“, warnte Selbach. Die Landkreise und die Region Hannover steckten schon heute deutlich mehr Geld in den Katastrophenschutz, als sie vom Land erstattet bekämen, erklärte NLT-Hauptgeschäftsführer Joachim Schwind. Für das Jahr 2025 seien es nicht einmal 70 Cent pro Einwohner, das reiche bei weitem nicht aus. Manche Landkreise hätten das Sechsfache errechnet.

Selbach und Schwind fordern, die konsumtiven Kosten der Katastrophenschutzeinheiten besser zu unterstützen und das Ad-hoc-Paket zur Stärkung des Katastrophenschutzes ab 2026 fortzusetzen. „Die Zeitenwende darf nicht nur im militärischen Bereich stattfinden“, erklärten sie. „Sie muss auch im Katastrophenschutz und beim Ehrenamt vor Ort ankommen.“