Sean „Diddy“ Combs lauscht zurückgelehnt und scheinbar entspannt dem Schlussplädoyer der Anklage. Sie fordert: „Es ist Zeit, den Angeklagten schuldig zu sprechen.“

Der Rapper Sean „Diddy“ Combs lehnt sich in seinem Stuhl zurück und senkt den Kopf. 

An den anderen Tagen seines Strafprozesses, der seit Anfang Mai in einem Bundesgericht in New York läuft, beugte er sich oftmals über Papiere und Aktenordner, die auf dem Verteidigertisch ausgebreitet waren, und studierte aufmerksam das Beweismaterial. Am Donnerstag aber schiebt der 55-Jährige den Stuhl vom Tisch weg, streckt die Beine aus und legt seine Hände in den Schoß. 

Es hat den Anschein, als höre Diddy ganz entspannt dem Schlussplädoyer zu, das die Staatsanwältin der Jury vorträgt. Dabei klopfen seine Finger allerdings nervös auf seinen Handrücken. Im Rhythmus eines Liedes vielleicht, das dem einstigen Musikweltstar durch den Kopf geht. 

Wenn die Staatsanwältin die Jury mit ihren Argumenten überzeugt und diese Diddy für schuldig erklärt, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe.

„Er ist der Anführer eines kriminellen Unternehmens“ 

„In den vergangenen Wochen haben Sie viel über Sean Combs erfahren“, beginnt die Staatsanwältin Christy Slavik am Morgen ihr fast fünf Stunden dauerndes Plädoyer. „Er ist der Anführer eines kriminellen Unternehmens.“

Ein solches Unternehmen sei aus rechtlicher Sicht keine „komplizierte oder besondere Sache“, sagt Slavik, sondern einfach eine Gruppe von Menschen mit „einem gemeinsamen Ziel“. Und das sei in Diddys Fall die Absicht gewesen, ihren Anführer, also Diddy, zu beschützen und ihm dabei zu helfen, verschiedene kriminelle Delikte zu begehen. 

Zu dem „inneren Kreis“ seines Unternehmens, fährt Slavik fort, gehörten seine Bodyguards und seine persönlichen Assistenten. Über zwei Jahrzehnte hinweg hätten diese Verbündeten Diddys Straftaten vertuscht und mitorganisiert.

Der Vorwurf: Sexhandel zu Diddys eigenem Amusement

„Das brutale Verbrechen, das im Kern dieses Falls steckt“, sagt Slavik, „ist der Sexhandel“. „Sex“, präzisiert sie, zum Zweck von Diddys „eigener Unterhaltung“. Diddy soll laut Anklage seine beiden Exfreundinnen, Cassandra Ventura, und eine Frau, die unter dem Pseudonym Jane aussagte, dazu gezwungen haben, mit männlichen Prostituierten zu schlafen, manchmal mit einem, manchmal auch mit zwei oder drei Männern, während er sie dabei filmte, ihnen zusah und sich selbst befriedigte. Diese Sex-Partys, die er „Freak-offs“ nannte, sollen teilweise mehr als 30 Stunden gedauert haben, manchmal sogar mehrere Tage lang. Diddy habe den Frauen Drogen wie Kokain, Ecstasy, Ketamin und anderes gegeben. Er selbst soll dabei auch Alkohol getrunken und Drogen genommen haben.

Die Menge der Drogen spielt dabei keine Rolle. Die Tatsache, dass er Drogen gekauft hat, um sie anderen Personen zu geben, sei bereits eine Straftat. 

Die Drogen seien auch eine Nötigungstaktik gewesen, erklärt die Staatsanwältin. Die Frauen seien sich oftmals gar nicht darüber bewusst gewesen, was sie eigentlich taten.

„Ich will nicht mehr tagelang Drogen nehmen“

„Die Verteidigung hat Ihnen Ausschnitte von Videos gezeigt,“ sagt Slavik und bezieht sich auf die Aufnahmen von den „Freak-offs“, die die Verteidiger der Jury vergangene Woche vorgespielt hatten, „und ich gehe davon aus, dass sie argumentieren wird, dass diese Videos (…) beweisen, dass Jane den Sex genossen habe. Aber was diese Videos eigentlich zeigen, ist, dass sie super, super high war, was sie ja auch ausgesagt hat.“

Slavik liest der Jury eine Textnachricht vor, in der Jane an Diddy schreibt, dass sie keine Lust mehr auf Drogen hat. „Ich weiß nicht, warum du mich anrufst. Es tut mir leid, ich will nicht mehr tagelang Drogen nehmen und mich von dir benutzen lassen, um deine verrückten, wilden Wünsche in Hotelzimmern zu erfüllen“, heißt es in der SMS.

Diddy streitet den Vorwurf, er habe die Frauen mit Drogen und anderen Taktiken zum Sex genötigt, vehement ab. Er sagt, die Frauen hätten freiwillig und gerne an den Sex-Partys teilgenommen.

Ein einziger Fall reicht für die Strafbarkeit aus

Die Beziehung zwischen Diddy und Jane hielt fast vier Jahre, von 2021 bis kurz vor seiner Verhaftung 2024. Mit der Sängerin und Schauspielerin Ventura war er fast elf Jahre (mit einigen Unterbrechungen) zusammen, von 2007 bis 2018. Wenn diese Frauen so unter ihm gelitten hätten, wie die Staatsanwaltschaft behauptet, warum sind sie dann so lange bei ihm geblieben, fragen die Verteidiger.

Aber das vielleicht wichtigste Argument, das Slavik in ihrem Schlussplädoyer der Jury vorträgt, ist die Tatsache, dass ein einziger Vorfall genügt, um den Sexhandel zu beweisen. Das heißt, es ist egal, ob die Frauen sich in anderen Nächten voller Lust und Leidenschaft in die Orgien gestürzt haben. Wenn sie ein einziges Mal klar und deutlich gesagt haben, sie wollen keinen Sex mit fremden Männern haben, und Diddy sie dennoch zum Sex genötigt hat, hat er sich damit strafbar gemacht.

Eines der Beispiele, das die Staatsanwältin gibt, ist ein Vorfall, der sich im Juni 2024 in Janes Haus in Los Angeles zutrug. Jane sagte aus, dass sie sich an jenem Abend mit Diddy heftig gestritten hatte, weil sie auf eine andere Frau eifersüchtig gewesen sei. Der Streit sei eskaliert und Diddy habe sie verprügelt. 

Nach dieser Aktion wollte Jane laut ihrer eigenen Aussage keinen Sex haben. Aber Diddy habe darauf bestanden. Sie solle ihm „seine Nacht nicht ruinieren“, habe er gefordert. Jane habe dann ihre Verletzungen mit Make-up bedecken, Drogen nehmen, und mit dem Mann schlafen müssen, den er anrief und der auch sofort kam, weil Diddy ihn ja dafür bezahlte.

Ein Beweisstück: das Prügelvideo aus dem Hotelflur

Ein anderes Beispiel ist der berüchtigte Vorfall vom März 2016. Cassandra Ventura und Diddy hatten in einem Hotel in Los Angeles mit dem Escort Jules eine ganze Nacht lang Sex. Am Morgen hatte Ventura aber laut ihrer Aussage keine Lust mehr und wollte nach Hause. Ein Kinofilm, in dem sie die weibliche Hauptrolle spielte, die romantische Komödie „The Perfect Match“, hatte am übernächsten Tag Premiere und sie habe sich vor ihrem Auftritt auf dem roten Teppich etwas ausruhen wollen.

Aber Diddy wollte, so Ventura, dass sie weiter mit Jules Sex hatte, damit er zugucken und sich befriedigen konnte. Und als Ventura zum Fahrstuhl eilte, lief er ihr nach, zerrte sie zu Boden und trat auf sie ein. Die Überwachungskameras des Hotels nahmen diesen Vorfall auf. Das Video wurde letztes Jahr von CNN zum ersten Mal im Internet veröffentlicht. Seitdem kennt die ganze Welt die Bilder von Diddy, der in Handtuch und Socken wutentbrannt im Hotelflur auf Ventura eindrischt. 

Die Jury hat dieses Video während des Prozesses mehrmals gesehen. Und auch am Donnerstag zeigt Slavik es den Geschworenen wieder, um sie daran zu erinnern, wie Diddy reagierte, wenn Ventura keinen Sex haben wollte.

„Es ist Zeit für Gerechtigkeit“, sagt die Staatsanwältin

Diese Art von Gewaltausbrüchen seien auch Nötigungstaktiken gewesen, sagt Slavik, mit denen Diddy den Frauen Angst gemacht habe.    

„Bis heute konnte der Angeklagte aufgrund seines Geldes, seiner Macht und seines Einflusses mit seinen Verbrechen davonkommen“, erklärt Slavik am Ende ihres Plädoyers. „Das hört jetzt auf. Der Moment ist gekommen, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Es ist Zeit für Gerechtigkeit. Es ist Zeit, den Angeklagten schuldig zu sprechen.“

Die Verteidigung hält am Freitag ihr Schlussplädoyer. Danach wird die Staatsanwaltschaft nochmals eine Gegenrede an die Jury halten. 

Der Richter will den Geschworenen am Freitagnachmittag dann die Anklagepunkte rechtlich genau erklären, sodass sie anfangen können, über das Urteil zu beraten. Ob es dazu kommt, oder ob die Verteidiger, die keinen einzigen Zeugen aufgerufen haben, länger als geplant sprechen werden, ist ungewiss. Im Gericht ist es wie auf hoher See, man weiß nie genau, was der Tag bringt.