Es gibt höchstrichterliche Urteile zu Krematorien und dem würdevollen Umgang mit den trauernden Angehörigen. In einem Streit in Nordrhein-Westfalen liegt der Fall aber etwas anders.
Wo darf ein Krematorium gebaut werden? Im Streit um den Bau eines Krematoriums in einem Industriegebiet in Ochtrup hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) keine Bedenken. Der Rat der Stadt durfte für den Bau eine Sonderfläche am Rande eines Gewerbegebietes erlassen, entschied das Gericht per Urteil. Aber: Das ist so nur in Ordnung, weil für das Krematorium kein Abschiedsraum für Angehörige geplant ist. Der 10. Senat ließ keine Revision durch das Bundesverwaltungsgericht zu. Dagegen können die Kläger Beschwerde einlegen (Az.: 10 D 39/23.NE und 10 D 17/24.NE).
Eine Anwohnerin und ein Industrieunternehmen hatten gegen den geänderten Bebauungsplan der Stadt geklagt. Ohne Erfolg, wie das OVG jetzt entschied. Dabei betonte der 10. Senat in der mündlichen Verhandlung, dass es auch unter den Richtern eine lange Diskussion zu der Frage gegeben habe, denn ein Krematorium sei schließlich kein gewöhnlicher Gewerbebetrieb. Das Einäschern eines Leichnams sei kein rein technischer Vorgang, sondern Teil der Feuerbestattung. Deshalb sei zu bedenken, wie es mit der Totenruhe und dem pietätvollen Umgang mit Verstorbenen bestellt sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte deshalb 2012 entschieden, dass ein Krematorium mit Abschiedsraum nicht in ein Gewerbegebiet passe. Ein würdevolles Umfeld sei dort für die trauernden Angehörigen nicht gegeben. Ob ein Krematorium ohne einen Raum für Angehörige in ein Gewerbegebiet darf, war laut OVG bislang bundesweit juristisches Neuland.
Stadt hat Nutzungskonflikt gesehen
Nach Überzeugung des OVG hat die Stadt Ochtrup bei der Planung aber die Nutzungskonflikte zwischen dem Krematorium und den Betrieben in der Umgebung fehlerfrei abgewogen. „Ein Krematorium ist selbst schutzbedürftig und muss zugleich besondere Rücksicht auf seine Umgebung nehmen“, teilte das OVG mit.
Die Stadt habe mit der Auswahl des Geländes am Rande des Gewerbegebietes mit einer klaren optischen und räumlichen Nutzungstrennung sowohl dem Schutz des Bestattungsvorgangs als auch der Umgebung Rechnung getragen. Lärm aus der Umgebung spiele keine Rolle, der Einäscherungsvorgang im Gebäude erfordere keine vollständige Abschirmung.
Auch sei der Anblick von an- und abfahrenden Leichenwagen und der Schornstein des Krematoriums der Nachbarschaft zuzumuten, entschied das OVG. Am Verwaltungsgericht Münster ist noch eine Klage gegen die Baugenehmigung für das Krematorium anhängig.