Auf Plattformen wie Vinted verkaufen immer mehr Menschen gebrauchte Kleidung. Doch während der Markt wächst, sind Nutzer frustriert und Verbraucherschützer warnen.
Besonders gut kommt die Vinted-App nicht weg bei ihren Nutzern. Auf der Bewertungsplattform „Trustpilot“ stapeln sich schlechte Erfahrung. „5 Sterne für die Idee und die Plattform, 0 Sterne für den Käuferschutz“, schreibt einer, versehen mit einem Emoji, das weint. „Furchtbarer Kundenservice“ heißt es anderswo, oder „Ein Stern ist noch zu viel“. Insgesamt das Fazit von mehr als 5000 Bewertungen für Vinted: 2,2 von 5 Sternen.
Dabei ist das Angebot an Secondhand-Waren wirklich groß auf Vinted. Golden glänzt zum Beispiel eine Polo-Ralph-Lauren Gürtelschnalle, zu haben für 37,45 Euro – inklusive Käuferschutz. Auch edle Mäntel, Halstücher oder Blazer stehen zum Verkauf. Und aller schlechten Bewertungen zum Trotz wächst Vinted immer weiter.
Einfaches Geschäftsmodell
Damit sind sie nicht allein: Der Markt für Secondhand-Mode boomt, vor allem im Internet. Allein in Deutschland lag der Umsatz im Online-Handel von Secondhand-Artikeln bei 9,9 Milliarden Euro, berechnet eine Marktanalyse des Handelsverbands Deutschland (HDE). Damit wuchs der Markt deutlich stärker als der mit neuer Ware.
Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens PwC hatte bereits 2023 jeder Zweite schon einmal gebrauchte Kleidungsstücke gekauft. Vorreiter ist demnach die sogenannte Generation Z: Dort haben sogar 64 Prozent bereits Secondhand-Mode erworben. Insbesondere Luxusmarken wie der Ralph-Lauren-Gürtel sind auf den Plattformen beliebt. 44 Prozent haben laut PwC bereits solche Marken gebraucht erworben, in der Gen Z sind es gar 55 Prozent.
Das Geschäftsmodell hinter Secondhand-Plattformen wie Vinted, Kleinanzeigen, Etsy oder Rebuy ist einfach. Nutzer können über die Plattformen Produkte unkompliziert zum Verkauf anbieten, direkt mit den potenziellen Käufern chatten und selbst durch Angebote stöbern. Der Verkauf selbst ist für die Nutzer meist kostenlos.
Die größte Plattform im deutschen Markt ist Kleinanzeigen. Nutzer können dort fast alles anbieten: von alten Fahrrädern über Immobilien bis hin zu Haustieren. Bisher eine erfolgreiche Strategie. 2023 betrug der Umsatz 255 Millionen Euro, man erreiche mehr als die Hälfte der deutschen Online-Nutzer, gab das Unternehmen damals bekannt. Das Geld verdient Kleinanzeigen unter anderem mit Gebühren für gewerbliche Anbieter. „Wir fokussieren uns stark auf die Zusammenarbeit mit kleinen und mittelständischen Unternehmen“, sagte Kleinanzeigen-Chef Paul Heimann im Jahr 2023 zu Capital. „Da gibt es viele, die Kleinanzeigen nutzen.“ Vor nicht allzu langer Zeit war das noch anders: Als Kleinanzeigen noch zum „Ebay“-Konzern gehörte, kam ein großer Teil der Einnahmen aus Werbeanzeigen.
Bücher und Fashion vorne
Doch hinter dem Schatten von Kleinanzeigen tummeln sich zahlreiche weitere Online-Plattformen, die vom Secondhand-Markt profitieren. Etsy ist beispielsweise zwar hauptsächlich als Marktplatz für handgemachte und selbstgestaltete Waren bekannt. Inzwischen gibt es aber auch vermehrt Secondhand-Angebote. Geld verdient das US-Unternehmen über Transaktions- und Zahlungsbearbeitungsgebühren. Und da es laut eigenen Angaben fast 90 Millionen aktive Käufer auf Etsy gibt, ist es eine erfolgreiche Strategie für das Aktienunternehmen: Der Jahresumsatz allerdings ist zuletzt gesunken. 2023 betrug er 13,2 Milliarden Dollar, nach 13,3 Milliarden Dollar 2022 und 13,5 Milliarden Dollar 2021.
Auch im Büchermarkt wächst das Secondhand-Geschäft – im HDE-Report nehmen sie mit 16 Prozent den zweitgrößten Anteil am Recommerce-Markt ein. Auf Plattformen wie Booklooker, Medimops und Momox finden sich viele Klassiker, manchmal noch in sehr gutem Zustand. Anders als bei Kleinanzeigen und Etsy handeln hier nicht die Verkäufer direkt mit den Käufern – die Plattformen kaufen gebrauchte Bücher auf und verkaufen sie weiter. Der Vorteil für Verkäufer: Alte Bücher loszuwerden, wird so noch einfacher. Der Nachteil: Die Preise sind dabei oft niedriger, als wenn jedes Buch direkt und einzeln verkauft wird.
Vinted verdient Geld mit Käuferschutz
Den größten Anteil am Secondhand-Handel nimmt laut HDE allerdings der Komplex Fashion ein. Und dort kommt am Platzhirsch Vinted derzeit niemand vorbei. Das litauische Unternehmen wuchs in den vergangenen Jahren enorm und ist inzwischen in 20 Ländern tätig. Die Einnahmen kommen bei Vinted zu einem großen Teil aus dem Käuferschutz: Für einen Aufpreis 70 Cent plus 5 Prozent des Einkaufspreises können Nutzer diesen hinzukaufen. Auch über die Platzierung von Anzeigen kommt Geld rein. Im vergangenen Jahr vermeldete Vinted einen Gesamtumsatz von 813 Millionen Euro – 36 Prozent mehr als noch 2023. Rund 28 Millionen monatliche aktive Nutzer sollen sich in der EU auf der Plattform tummeln.
Gegründet wurde Vinted im Jahr 2008 in Litauen, wo das Unternehmen nach wie vor seinen Sitz hat. Ursprünglich als Tauschplattform wurde sie in Deutschland unter dem Namen „Kleiderkreisel“ bekannt. Im Jahr 2020 folgte die Umbenennung und bald darauf die Expansion.
Doch warum boomt der Markt mit gebrauchter Kleidung so sehr? „Secondhand-Mode hat ein neues Ansehen, inzwischen ist sie schick“, sagt Hansjürgen Heinick. Er ist Senior Consultant am Institut für Handelsforschung (IFH) Köln, das den HDE-Report mitverfasst hat. „Lange hatte getragene Kleidung ein schlechtes Image, das hat sich geändert.“ Eine große Rolle spiele, dass Nachhaltigkeit und Klimaschutz stärker ins Bewusstsein der Menschen gerückt sei – vor allem bei jungen Leuten.
Secondhand-Luxusmode
Hinzu komme, dass das Angebot immer größer geworden sei. „Es gibt ein großes Interesse an Luxusmode“, sagt Heinick. „Allerdings haben es die großen Luxusmarken etwas übertrieben mit den Preisen. Auch deswegen suchen viele jetzt die Artikel auf Secondhand-Plattformen.“
Marktexperte Heinick ist zuversichtlich, dass der Boom im Secondhand-Markt langfristig ist. „Ich denke, da ist noch Potenzial“, sagt Heinick. „Das Umweltbewusstsein ist bei den Menschen latent da, aber viele Marken für neue Produkte gelten da als nicht so glaubwürdig. Deswegen greifen die Menschen auf die einfache, nachhaltigere Alternative zurück.“ Er geht davon aus, dass sowohl Angebot als auch Nachfrage weiter wachsen – wovon insbesondere Vinted profitieren dürfte.
Strafe für mangelnden Datenschutz
Der wirtschaftliche Erfolg ist aber nur die eine Seite der Medaille, die andere ist die Kritik vieler Nutzer an Vinted und Co. Verbraucherschützer sehen die Plattform kritisch. Zwar könnten viele Menschen nachhaltig und günstig über Plattformen wie Vinted einkaufen, sagt Benjamin Räther, Rechtsberater bei der Verbraucherzentrale Berlin. „Wir würden uns aber wünschen, dass der Rahmen mehr Sicherheit bietet. Beim Kampf gegen Fake-Profile und beim Datenschutz müsste Vinted mehr hinterher sein.“
Vinted hat insbesondere beim Datenschutz eine unrühmliche Vergangenheit. So hat die Plattform Nutzerdaten trotz Aufforderung nicht gelöscht und dafür im vergangenen Jahr eine Millionenstrafe kassiert. Außerdem gibt es Berichte über sogenanntes Shadow Banning auf der Plattform. Dabei existieren Profile zwar, werden aber nicht angezeigt.
Für alle Plattformen gibt es Berichte über Betrüger. Nutzer bieten angebliche Waren an, bekommen das Geld, aber verschicken den Artikel nie – oder aber die Qualität ist deutlich schlechter als versprochen. An die Täterinnen und Täter zu kommen ist schwierig: Falsche Profile können schnell erstellt und ebenso schnell wieder gelöscht werden. In Bewertungsportalen wie Trustpilot häufen sich Berichte über derartige Erfahrungen. Nicht nur mit Vinted: Etsy und Kleinanzeigen kommen auf Trustpilot im Schnitt noch schlechter weg. Zuletzt gab es vermehrt Berichte über Betrüger, die echt-aussehende angebliche Vinted-E-Mails nutzten, um Verkäufer abzuzocken.
Vinted Betrugsmasche: So schützt man sich
Wie können sich Nutzer dagegen schützen? Bejamin Räther von der Verbraucherzentrale Berlin rät, sich über den angeblichen Verkäufer schlau zu machen. „Ist das Profil verifiziert, wie lange gibt es das Profil schon? Wie oft hat er bereits Waren verkauft? Es ist leider relativ einfach, Fake-Accounts aufzusetzen“, sagt Räther. „Da sollte man sich etwas Zeit nehmen und gerade bei sehr günstigen Angeboten fragen: Kann das wirklich sein?“ Ein praktischer Tipp: Bei mehreren Angeboten sollten Nutzer die Hintergründe der Bilder vergleichen. Wenn sich der stark unterscheide, könnte das ein Indiz sein, dass die Bilder in Wirklichkeit aus dem Internet heruntergeladen wurden und kein echtes Angebot zeigen. Zusätzlich helfe bei solchen Fällen eine Bilderrückwärtssuche, um herauszufinden, ob das Bild bereits im Internet existiert.
Wenn es dann zum Kauf kommt, empfiehlt Räther, nie in Vorkasse zu gehen. „Wenn man zahlt, bevor die Ware da ist, gibt man jedes Druckmittel aus der Hand“, sagt er. Und gerade bei teureren Artikeln könne es sich lohnen, den Käuferschutz zu kaufen.