Friedrich Merz auf dem Gipfel der Macht. Der Fernsehgarten macht betroffen. Und was sonst heute noch wichtig wird.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der Bundesadler ist gelandet. Wenn Sie das hier lesen, hat Friedrich Merz kanadischen Boden betreten. Es ist der erste G7-Gipfel für den noch amtsjungen Kanzler. 

Stellt sich die Frage, ob er die Premiere ebenso souverän hinter sich bringt, wie die Generalprobe, seinen Antrittsbesuch in Washington vor wenigen Wochen. Tänzelt Merz halbwegs unbeschadet durch dieses diplomatische Minenfeld, bietet sich ihm eine einzigartige Gelegenheit. Nicht obwohl, sondern gerade dann, wenn Trumps Launen außer Kontrolle geraten. Und das ist das einzig verlässliche an ihm.

Gelingt Merz womöglich ein ähnliches Kunststück wie seiner ungeliebten Vor-Vorgängerin vor sieben Jahren? Angela Merkel nutzte Trumps gefährlichen Machismo damals meisterlich. Am Ende war es nicht dessen üble Fuck-off-Mentalität, sondern das historische Foto, wie sich Merkel als Anführerin einer Allianz der Vernünftigen zum bockigen US-Präsidenten vorbeugte, das vom Gipfel 2018 im kollektiven Gedächtnis blieb.

Der Job als Anführer der freien Welt, er ist jedenfalls frei geworden. Bei einer Bewerbung hätte Merz gute Karten. 

Auch meine Berliner Kollegen blicken in der aktuellen Ausgabe des „5-Minuten-Talk“ voller (An-)Spannung auf Merz‘ Auftritt in der trügerischen Bilderbuchkulisse in den Rocky Mountains:

Am Vormittag (circa 18.30 Uhr deutscher Zeit) kommt die West-Elite zur ersten Arbeitssitzung zusammen. Morgen um diese Zeit haben sie sich im besten Fall auf einen gemeinsamen Kurs in Sachen Iran/Israel verständigt. Eine schier unlösbare Aufgabe, setzt Trump, der Erste unter Ungleichen, doch auf den ihm artverwandten Wladimir Putin als Friedensbringer.

Wie soll eine Gemeinschaft, die sich so radikal ihrem Anführer entfremdet hat und gleichzeitig weiter so abhängig von ihm ist, je auf einen Nenner kommen, ohne die eigenen Werte und Interessen zu verraten? Und selbst wenn den selbst attestierten glorreichen Sieben ein seltener Moment der Verbundenheit vergönnt ist: Was bedeutet das noch?

Die G7  sind die Rolling Stones der Weltpolitik. Eine Gruppe, die von vertrockneten Lorbeeren lebt, die ihren Zenit längst überschritten hat, sich aber genau das nicht eingestehen will. Deren Frontmann eine Solokarriere anstrebt. Vielleicht ist es Zeit für eine Neugründung.

Mini Playback Show im ZDF?

Was ist für sie typisch deutsch? Schweinsbraten mit Klößen? Tennisbesockte Füße in Sandalen? Funkkrater auf dem Land?

Für mich ist es (leider): der ZDF-Fernsehgarten. Eine Show, die wegen akuter Verstöße gegen den guten Geschmack geahndet werden müsste. Wenn ich auch nur zwei weitere Minuten zusehen muss, wie sich das Publikum auf dem Mainzer Lerchenberg beim Klatschen konsequent jeglichem Rhythmusgefühl verweigert, breche ich in Tränen aus. 

Sie kennen mich inzwischen ein wenig, ich neige zu Übertreibung. Aber eben nicht sehr. 

Wenn das Durchschnittsalter des ZDF bei 65 Jahren liegt, so denke ich mir, muss der Otto-Normal-Fernsehgärtner biblischen Alters sein. Umso erstaunter war ich, als ich beim Reinschauen in die gestrige Ausgabe mehrere Millennials, vielleicht sogar den ein oder anderen Gen-Zler im Publikum erspäht habe. Die blinzelten kein S.O.S in die Kameras, sondern wirkten tatsächlich, als hätten sie sich nahezu freiwillig in diese Entertainment-Vorhölle verirrt. 

Für „Irritation“, so schreiben es die Kollegen von „T-Online“ soll der Auftritt von Sängerin Katja Ebstein gesorgt haben. Das muss ich erst einmal glauben, irritiert mich doch die ganze Veranstaltung als solche. Jedenfalls soll diese als ESC-Ikone bekannte Frau Ebstein das Potpourri ihrer besten Hits nur dank freundlicher Unterstützung aus der Retorte gelungen sein. Will heißen: Sie soll auf Playback „gesungen“ haben. Wenn Sie denn müssen, können Sie den Auftritt ab Minuten 20:40 in der ZDF-Mediathek nacherleben.

Weil ich, Sie haben es sicher bereits bemerkt, in Sachen Schlager ein denkbar ungeeigneter Kritiker bin und ich den Eurovision jedes Jahr so verlässlich meide wie Moderator Joachim Lambi den treffenden Gesangston, möchte ich mir dazu gar kein Urteil erlauben. Das hier ist kein Faktencheck. Auch wenn die fehlende Lippensynchronität gepaart mit einem teuflisch plattennahen Gesang auch mich stutzig macht. 

Vielleicht hat die 80-Jährige aber auch nicht nur ihr Äußeres, sondern auch ihre Stimmbänder beeindruckend gut erhalten. Wie heißt es noch? Wunder gibt es immer wieder.

Gefahr nach Zahlen

Vor einigen Tagen habe ich im morgen|stern geschrieben, dass ich mich in meiner Heimat Köln nicht mehr sicher fühle. Die Nackenhaare stellen sich zwar nicht immer und überall auf, aber eben immer öfter – und längst nicht mehr nur in dunklen Gassen. 

Diese Angst ist leider mehr als nur ein Gefühl. Wie die Bundespolizei uns beim stern mitteilt, gab es 2024 609 Messerattacken an deutschen Bahnhöfen. U-Bahnen-Haltestellen nicht einmal eingerechnet:

Was heute sonst noch ansteht

Wie schon in der vergangenen Woche passiert abseits vom sehr Großen sehr wenig. Kann sich ja noch ändern. Bei unserem Glück wird es das vermutlich auch. 

Die UN-Klimakonferenz startet inBonn. Nunja, im Grunde eher ein Vorgeschmack auf das eigentliche Event im November in Brasilien. Trotzdem werden mehr als 5000 Teilnehmer in der ehemaligen Bundeshauptstadt erwartet, darunter Experten und/oder Politiker aus aller WeltTag vier nach der Eskalation, der gegenseitige Beschuss zwischen Israel und dem Iran geht weiter. Im Liveblog halten wir Sie wie gewohnt auf dem LaufendenLaut einem Medienbericht nennen schottische Behörden Fans der britischen Rockband Oasis in einem internen Sicherheitsdokument „übergewichtig und rauflustig“. Sänger Liam Gallagher platzte daraufhin traditionell der Kragen. Rauflustig und Oasis? Empörend!

Die fernöstliche Weisheit des Tages

Mehr als zwei Wochen tippe ich nun schon für Sie aus dem fernen Südkorea. Kurz vor dem Heimweg kickt bei mir tatsächlich die bekannteste aller Heinwehenden-Sehnsüchte: Ich vermisse deutsche Hausmannskost. Also: Thaiküche.

Bestimmt zweimal die Woche reite ich in mein Lieblings-Thairestaurant im Kölner Norden ein, ordere mit glasigem Blick die Nummer 102, Khao-Pad mit Hühnchen.

Das vermisse ich nicht nur wegen des vertrauten, jedes Mal aufs Neue grandiosen Geschmackserlebnisses. Sondern vor allem, weil die Thailänder den Koreanern eines voraushaben: die Gabel!

Die Gabel ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst

Nennen Sie mich einen Kulturbanausen, aber ich verstehe einfach nicht, warum in einer Welt, in der Gabel und Löffel existieren, noch mit Stäbchen gegessen wird.

Dass ich mich all die Jahre dieser hohen Kunst verweigert habe, rächt sich nun. Da half auch Bingewatching von Tutorials kurz vor Abflug nicht mehr. Im Gegensatz zu Japan sind die Dinger hier nicht aus Holz, sondern aus Metall. Was das ohnehin knappe Zeitfenster bis zum unausweichlichen Verkrampfen der Hand noch weiter verkürzt. 

Klar, insofern Sie sich nicht wie ich aufs peinlichste verrenken und die Stäbchen irgendwann halb verhungert frustriert in die Dumplings rammen, sieht das natürlich schick aus. Wenn es aber primär um Ästhetik geht: Warum schneiden die Koreaner dann ihr Fleisch mit der Schere?!

Ich wünsche Ihnen einen großartigen Tag – annyeonghi gyeseyo!

Ihr 

Yannik Schüller