Die Zahl der Haustiere wächst in Deutschland. Doch bei ihrer Gesundheitsversorgung gibt es Engpässe. Matthias Link suchte monatelang Personal für seine Praxis – und wurde im Iran fündig.

Nicht nur in der Humanmedizin fehlen in ländlichen Regionen Ärzte: Weil offene Stellen über Monate nicht zu besetzen sind, werden zunehmend auch Tierärztinnen und Tierärzte aus dem Ausland angeworben. Matthias Link aus Varrel bei Kirchdorf beschäftigt seit 2024 eine Tierärztin und einen Tierarzt aus dem Iran in seiner Praxis. 

Asal Ilkhani Zadeh kam aus der Metropole Teheran in das Dorf bei Sulingen. „Am Anfang war es schwierig, weil die Menschen hier ganz anders sprechen als in meinem Deutschkurs, besonders wenn sie Stress mit ihren Tieren haben“, sagt die 30-Jährige.

Insgesamt unterscheide sich die Arbeit nicht wesentlich von der in ihrer Heimat, sagen Zadeh sowie ihr Kollege Mohammad Ranjbar. Zadeh ist in der Kleintier- und Ranjbar in der Nutztierpraxis angestellt. Der 33-Jährige aus Täbris im Nordiran lernte bei seinen ersten Stall-Besuchen in Varrel spezielle Begriffe wie Milchfieber, Steinkalb oder Färse von den Landwirten. Ranjbar ist glücklich in Norddeutschland: „Ich mag hier die Ruhe und die Natur, auch die freundlichen Menschen.“

3.000 Praxis-Inhaber werden aus Altersgründen ausscheiden

Zwar ist die Zahl der praktizierenden Tierärzte seit 2013 bundesweit gestiegen, viele sind jedoch nur in Teilzeit beschäftigt, der Frauenanteil liegt bei mehr als 70 Prozent. In den nächsten zehn Jahren werden bundesweit mindestens 3.000 Personen mit eigener Praxis aus Altersgründen ausscheiden. „Als Selbstständiger arbeite ich 50 bis 60 Stunden die Woche, das heißt, für mich müssten anderthalb bis zwei neue Kollegen dazukommen“, sagt der promovierte Tierarzt Link. Er ist 61 Jahre alt und betreibt seit 28 Jahren seine Praxis. 

Die niedersächsische Landesregierung setzt sich angesichts des Problems für ein schnelleres Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Tierarztausbildungen ein. Leider sei das Thema im Bundesrat vertagt worden, sagt Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne). Nicht nur Praxisinhaber, sondern auch die Veterinärämter hätten mit Fachkräftemangel zu kämpfen. „Und dabei geht es nicht nur um gesunde Tiere, sondern auch um Seuchenschutz, Futter- und Lebensmittelsicherheit.“

Die Tierärztekammer Niedersachsen zählte im vergangenen Jahr 6.819 Mitglieder, von ihnen hatten 324 nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Ausländeranteil liegt also aktuell bei 4,8 Prozent. Aktuell gibt es 22 Anträge auf Erteilung der Approbation aus sogenannten Drittstaaten – diese kommen überwiegend aus der Ukraine, dem Iran und der Türkei. 

Um die Anerkennung der ausländischen Abschlüsse zu beschleunigen, schlägt Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Staudte die Möglichkeit einer Kenntnisprüfung statt der Sichtung von Dokumenten vor. Dies sei sinnvoll, wenn zum Beispiel Dokumente im Fall einer Flucht nicht mitgenommen wurden und auch nicht nachgeschickt werden könnten.

Nach Angaben der Tierärztekammer Niedersachsen ist das Personalproblem kurzfristig nur mit mehr Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland zu lösen. Rund 800 der Praxisinhaber in Niedersachsen sind demnach 57 Jahre und älter. Sie werden also voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen. Gleichzeitig blieb die Zahl der Studienplätze an den fünf Tiermedizin-Standorten in Deutschland nahezu unverändert. Der Frauenanteil bei den Absolventen liegt bei 85 Prozent. 

Nachfrage nach tierärztlicher Versorgung steigt

Matthias Link hat schon in der Vergangenheit Tierärzte aus dem Iran, Bulgarien, Polen, der Türkei und Guinea-Bissau eingestellt. Viele von ihnen seien inzwischen etablierte Tierärzte und in eigenen Praxen selbstständig, betont Link. Die Situation habe sich deutlich zugespitzt, sagt er. „Man bekommt gar keine Interessenten mehr, die sich auf eine Stellenanzeige hin melden.“ Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach tierärztlicher Versorgung, gerade im Haustierbereich – auch aufgrund des medizinischen Fortschritts.

„Was wir heute mit den Kleintieren veranstalten, ist kein Vergleich zu früher“, sagt Link. Die Möglichkeiten seien begrenzter gewesen, aber auch die Bereitschaft der Besitzer, für die Behandlung ihrer Tiere Geld auszugeben. Mit den ausländischen Kollegen hat der promovierte Tierarzt gute Erfahrungen gemacht. Das gilt auch für die beiden Neuen aus dem Iran. „Das Entscheidende ist die Sprache“, sagt er. „80 Prozent unseres Jobs ist Psychologie – wie bei fast allen Jobs, die mit Menschen zu tun haben.“