Ein Verein aus dem rheinhessischen Erbes-Büdesheim setzt sich für Herdenschutzhunde ein, päppelt misshandelte Tiere auf, vermittelt sie und kämpft gegen Vorurteile. Nun gibt es eine Auszeichnung.

Kaum ist die Gittertür auf, stürmt Karlchen nach draußen. Runde um Runde rennt der Hund mit seinem weichen, wuscheligen Fell über das Gelände vor den Toren von Erbes-Büdesheim im Kreis Alzey-Worms, gelegentlich holt er sich Streicheleinheiten ab. „Er ist immer gut drauf, für ihn scheint immer die Sonne“, sagt Mirjam Cordt. Sie ist Gründerin und erste Vorsitzende des Vereins „Hilfe für Herdenschutzhunde“ und kümmert sich um rund 30 solcher Tiere. Der Kaukasische Owtscharka Karlchen ist einer davon. 

Seit 2001 gibt es den Verein, nach 2014 bekommt er in diesem Jahr zum zweiten Mal den Tierschutzpreis des Landes Rheinland-Pfalz. Verbunden ist das mit 3.000 Euro – Geld, das der Verein sehr gut gebrauchen kann. 

Hohe Tierarztkosten

Denn bei jedem vierbeinigen Neuankömmling, in der Regel alt, krank oder verhaltensauffällig, sind zahlreiche Untersuchungen und Behandlungen beim Tierarzt nötig, im Schnitt werden daher je Hund 6.000 Euro fällig, wie Cordt erklärt. Beileibe kein Pappenstiel für einen Verein, der sich aus Spenden finanziert. Kostenlos genutzt werden Räume und Gelände von Cordts Firma DOG-InForm, die unter anderem Ausbildungen für Hundetrainer und -halter anbietet und auch ein Hundehotel ist. 

Den Tierschutzpreis gibt es seit 1994, er wird also bereits zum 31. Mal vergeben. Dotiert ist er mit insgesamt 6.000 Euro, würdigen soll er engagierte Tierschützerinnen und Tierschützer, und er soll einzelne Projekte sowie den Tierschutz insgesamt sichtbarer machen, wie das Umweltministerium erklärt.

In diesem Jahr wurde aus 15 Vorschlägen für die diesjährige Auszeichnung neben Cordts Verein noch einer namens „Animal Sunshine Farm“ zur Tierrettung in Kindsbach im Kreis Kaiserslautern ausgewählt, der 2.000 Euro bekommt. 1.000 Euro gehen an Nadine Leisch vom Förderverein Eifeltierheim Altrich im Kreis Bernkastel-Wittlich, die sich dafür einsetzt, Kindern und Jugendlichen einen artgerechten Umgang mit Tieren zu vermitteln.

Viele Tiere haben schlimme Erfahrungen gemacht

Die Tiere, um die sich der Verein „Hilfe für Herdenschutzhunde“ kümmert, haben häufig eine schwere Vergangenheit mit jahrelangen Misshandlungen hinter sich. Da ist Pious, auch ein Owtscharka, der früher an einer kurzen Kette unter einem Bauwagen gehalten wurde. Weil er häufig geschlagen wurde, haben sich bei ihm die Schädelplatten verschoben. 

Oder da ist Yasha, ein HSH-Mix, ein Mischling, bei dem beide Elterntiere einer Herdenschutzrasse angehören, die früher von anderen Hunden regelrecht gemobbt wurde und kaum Futter abbekam, wie Cordt sagt. Seitdem habe sie Darmprobleme, brauche spezielles Futter. 

Kaaymaar, ein weiterer Schützling, der mehr als 60 Kilogramm auf die Waage bringt, wurde schätzungsweise 2017 geboren. Genau lässt sich das bei kaum einem Hund sagen. Er wurde seit seiner Ankunft in Erbes-Büdesheim Ende 2023 systematisch aufgepäppelt. Für ihn und die anderen Schützlinge – darunter auch zahlreiche Kangals, eine türkische Rasse – sucht der Verein neue Herrchen. Doch es muss passen, wie Cordt betont. 

Auch Misserfolge gehören dazu 

Bevor ein Hund abgegeben wird, stehen in der Regel drei Treffen mit den Interessenten an. Auch danach begleite der Verein den „Adoptanten“, es solle zu keinem abrupten Abbruch der Bindung kommen, sagt Cordt. Trotzdem komme es vor, dass Hunde zurückkommen, weil es nicht funktioniert habe. „Die Schuld sehe ich dann aber nicht beim Hund“, sagt Cordt. „Diese Menschen waren einfach zu ungeduldig gewesen und hatten trotz Vorbereitung erwartet, dass der Hund sich mit einem Fingerschnipp einfügt.“

Zu kämpfen hat der Verein mit gewissen Vorurteilen gegen Herdenschutzhunde – dass diese etwa aggressiv und schwer zu beherrschen seien. Vieles, was über Herdenschutzrassen gesagt werde, sei falsch, betont Cordt. Nur, wenn die Bedürfnisse der Hunde nicht befriedigt würden, verteidigten sie mit fast allem, was sie haben, ihr Umfeld. Genau darauf setzten manche Halter, betrachteten die Vierbeiner als Nutztier – oder „Ausnutztier“, wie Cordt sagt. 

Einige Tiere fassen wieder Vertrauen zu Menschen

Vom Wesen her seien Herdenschutzrassen bei richtiger Haltung zwar wachsam und hielten Eindringlinge ab. „Sie lassen sich aber von ihren Menschen anleiten und von der „Harmlosigkeit“ des Besuchs überzeugen“, sagt Cordt. Sie liebten die Nähe zu Menschen, seien hochsensible Tiere, die vernünftige Menschen an ihrer Seite bräuchten. Einige der Hunde des Vereins fassen nach einiger Zeit wieder Vertrauen zu Menschen, einige eher nicht. 

Die Vierbeiner kommen aus allen möglichen Ländern, etwa Rumänien, Spanien, Portugal, der Türkei oder Griechenland. Mal hätten Tierschutzinitiativen vor Ort sich an den Verein gewandt, mal seien Tiere in deutschen Tierheimen gelandet, die mit den Hunden überfordert gewesen seien, sagt Cordt. 

Abschied von Schützlingen fällt schwer

Täglich gingen bis zu 20 Anfragen ein, aber um mehr als etwa 30 Tiere könne sich der Verein mit nur einer Handvoll Helfern nicht kümmern. Deutlich mehr Hunde können allerdings auf dem Vermittlungsportal des Vereins im Internet eingestellt werden, aktuell sind es mehr als 1.000. 

Cordt selbst hatte in ihrer Jugend nie einen Hund, wie sie sagt. Später habe sie Hunde aus einem Tierheim ausgeführt, darunter sei ein Kangal gewesen. „Ich habe mich sofort verliebt“, erinnert sie sich. Die Vermittlung eines Tieres sei zwar einerseits immer ein Erfolg, andererseits aber auch stets mit Schmerz verbunden. „Da geht immer auch einer von meinen Schützlingen“.