Wäsche waschen bei 30 Grad ist heute rein objektiv kein Problem mehr. Große Teile Europas praktizieren das längst standardmäßig. Nur die Deutschen, die wollen nicht. 

Die meisten von uns werden es schon oft gehört, gelesen oder in einer TV-Werbung gesehen haben: Wäsche waschen – das soll man heutzutage möglichst bei 30 Grad. Von allen Seiten wird versprochen und versichert: Das funktioniert. Es ist ganz leicht. Es hat keinerlei Nachteile, dafür enorm viele Vorteile.

Und wir Deutschen? Wir lächeln und nicken, und gehen dann heim, um die Wäsche weiterhin bei 40 Grad zu waschen. Oder wenn man einer älteren Generation angehört, bei 60 Grad. Wenn jemand einer noch älteren Generation angehört, glaubt er gar, dass es neben 90 Grad und Handwäsche keine wirkliche Berechtigung für andere Waschgänge gibt. 

Waschen bei 30 Grad? Deutschland sträubt sich

Vielleicht auch, weil uns nicht bewusst ist, was für einen erstaunlichen Unterschied mickrige zehn Grad für die Umwelt machen. Jeder Haushalt, der seine 40-Grad-Wäsche konsequent bei 30 Grad wäscht, spart 38 Prozent seiner bisherigen Energiekosten fürs Waschen ein. Plus: Statt etwa 20 Cent an Stromkosten zahlt man so nur noch 12 Cent pro Waschgang.

Innerhalb der vergangenen zwei Jahre haben die Deutschen ihre durchschnittliche Waschtemperatur immerhin schon von 43,2 auf 42,2 Grad gesenkt. Dieses eine Grad weniger, das zugegeben bescheiden klingt, hat aber dafür gesorgt, dass insgesamt 115.000 Tonnen an CO₂-Emissionen eingespart wurden. Würden alle der rund 40 Millionen Haushalte mit einer Waschmaschine ihre Alltagswäsche bei 30 Grad waschen, könnte Deutschland ganze 570.000 Tonnen Emissionen vermeiden.

Zehn Grad machen einen enormen Unterschied

Der WWF und das Unternehmen Procter & Gamble, das unter anderem Waschmittel wie Ariel produziert, haben sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen vor Augen zu führen, dass es die 40 Grad nicht unbedingt braucht: In mehreren großen Städten kaperte man Waschsalons, gab den Kunden dort Waschmittel aus eigener Herstellung an die Hand – und stellte die Maschinen auf 30 Grad ein. „Kaltwaschsalon“ nannte sich die Aktion. Skeptische Blicke anfangs bei vielen, die ahnungslos mit der Schmutzwäsche der vergangenen Woche herein stolperten, hinterher dann ein Nicken. Diesmal aber ein erleichtertes, womöglich gar anerkennendes. Alles sauber.Rosa Strube vom gemeinnützigen Think Tank CSCP, Gabriele Hässig von Procter & Gamble und Viviane Raddatz vom WWF (v.l.) beim „Kaltwaschsalon“ in Berlin

Oft ist es aber gar nicht wirklich die Sorge, dass die niedrigen Temperaturen Flecken nicht herausbekämen, die die Deutschen am Herunterdrehen hindert. Die würde man ja auch bei 40 Grad in der Regel vorbehandeln, etwa mit Gallseife oder Fleckenspray. Es ist eher die Befürchtung, Unsichtbares nicht weggewaschen zu bekommen. Gerüche, Bakterien, Viren, Pilze. 

Moderne Waschmittel schaffen das

Unbegründet, sagt Gabriele Hässig, die sich bei Procter & Gamble dem Thema Nachhaltigkeit widmet. Alles, was wirklich mit Schmutz in Kontakt kommt, Putzlappen etwa, oder vielleicht Bettwäsche, das sollte man in der Tat bei 60 Grad waschen. Auch, wenn jemand im Haushalt krank ist, ergeben 60 Grad mal Sinn. Aber alltägliche T-Shirts, Hosen, Pullis – da sei nichts dran. Und die Bakterien, die man sich im Kopf ausmalt, bräuchten Dreck als Nahrung zum Überleben. Diesen Dreck aber waschen auch 30 Grad und moderne Waschmittel komplett weg.

Dass das stimmt, beweisen zahlreiche andere europäische Länder, in denen 30 Grad die klassischen 40 längst abgelöst haben. Italien, Spanien und Großbritannien sind hier Vorreiter, die Niederlande und Frankreich ziehen inzwischen nach. Und überall haben sie saubere Wäsche. Nur Deutschland zögert und windet sich. Woran liegt das?

Reden wir zu wenig über Wasch-Routinen?

Selina Sinning, beim WWF zuständig für Verhaltensforschung, sagt: „Wir reden zu wenig über das Waschen.“ Alle Informationen, die man zum Wäschewaschen bekommen habe, seien einem meist von den eigenen Eltern mit auf den Weg gegeben worden, „und man hat sie seitdem nie wieder hinterfragt.“ Was sich über Jahre oder Jahrzehnte eingebrannt hat, lässt sich schwer wieder abschütteln. 

Dazu kommt, dass vielen Menschen nicht bewusst ist, wie sehr sich Waschmittel weiterentwickelt haben. Alles sauber bei 30 Grad – „vor 20 Jahren wäre das noch nicht gegangen“, sagt Gabriele Hässig. Inzwischen aber enthalten Pulver, Pods und Co. neben den bekannten Tensiden auch spezielle Enzyme und Polymere, die nicht mehr auf hohe Temperaturen angewiesen sind. Und das gilt nicht nur für bekannte Marken, betont auch Hässig, sondern inzwischen für alle handelsüblichen Produkte.

Kleidung hält länger

Ein weiterer Aspekt spricht für das Herunterdrehen auf 30 Grad: Die Wäsche wird sehr viel schonender gewaschen, hält also deutlich länger. Wer weniger Kleidung nachkaufen muss, spart in Folge nicht nur Ressourcen ein und schont so die Umwelt – er spart auch schlicht Geld. Und kann den Lieblingspulli deutlich länger tragen, als es vielleicht sonst der Fall wäre.