Parteichef Lars Klingbeil ordnet die Spitze neu. Die Umstände sind tragikomisch, weil die SPD zwei Probleme hat: Das erste sind die Männer. Das zweite die Frauen.

Liebhaber politischer Heuchelei sollten sich den SPD-Parteitag im Juni fett im Kalender anstreichen. Das darf man nicht verpassen: Parteichef Lars Klingbeil wird sich würdigende Worte zum Abschied seiner Co-Vorsitzenden abringen müssen. Saskia Esken wiederum wird schweigen, jedenfalls zu der Art und Weise, wie sie abserviert wurde. So ist Politik. Machtkämpfe, Gewinner, Verlierer – das gehört dazu, aber auch der Drang, danach alles mit Instant-Harmonie zu übergießen.

SPD: Klingbeil erzählt gerne, dass sich ein Fall Nahles nicht wiederholen soll

Die Neuordnung der SPD-Spitze ist die Wiederaufführung einer Tragikomödie, wie sie die Partei schon einmal erlebt hat, als Andrea Nahles 2019 aus der Politik floh. Der heutige Parteichef Lars Klingbeil war damals Generalsekretär und erzählt gern, dass ihn die Umstände so betroffen gemacht hätten, dass er sie als Parteichef nicht noch einmal erleben wolle. Da kann man nur sagen: Glückwunsch, das hat im Fall Esken richtig gut geklappt.

Was die Dramen in ihrer Führungsetage betrifft, hat die SPD zwei Probleme: Das erste sind die Männer. Und das zweite die Frauen. An der Spitze des ersten Problems steht Lars Klingbeil. Der so besonnen wirkende Niedersachse hat die Spitze erobert, von wo er jetzt politischen Einfluss nimmt oder gewährt. Klingbeil hat um sich herum das geschaffen, was man bei Sebastian Kurz eine Buberlpartie nannte: loyale Männer auf wichtigen Positionen. Natürlich: Die reine Zahl der Frauen im Kabinett entzieht sich jeder Kritik. Aber alle verdanken sie ihre Ämter seinem Wohlwollen.

Klingbeil steht damit in der Tradition seiner Lehrmeister. Auch Gerhard Schröder hatte nicht wenige Frauen um sich, aber dominiert haben seine Regierung Männer wie Otto Schily, Franz Müntefering und Joschka Fischer. Viele SPD-Frauen der Schröder-Zeit sind hingegen in Erinnerung geblieben, weil der Kanzler sie als nervig und anstrengend empfunden haben soll. Das begann bei A wie Andrea Nahles, reichte von Edelgard Bulmahn über Herta Däubler-Gmelin bis zu Z wie Heidemarie Wieczorek-Zeul. Nur einige Ministerpräsidentinnen reüssierten aus eigener Kraft und wussten sehr gut, warum sie Abstand zur Bundes-SPD hielten.

Erst als fünf weitere Männer nach Schröder den SPD-Karren in den Dreck manövriert hatten, durfte Andrea Nahles an den Parteivorsitz – und scheiterte. An sich, klar, an den Männern, aber nicht zuletzt an den Frauen. Wie Esken jetzt auch.

Denn das zweite Problem der SPD sind ihre Frauen, die sich alles gefallen lassen. Man kann Saskia Esken gut finden oder schlecht oder so mittel. Aber wie schon Andrea Nahles in den entscheidenden Auseinandersetzungen konnte auch sie auf eines nicht zählen: die Solidarität der Frauen, als vorne und hinten über sie gelästert wurde. Ja, ein paar haben sich gemeldet, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Frauen zum Beispiel, die ungefähr so bekannt ist wie die CDU-Vorsitzende im Kreisverband Schaumburg. Aber die Frauen mit Einfluss in der SPD ließen die Schmäh-Debatte laufen.

Aber jetzt kommt doch Bärbel Bas! Stimmt. Die künftige Vorsitzende widerlegt allerdings nicht die These von den männlich-verknöcherten Strukturen der SPD, sondern bestätigt sie: Denn Bas ist nur da, wo sie heute ist, weil selbst die SPD-Männer 2021 in letzter Sekunde kapierten, dass sie nicht die drei wichtigsten Ämter – Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundestagspräsident – unter sich aufteilen konnten. So kam Bas ins Amt. Da übrigens hatten sich die Frauen einmal gewehrt.