Nach langer Pause meldet sich Stereolab mit einem neuen Album zurück. „Instant Holograms On Metal Film“ verbindet nostalgische Einflüsse mit optimistischen Botschaften.

Ein Paar, das beschließt, erst einmal auf Abstand zu gehen, bleibt danach meist nicht mehr lange ein Paar. Der Satz „Ich brauche eine Pause von dir“ ist die nette Variante von „Ich hau ab, ruf mich nicht an“. Zu retten ist da nicht mehr viel.

Die Band Stereolab teilte im April 2009 mit, dass ihre Mitglieder jetzt erst mal eine Auszeit voneinander benötigten. Nach 19 gemeinsamen Jahren. Der Manager versuchte, die Fans – und Fans sind für Bands eigentlich das, was Kinder in einer Beziehung sind: der Grund zusammenzubleiben – mit dem Wort „Sabbatical“ zu beschwichtigen: Hey, ist nur eine Phase. Bisschen Kraft tanken, danach geht’s weiter. Ihr werdet sehen. 

Stereolab, im Kern ein Duo, bestehend aus der Sängerin Laetitia Sadier, Französin und Surrealistin, und dem Songwriter Tim Gane, der sich selbst als Gitarristen und Plattensammler beschreibt, hat von den 90er-Jahren an den Indierock in neue Höhen geführt. In ihren Songs flossen Krautrock und Bossa Nova zusammen, mal dröhnten sie wie eine Flugzeugturbine, mal ließ sich dazu gemütlich Shortbread in Earl-Grey-Tee tunken. Irgendwann in den Nullern ließ die Spannkraft ein wenig nach, Stereolab-Lieder klangen da eher wie musikgewordene Tupfbilder, hier noch ein Blauton, da ein zartes Rosé, und so verließ die Band die Bühne nicht mit einem Knall, sondern mit einem Hauch. Die Trennung war für die Kinder, also die Fans, daher nicht so schlimm. 

Stereolab sendeten ein Lebenszeichen

Schon bald aber merkten die Musiker, dass sie von ihren neuen Projekten nicht leben konnten. Überhaupt gibt es in der Geschichte des Pop nur wenige Beispiele dafür, dass ein Neben- größer und besser war als das Hauptprojekt. Oder kennt etwa noch jemand Arcadia, den Zeitvertreib von Simon Le Bon, als es gerade mit Duran Duran nicht weiterging? Für Fans ist das meist so, als bringe Papa eine neue Freundin mit nach Hause. So kam es, dass Stereolab über ihre Homepage und ihren Newsletter bald wieder Lebenszeichen sendeten. Erst brachten sie alle Alben – und es sind viele Alben – neu heraus, jeweils als Dreifach-Vinyl, edel aufgemacht wie ein Designobjekt, das man vorsichtig in die Hand nimmt, fast streichelnd. Hören kann man die Musik ja über Spotify, da geht nix kaputt. Solch ein Unterfangen füllt die Tage und auch die Bandkasse, aber irgendwann ist es abgeschlossen, und dann steht man wieder da mit seinen Nebenprojekten. Warum es nicht noch mal gemeinsam versuchen?

2023, bei einer Rückkehrtour, stellten viele Fans bei ausverkauften Konzerten fest, dass sie Stereolab tatsächlich vermisst hatten, ihr Dröhnen, ihr Pluckern, ihr Zwitschern und ihr Glitzern. Und sah Sadier nicht unverändert glamourös-fantastisch aus? Umgeben war sie von Männern, die rein äußerlich auch Bibliothekare hätten sein können – oder freundlicher: Fußballfans, die seit 30 Jahren bei Wind und Wetter in der Südkurve stehen. Die Musiker waren gealtert, ihre Musik aber klang nahezu alterslos. Sie hatte die 90er-Jahre spielend überlebt. Der nahende Sommer wird zeigen, ob wir das auch über das Comeback von Oasis sagen können. 

Touren ist das eine, da kann man sich zur Not vor und nach der Show aus dem Weg gehen. Aber wirklich wieder ins Studio ziehen? Das wäre wie die Rückkehr in die gemeinsame Wohnung. 

Der Surrealismus liegt der Band

Stereolab haben es getan. 16 Jahre nachdem sie ihre Pause bekannt gegeben hatten, erreichte ihre Newsletter-Abonnenten die Nachricht, dass es ein neues Album geben werde. Auf den Tag genau übrigens – perfekt getimt, als hätte ein Metronom den Takt bestimmt. Der Titel lautet „Instant Holograms on Metal Film“, was immer das sein mag, aber: Der Surrealismus liegt der Band. Noch wichtiger als die Frage, wer alles an der Platte mitgewirkt hat, ist die Aufzählung all der Instrumente, die hier erklingen: Blech- und Holzblasinstrumente in jeder Größe, natürlich das Vibraphone und die Marimba (beide sind Spielarten des Xylophons, zuständig für die guten Schwingungen), und jeder Spezialist für Synthesizer, die zwischen den 60ern und 90ern gebaut wurden, dürfte lang damit beschäftigt sein herauszuhören, welcher Ton von welchem Gerät hier aufploppt. Stereolab: „Instant Holograms on Metal Film“ ist ab dem 23. Mai im Handel
© Duophonic Uhf Disks / Warp Records (Rough Trade)

Die Stile wechseln von Song zu Song, manchmal sogar innerhalb eines Songs. Es sind Lieder von Erwachsenen, die in einem Kaufhaus eingeschlossen wurden und alles ausprobieren wollen, was sich in den Regalen findet. Aber nichts fliegt hier auseinander, alles fügt sich zusammen. Wie Atome es tun, die lange nacheinander gesucht haben. Lieder von Stereolab entsprechen ästhetisch den Möbelstücken aus dem Midcentury: Sie sind so behaglich wie ein Eames-Sessel, so kantig wie ein Stahlstuhl von Herry Bertoia, so organisch geformt wie ein Holzmöbel aus Skandinavien.

Auskunft über sich selbst wollten dem stern weder Sadier noch Gane geben. Sie seien mit den Proben für die anstehende Tournee beschäftigt, ließ das Management ausrichten. Im Musikmagazin „Mojo“ meldete sich Sadier kurz zu Wort mit der Bemerkung, dass das neue Album in eine Zeit falle, in der vielen Menschen die politische Situation als zunehmend absurd erscheine: „Wir sind an dem Punkt, an dem wir die Art, wie eine Gesellschaft am Laufen erhalten wird, radikal neu denken müssen: Weg von der kapitalistischen Ideologie des Wettbewerbs, hin zu einer Idee der Kooperation. Unsere neuen Songs sollen dabei optimistisch und kräftigend wirken.“

Das ist auch eine gute Botschaft für die Fans der frühen Jahre, für die Generation X. Über diese hieß es zuletzt etwa in der „New York Times“ und im „Economist“, ihre Mitglieder seien vom Leben gebeutelt und an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt worden. Sie aber dürften beim Hören von „Instant Holograms on Metal Film“ spüren: Jede Auszeit geht einmal zu Ende, eine Rückkehr ist jederzeit möglich. Im Leben, in der Liebe, im Pop. Eigentlich die beste Nachricht der Woche.

Tourdaten in Deutschland: 
26.5., Köln
28.5., Hamburg
29.5., Berlin 
30.5., Frankfurt 
12.6., München