Harvard-Studenten aus dem Ausland sind nach einem Erlass der US-Regierung seit Donnerstag illegal an der Eliteuni. Ein deutscher Student erzählt, wie er auf den Schock reagiert.

Harvard schmeißt ausländische Studenten raus. Die US-Regierung hat der privaten US-Eliteuniversität am Donnerstag „mit sofortiger Wirkung“ die Immatrikulation ausländischer Studenten verboten. Wer bereits vor Ort ist, müsse an eine andere Universität wechseln oder verliert seinen Aufenthaltsstatus, teilte das zuständige Heimatschutzministerium mit. Ein Harvard-Sprecher erklärte zwar umgehend, dass diese „Racheaktion“ der US-Regierung unrechtmäßig sei und die Universität dagegen vorgehen werde. Doch was kann die Uni erreichen und wann? Was heißt das für die mehr als 6000 ausländischen Studenten, die gerade auf dem Campus sind? 

Capital hat mit einem deutschen Studenten gesprochen, der seit einigen Semestern in Harvard eingeschrieben ist. Er gehört zu der Generation, der exzellent ausgebildeten jungen Deutschen, die mit einem Aufenthalt in Harvard ihre Unizeit krönen und sich damit für höchste Positionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft international empfehlen. Er gehört zu den Menschen, die intelligent, selbstbewusst und mutig ihren Weg gehen. Und doch wagt er es in dieser Lage nicht, offen zu reden. Denn das Harvard-Verdikt der Trump-Regierung hat ihn und seine Kommilitonen eiskalt erwischt. Er versucht die Lage rational zu analysieren, doch das fällt ihm von Stunde zu Stunde schwerer. Nach seiner ersten Einschätzung am Donnerstagabend, sprechen wir ihn ausführlicher am Freitagmittag deutscher Zeit, da ist es bei ihm halb sieben Uhr morgens. Sein Protokoll geben wir zu seinem persönlichen Schutz hier anonym wieder:

„Ich bin gerade erst aufgewacht und sehe, dass ich zahlreiche private Nachrichten und Anfragen bekommen habe. Die Lage ist sehr angespannt, wir suchen alle nach Informationen, wie es nun weitergeht. Niemand von uns will sich öffentlich exponieren. Denn wir bangen alle um unsere Zukunft und ganz akut auch um unsere Abschlussfeier am kommenden Wochenende. Das ist die krönende Zeremonie für alle Harvard-Studenten. Unsere Familien und Freunde sind bereits auf dem Weg, um mit uns zu feiern. Viele fragen schon, ob das noch stattfindet. Viele von uns wollten eigentlich auch nach dem Abschluss an der Uni bleiben, weiter forschen oder auch einen Job in der Wirtschaft antreten. Aber wir wissen alle nicht, was mit uns hier vor Ort passieren wird. 

Daneben habe ich auch viele Freunde im Ausland, die kürzlich erst die Zusage für ein Harvard-Studium bekommen haben und Ende des Jahres hier anfangen wollten. Auch die wissen nicht, was das für sie bedeutet. Es gibt jetzt gerade sehr, sehr viel Unklarheit und Ungewissheit. Gestern dachten viele noch, dass die Uni, das alles schnell klarstellen und mit einer Klage gegen den Erlass richten wird. Aber vom Harvard-Präsidenten haben wir leider bis heute Morgen noch nichts gehört. Auch bei unserer Anlaufstelle, dem Harvard International Office, bekommen wir keine belastbaren Informationen. 

Nach allem was ich bislang weiß, bin ich seit gestern illegal hier. Ich habe zwar ein gültiges Studentenvisum für fünf Jahre, aber das gilt nur in Verbindung mit meiner Harvard-Zulassung. Und die Genehmigung für diese Zulassungen hat das Heimatschutzministerium der Uni gestern mit sofortiger Wirkung entzogen. Es heißt in der Ankündigung zwar, dass die Uni drei Tage Zeit hat, um auf den Erlass zu reagieren. Aber was heißt das für unseren Aufenthaltsstatus in den drei Tagen und was ist dann nach den drei Tagen ab Montag? 

„Es herrscht große Verwirrung und niemand sorgt für Klarheit“

In der Zwischenzeit machten auch Nachrichten von einem kalifornischen Richter die Runde, der erlassen haben soll, dass Studenten, denen das Visum entzogen wurden, nicht verhaftet werden dürfen. Bei uns geht es zwar nicht um die Visa, sondern um die Uni-Zulassung. Aber da nur beides zusammen Gültigkeit hat, stand plötzlich die Frage im Raum, ob auch in unserem Fall über Verhaftungen entschieden werden müsste. Die meisten gehen davon aus, dass sie nicht verhaftet werden, weil wohl kaum morgen auf einen Schlag über 6000 Studierende verhaftet werden. Es herrscht große Verwirrung und niemand sorgt für Klarheit. 

Die offizielle Empfehlung war, dass wir ausländischen Studenten uns die Zulassung von einer anderen Uni besorgen sollen, damit unsere Visa gültig bleiben. Aber das ist für mich und für die meisten, mit denen ich im Austausch stehe, keine Option. Ich wüsste auch gar nicht, wie das gehen sollte und wie ich das noch finanzieren sollte. Einen Anwalt können sich die meisten Studierenden auch nicht leisten, das ist hier in den USA absurd teuer. 

Außerdem fragen sich viel, inwieweit wir dem US-Rechtsstaat noch trauen können. Selbst wenn Harvard gegen den Regierungserlass klagt, sind wir nicht sicher, wie viel Einfluss der Kongress und der Senat in dem Fall und in Zukunft auf die Richter nehmen werden. Der Kampf der Regierung gegen Bildungseinrichtungen und der Einfluss auf das Rechtssystem ergeben mittlerweile ein gruseliges Bild über die Lage und Entwicklung dieses Landes. 

Hoffentlich statuiert Trump nur ein Exempel an Harvard

Die meisten versuchen, ruhig zu bleiben, keine panischen Entscheidungen zu treffen. Ich habe noch nicht gehört, dass jemand ad hoc die Koffer gepackt hat, alle Zukunftspläne über Bord wirft und aus dem Land flüchtet. Viele hoffen, dass die Trump-Regierung jetzt ihre Macht demonstriert, ein Exempel an der größten Uni des Landes statuiert, um den gesamten Bildungssektor einzuschüchtern. Und die meisten gehen davon aus, dass es dann auch für uns ausländischen Studierenden eine Regelung geben wird. 

Aber ich habe meine Entscheidung schon vor einiger Zeit getroffen. Mein Flug geht in drei Wochen. Ich komme wieder nach Deutschland. Mit dem, was hier in den USA seit Monaten passiert, habe ich genug Gründe, warum ich nicht länger im Land bleiben möchte. Und das, was gestern passiert ist, dass wir ausländischen Studenten nicht erwünscht sind, bestärkt mich in dem Beschluss.“