Wieder mal ein Warnstreik an Schulen. Er bringt viele Schüler und Eltern in die Bredouille. Die Gewerkschaft GEW sieht sich zu dem Ausstand gezwungen – zieht aber auch Kritik auf sich.

An etlichen Berliner Schulen fällt bis Donnerstag Unterricht aus. Grund ist ein dreitägiger Warnstreik für bessere Arbeitsbedingungen, zu dem die Gewerkschaft GEW Lehrkräfte, aber auch Erzieher, Sozialpädagogen oder Schulpsychologen aufgerufen hat. Er fing am Dienstag an. 

Flächendeckender Unterrichtsausfall droht zwar nach den Erfahrungen früherer Warnstreiks nicht: Verbeamtete Lehrkräfte dürfen nicht streiken, und von ihren angestellten Kollegen hatte zuletzt immer nur ein Teil die Arbeit ruhen lassen. An manchen Schulen wird an den Streiktagen dennoch gar kein Unterricht angeboten, stattdessen gibt es eine Notbetreuung. Vom Ausstand betroffen ist auch die Hortbetreuung. 

Prüfungen stehen an

Für zusätzliche Diskussionen sorgt, dass der Warnstreik in die zentrale Prüfungsphase fällt. Konkret geht es laut Senatsbildungsverwaltung um Abiturprüfungen in Französisch und Mathematik-Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss (MSA). Gemeinsam mit den Schulen werde alles dafür getan, dass diese Prüfungen unter verlässlichen Bedingungen planmäßig stattfinden, sagte ein Sprecher der Bildungsverwaltung.

Senatorin macht GEW Vorhaltungen

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch kritisierte den Zeitpunkt der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) scharf. Der für den Warnstreik gewählte Zeitpunkt lasse „ein notwendiges Maß an Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität vermissen“, sagte die CDU-Politikerin. 

Tatsächlich müsse man darüber reden, wie man Lehrer entlasten könne, so die Senatorin im RBB-Inforadio. Der Senat habe hier auch schon einiges getan. Aber die Forderungen der Gewerkschaft seien derzeit realitätsfern. Lehrermangel sei ein bundesweites Problem, der Beruf und das entsprechende Studium müssten wieder attraktiver werden.

Gewerkschaft kontert

Die GEW wies die Kritik zurück. „Wir streiken, weil wir nicht mehr anders können“, erklärten die GEW-Landesvorsitzenden Martina Regulin und Gökhan Akgün. Mit dem Warnstreik reagiere die GEW auf „anhaltende Ignoranz der Bildungsverwaltung“ im Hinblick auf die wachsende Arbeitsbelastung im Bildungsbereich.

„Verantwortungslos ist nicht unser Streik, sondern die Verweigerungshaltung der Bildungsverwaltung“, so Akgün. Seit Jahren arbeiteten Lehrkräfte am Limit, doch der Senat ignoriere Verbesserungsvorschläge, sage Gespräche ab und bleibe stumm. Beschäftigte würden durch die bestehenden Bedingungen immer weiter zermürbt. „Der Skandal sind nicht die Streiktage, sondern die Zustände in unseren Schulen“, so Akgün.

Die Lage werde durch bereits umgesetzte und weitere geplante Kürzungen im Bildungsbereich verschärft, ergänzte Regulin. Die GEW werde im Anschluss an den Warnstreik über weitere Eskalationsschritte beraten. „Ohne Druck bewegt sich dieser Senat nicht.“

GEW beißt mit Forderungen seit Jahren auf Granit

Die GEW fordert seit vier Jahren einen sogenannten Tarifvertrag Gesundheitsschutz, der kleinere Klassen und andere Entlastungen für Beschäftigte umfasst. Immer wieder organisierte die Gewerkschaft seither Warnstreiks, um Druck zu machen. 

Sie biss damit beim Senat bislang auf Granit. Dieser vertritt den Standpunkt, Berlin könne nicht über derartige tarifvertragliche Festlegungen verhandeln, weil das Land Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sei. Berlin könne hier keinen Alleingang machen, die TdL müsse über solche Vorhaben entscheiden. 

Eltern fordern andere Protestformen 

Berlins Elternvertretung rief beide Seiten dazu auf, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. „Wir stehen weiter hinter dem Anliegen der GEW, den Weg dorthin teilen wir aber nicht“, sagte der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Norman Heise, der Deutschen Presse-Agentur. Er regte an, statt wiederholter Streiks andere Protestformen zu wählen und dabei Eltern und andere Akteure einzubeziehen. Denkbar sei etwa ein Aktionstag an einem Samstag. 

Problem Lehrermangel

Für kleinere Klassen wären mehr Lehrkräfte nötig. In Berlin – wie auch in anderen Bundesländern – herrscht Lehrermangel. Der wiederum ist die Ursache dafür, dass sich nicht wenige Beschäftigte an Schulen überlastet fühlen. Das hatte kürzlich eine von der GEW in Auftrag gegebene Studie auch wissenschaftlich belegt. 

Im laufenden Schuljahr arbeiten an Berlins Schulen nach Angaben der Bildungsverwaltung rund 35.900 Lehrkräfte. Etwa 20.900 von ihnen, also knapp 60 Prozent, sind angestellte Tarifbeschäftigte. Die übrigen 15.000, also gut 40 Prozent, sind verbeamtet – Tendenz steigend.