Der King of Schmusesongs, Enrique Iglesias, feiert seinen 50. Geburtstag. Beim Betrachten seiner 2000er-Videoclips kommt ein Gefühl hoch: die Sehnsucht nach dem Knutschen.
Als Enrique Iglesias Anfang der Zweitausender weltweit als Popsänger durchstartet, haftet ihm gleich noch eine zweite Berufsbezeichnung an: „Latin Lover“. Der Begriff, bei dem man heute zusammenzuckt, war Teil eines Images, das für ihn nur logisch erschien. Seinem berühmten Vater Julio Iglesias sagte man schließlich nach, er habe mit 3000 Frauen geschlafen.
In den Musikvideos von Enrique war alles auf Verführung programmiert: sexuell aufgeladene Clubatmosphäre, sein Schmuseblick, der die tanzende Masse scannt – es dauert nicht lange, bis sich eine Schönheit an seinen Lippen verfängt. „Te quiero, amor mio!“
Enrique Iglesias küsst von außen betrachtet so, als sei das tatsächlich sein Zweitjob. Als fortgeschrittener Küsser macht er die Geste, die in Knutsch-Guides von Jugend- und Lifestylemagazinen stets hochgepriesen wurde: Nimm das Gesicht deines Schwarms sacht in beide Hände, bevor du es dann nicht mehr ganz so sacht zu dir heranziehst.
Und dann: Lippen vereinigen sich. Zungen auch. Boom! Hände wandern. Klamotten werden verrückt. Hormonrauschen. Ein Kribbeln weiter unten.
Enrique Iglesias Liebe konnte keine entkommen
An den Clips könnte man, wenn man wollte, heute Anstoß nehmen. Im Gegensatz zu den Frauen um ihn herum, ist Iglesias sehr angezogen. Eine Zeile seines Megahits „Escape“ lautet: „You can run, you can hide, but you can’t escape my love“ – „Du kannst rennen, dich verstecken, aber meiner Liebe entkommst du nicht.“ Heute interpretiert man so etwas als „übergriffig“. Die blonde Frau, über die er sich im Video zu „Escape“ beugt, zunächst auf einem Waschbecken, später auf einem Autositz, war die damalige Tennisspielerin Anna Kurnikowa. Sie wurde seine Frau und ist es noch immer. Die beiden sind glücklich verliebt wie am ersten Tag, behauptet die „Gala“.
Im Clip zum unglaublich schnulzigen, aber – heute darf man das zugeben – doch ganz schönen Song „Heros“, kam Iglesias Schauspielerin Jennifer Love Hewitt näher und machte große Versprechungen: „Ich kann dein Held sein, Baby. Ich kann den Schmerz wegküssen.“ Am Ende der Gangsterstory stirbt er in ihren Armen, dazwischen: zarte Küsse, leidenschaftliche Küsse, Beinaheküsse. Und man kann sich heute noch fragen, warum Iglesias in der Wüste eigentlich eine Wollmütze trug.
Neben Enrique Iglesias knutschten sich noch andere durch Musikvideos
Knutschen ist Retro. Und die 2000er waren, popkulturell betrachtet, eine reine Kussorgie. Im Video zum Trennungssong „Goodbye my Lover“ wälzte sich James Blunt mit „O.C. California“-Star Mischa Barton über weiße Laken, was hübsch aussah, doch traurig klang. „Ich bin so leer, Baby, so leer“, sang Blunt.
Unvergessen auch die Knutscherei zwischen Maroon-5-Sänger Adam Levine und seiner damaligen Modelfreundin Kelly McKee, die streng genommen eher einem Vorspiel glich. Beide tragen im Clip zu „This Love“ aus dem Jahr 2002 nur noch Unterhosen, was aus Teenagersicht damals atemberaubend sexy war.
Im selben Jahr provozierte das russische Duo „t.A.T.u“ mit seinem Song „All the Things She Said“ als Schulmädchen, die sich im Regen küssen. Einige Musiksender zeigten das Video nur zensiert, später kam heraus, dass Lena Katina und Yulia Volkova gar nicht lesbisch sind. Trotzdem war „All The Things She Said“ einer der ersten Songs, in dem eine lesbische Liebesgeschichte erzählt wurde.
Und dann gab es natürlich noch Katy Perry. In ihrem Hit „I kissed a Girl“, träumt sie davon, eine Frau zu küssen, die nach Kirsch-Lippenbalsam schmeckt. Im Video passiert – leider – nichts dergleichen.
Zu den unausgesprochenen Wahrheiten der Liebe gehört, dass der Drang zum Knutschen radikal nachlässt. Nicht plötzlich, es schleicht sich aus. Schon bald hat man sich genug geschmeckt, wund geküsst, platt gelegen. Aus magnetischen Mündern werden wieder zwei, es folgen vertraute Küsse, Küsschen gar. Auch schön. Aber so wie in den ersten Wochen wird’s nie mehr. Deshalb sollte man sich ab und zu alte Videos von Enrique Iglesias angucken. Schwelgen. Und das Flämmchen auflodern lassen. Immer und immer wieder.