Erschütternder Prozessauftakt in Gießen: Ein Paar soll eine Mieterin nach monatelangen Misshandlungen umgebracht haben – um die Straftaten zu verdecken. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe.
Sie sollen eine 55-jährige Frau monatelang gequält und schließlich ermordet haben – jetzt hat der Prozess gegen die beiden früheren Vermieter der Frau vor dem Landgericht Gießen begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 58-jährigen Mann und seiner 44 Jahre alten Lebensgefährtin gemeinschaftlichen Mord durch Unterlassen sowie gefährliche Körperverletzung vor.
Als Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger die erschütternde Anklage verliest, geht immer wieder ein Raunen durch den Gerichtssaal. Die 55-Jährige, die das Down-Syndrom hatte, soll gut drei Monate vor der Tat von den beiden Angeklagten mit deutscher Staatsangehörigkeit unter einem Vorwand in ein Haus im Lauterbacher Ortsteil Wernges (Vogelsbergkreis) gelockt worden sein und dort als Mieterin des Paares gewohnt haben. Mit ihrem Zuzug habe ein von Gewalt und Erniedrigungen geprägtes „Martyrium“ für die Frau begonnen, sagt Hauburger.
Verbale Erniedrigungen und körperliche Übergriffe
Regelmäßig sollen die Angeklagten das Opfer eingesperrt und ihre Tür mit Panzertape verklebt haben. Beim Duschen oder bei Toilettengängen habe die Frau unter permanenter Beobachtung gestanden. Zu den verbalen Erniedrigungen hätten Ausdrücke wie „Missgeburt“ und „Drecksvieh“ gehört, der Frau sei Hundefutter zu essen gegeben worden.
Auch körperlichen Übergriffen wie Schlägen gegen den Kopf sei die 55-Jährige ausgesetzt gewesen, sagt Hauburger. Sogar ein Hund sei auf die Frau gehetzt worden, die dadurch Bissverletzungen und Hämatome davongetragen habe. Zudem sollen die Angeklagten der Frau immer wieder starke Neuroleptika verabreicht haben, wodurch es zu Kot- und Urinabgängen gekommen und die Frau zeitweise in apathische Zustände gefallen sei.
Zu einem solchen Vorfall soll es auch am 20. Januar vergangenen Jahres gekommen sein. Weil die Angeklagten zum Schwimmen hätten gehen wollen, sollen sie der Frau mindestens 47 Tabletten verschiedener Psychopharmaka gegeben. Die Frau habe dadurch das Bewusstsein verloren. Das Paar habe jedoch entschieden, keine ärztliche Hilfe zu holen, so der Oberstaatsanwalt. Die Frau sei daraufhin am 23. Januar 2024 gestorben.
Angeklagter soll Leichnam zerteilt haben
Die Leiche sollen die Angeklagten zunächst im Keller untergebracht haben, wo der 58-Jährige sie zerteilt und in ein Fass gepackt haben soll. Den Kopf und die Extremitäten habe der Mann später in ein Waldstück bei Schlitz in Osthessen gebracht, so Hauburger.
Der Oberstaatsanwalt geht davon aus, dass es sich um einen sogenannten „Verdeckungsmord“ handelt. Mit der Tötung hätten die Angeklagten vermutlich die vorangegangenen Misshandlungen verdecken wollen. Darauf sollen auch knapp 22.000 Chatnachrichten auf dem Mobiltelefon der Angeklagten hinweisen, die bei den Ermittlungen ausgewertet wurden.
Angeklagte bestritten Vorwürfe
Das Paar hatte bestritten, für den Tod der Frau verantwortlich zu sein. Zum Prozessauftakt erklärte die Verteidigerin der 44-Jährigen, ihre Mandantin werde weder Angaben zu ihrer Person noch zur Sache machen. Der 58-Jährige ließ über seinen Verteidiger erklären, dass er die Vorwürfe pauschal bestreite.
Der Fall war Anfang Juli vergangenen Jahres ins Rollen gekommen, nachdem eine Polizeistreife zu einem Streit zwischen dem Paar und einem ehemaligen Mieter gerufen wurde. Dieser hatte der Polizei nach deren Angaben erzählt, dass sich in dem Haus bis Anfang 2024 noch eine geistig beeinträchtige Frau aufgehalten habe. Es habe körperliche Übergriffe gegen die 55-Jährige gegeben, die plötzlich verschwunden sei. Die Ermittler hatten danach Zeugen befragt und schließlich das Haus durchsucht. Beteiligt war seinerzeit auch ein Spezialeinsatzkommando.
Die Anklageschrift zu dem voraussichtlich umfassenden Prozess hat laut Staatsanwaltschaft 109 Seiten. 90 Zeugen und sechs Sachverständige seien aufgeführt. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft hatten die Angeklagten, die in Untersuchungshaft sitzen, seit Ende 2015 an insgesamt 26 Personen vermietet. Dabei soll es ebenfalls zu Körperverletzungen, Bedrohungen und Beleidigungen gekommen sein. Entsprechende Ermittlungsverfahren wurden eingeleitet. Der Prozess soll am 16. Mai um 9.00 Uhr fortgesetzt werden.