Über Jahrhunderte stellte eine mysteriöse Mumie in Österreich die Wissenschaft vor ein Rätsel. Nun haben Forscher herausgefunden, warum sie so gut erhalten ist.

Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München haben ein Jahrhunderte altes Rätsel um eine österreichische Mumie gelöst. Der als „luftg’selchte Pfarrer“ bekannte Leichnam in der Gruft der Pfarrkirche zu St. Thomas am Blasenstein – einem kleinen Dorf in Oberösterreich – bereitete Generationen von Forschern Kopfzerbrechen. Und das aus mehreren Gründen. 

Zum einen war seine Identität unklar. Noch mysteriöser aber war der Umstand, dass die Leiche keinerlei Anzeichen von Mumifizierungsmaßnahmen zeigte – was ihr ihre Spitznamen einbrachte: „Der ledernde Franz“ nannte manche Anwohner ihn, „Der luftgetrocknete Kaplan“ setzte sich vor allem im Englischen durch. Nun aber konnte die Forscher der LMU für Aufklärung sorgen. 

Um Mumie in Oberösterreich ranken sich viele Mythen

Über Jahre rankten sich die wildesten Theorien über die Mumie. Wie konnte sie so außergewöhnlich gut erhalten sein? Manche gingen davon aus, dass ein Luftzug die Leiche mumifiziert habe, andere glaubten an Radioaktivität, die den Körper konservierte. Ebenso viele Legenden gab es darüber, wer der Mann ist, der da in dem Glaskasten unter der Kirche liegt. 

Ein Geistlicher müsse er gewesen sein, da waren sich die meisten einig. Heute schreiben die meisten Experten den Leichnam dem adeligen Pfarrer Franz Xaver Sidler (in manchen Schriften „Sydler“) von Rosenegg, der 1746 im Alter von 37 Jahren starb.

Sein Gebiss wirkt auch heute noch makellos, er trägt vier Lagen an Kleidung, Lederhosen und Lederschuhe. In seiner Nähe sei es zu Wunderheilungen gekommen, so eine Erzählung, wie der „Standard“ berichtet. 

Die Legenden gehen bis ins Jahr 1850 zurück. Er sei an Epilepsie gestorben, wollten manche gehört haben, andere berichteten von einer Infektionskrankheit. Und wie es mit uralten Legenden nun mal ist: Jeder hat seine eigene Version zu erzählen. 

Grund genug für Andreas Nerlich, Pathologe an der LMU, den Leichnam zu untersuchen. Gemeinsam mit seinem Team veröffentlichte er nun eine Studie in der Fachzeitschrift „Frontiers in Medicine„. Die Wissenschaftler fanden darin die Antwort auf eine der wichtigsten Fragen rund um die Mumie: Wie konnte sie so lange so gut erhalten bleiben?

Forscher entdecken außergewöhnliche Art der Einbalsamierung

Bei der Renovierung der Gruft erhielten die Forscher die Genehmigung, den Leichnam genau zu untersuchen. Sie führten eine Teilautopsie und mehrere CT-Scans durch. Dabei stellten sie Erstaunliches fest: „Unsere Untersuchung ergab, dass der hervorragende Erhaltungszustand auf eine ungewöhnliche Art der Einbalsamierung zurückzuführen ist, bei der der Unterleib durch das Rektum mit Holzspänen, Zweigen und Stoffen ausgestopft und zur inneren Trocknung mit Zinkchlorid versetzt wurde“, erklärte Nerlich dem „Standard„. 

Im Bauch- und Beckenraum des Pfarrers hätten die Forscher eine Vielzahl an Fremdkörpern gefunden. Darunter Holzspäne von Tannen und Fichten, Fragmente von Ästen sowie verschiedene Stoffe, wie Leinen, Hanf und Flachs.

„Offensichtlich haben die Holzspäne, Zweige und trockenen Stoffe einen Großteil der Flüssigkeit in der Bauchhöhle aufgesaugt“, so der Pathologe weiter.

Diese Art der Einbalsamierung wirkt wie ein Novum in Europa. Normalerweise wurden die Leichen geöffnet, um sie zu mumifizieren. Nerlich meint aber: „Diese Art der Konservierung war möglicherweise viel weiter verbreitet, könnte aber unentdeckt geblieben sein aufgrund fortschreitender postmortaler Verwesungsprozesse, die die Körperwand beschädigt haben.“

Sidler war offenbar Pfeifenraucher und starb in Folge einer Tuberkulose

Neben der Einbalsamierung konnte die Forscher auch Erkenntnisse zum Lebensstil und zur mutmaßlichen Todesursache Sidlers erlangen. Demnach habe er weitgehend wenig Stress gehabt, sich von lokalem Getreide und Fleisch ernährt und war offenbar Pfeifenraucher. Dafür spricht die Abnutzung der Schneidezähne und dass er an einer chronischen Nasen-Nebenhöhlen-Entzündung gelitten habe. 

Gegen Ende seines Lebens sei er an einer Lungentuberkulose erkrankt. Die Todesursache war offenbar ein Blutsturz in Zusammenhang mit seiner Infektion. 

Ungeklärt bleibt allerdings, warum der Leichnam nicht begraben, sondern einbalsamiert aufgebahrt wurde. Einige Schriften weisen darauf hin, dass er für den Transport in seine Heimatabtei Stift Waldhausen im Strudengau präpariert wurde, dieser aber aus unbekannten Gründen scheiterte.