Weiterbildung zur Fachkraft für Rechtsextremismusprävention – was sperrig klingt, ist ein in der Form bundesweit einzigartiges Angebot etwa für kommunale Beschäftigte und soll im Joballtag helfen.
Eine Präsentation zeigt zwei Bilder. Eines mit dem für tödliche Anschläge auf zwei Moscheen in Neuseeland zu lebenslanger Haft verurteilten Rechtsextremisten Brenton Tarrant, eines mit der rechtsnationalen Politikerin Marine Le Pen aus Frankreich. Beide zeigen eine Geste, die der neonazistischen „White Power“-Bewegung zugeordnet wird.
Viele Menschen verstehen unter dem Handzeichen mit den drei ausgestreckten Fingern und einem zu einem O geformten Zeigefinger und Daumen nur ein „Okay“ oder „Gut“. Das Beispiel zeigt, wie präsent gewisse Gesten der rechtsextremistischen Szene sind und wie verborgen zugleich.
Die Präsentation ist Teil eines Vortrags von Matthias Meyer. Er ist vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena und an diesem Tag zu Gast bei der Weiterbildung zur Fachkraft für Rechtsextremismusprävention am Weiterbildungszentrum Ingelheim (WBZ). Es sei ganz typisch, dass die rechtsextremistische Szene weit verbreitete Zeichen umdeute, sagt er.
Teilnehmerin: „Das schockt mich jetzt“
Meyer spricht über einflussreiche rechte Blogger aus den USA, von Geldflüssen in die außerparlamentarische Rechte in Deutschland und von Kampfsportclubs, die als Szene-Treffs fungieren. Es geht darum, wie weit Verbindungen in der Szene reichen, wie straff sie sind. Das drückt die Stimmung unter den Teilnehmern der Weiterbildung, es ist still im Raum. „Das schockt mich jetzt“, sagt eine. Eine andere fragt, wie man da zuversichtlich bleiben könne.
Der Kurs im WBZ, der schon mit dem Weiterbildungspreis des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet wurde, richtet sich an Menschen, die sich beruflich oder ehrenamtlich mit Rechtsextremismus auseinandersetzen, wie Florian Pfeil erklärt, Geschäftsführer des WBZ und Leiter der Fridtjof-Nansen-Akademie für politische Bildung. Das könnten etwa Lehrerinnen und Lehrer sein, Polizistinnen und Polizisten oder Menschen aus der sozialen Arbeit.
Rechtsextremismus kommt subtiler daher
Es geht um Fachwissen über Rechtsextremismus sowie Methoden für den Umgang damit. Unter den Referenten sind neben Pfeil selbst Vertreter von Hochschulen, Forschungseinrichtungen, aber auch des Verfassungsschutzes. Es geht etwa um rechtsextreme Musik, um neuere Organisationsformen im Rechtsextremismus und wie diese daherkommen.
Es werde nicht mehr gesagt, dass Menschen mehr wert seien als andere, sagt Meyer. Es werde betont, dass alle gleichwertig seien, ein Zusammenleben jedoch unmöglich sei. Der Rechtsextremismus hat demnach ein subtileres, in gewisser Weise versteckteres, nicht mehr so leicht erkennbares Gesicht. Es sei nicht mehr von Rasse, sondern Kultur die Rede, aber gemeint sei das Gleiche, erklärt Meyer. Das setze auf eine Stimmung bei Menschen auf, dass Deutschland vor die Hunde gehe, obwohl man es selbst noch gut habe.
Sozialarbeiterin: „Das Thema Rassismus ist leider ein großes“
Gegen solche Einstellungen müsse argumentiert werden, sagt Stephanie Feuffel, Sozialarbeiterin beim Kinder- und Jugendbüro der Verbandsgemeinde Rhein-Selz im rheinhessischen Oppenheim und Teilnehmerin der Weiterbildung. Sie kenne viele Jugendliche, die Stammtischparolen Zuhause hörten. Auch trügen sie häufig fragwürdige Inhalte in sozialen Netzwerken weiter, ohne sie zu hinterfragen. Das geschehe oft nicht aus böser Absicht, sondern Unbedarftheit. Insofern müsse viel miteinander gesprochen werden, ohne erhobenen Zeigefinger, sagt Feuffel. „Das Thema Rassismus ist leider ein großes.“
Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) betont, junge Menschen seien in sozialen Medien leicht rechtsextremen, menschenfeindlichen Inhalten ausgesetzt. Oft seien diese subtil verpackt und emotional aufgeladen. Hier müsse Präventionsarbeit ansetzen, mit Aufklärung, Stärkung der Medienkompetenz und dem Schaffen von Räumen, in denen Jugendliche eigene Erfahrungen reflektieren könnten. Im LSJV ist auch das Demokratiezentrum Rheinland-Pfalz angesiedelt, das seinerseits Fortbildungen und Workshops zu Prävention, Radikalisierung und Extremismus anbietet.
Die eigene Biografie kritisch hinterfragen
Cornelia Dold vom „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz“ in Mainz stellt bei der Weiterbildung eine Methode namens „Ein Date mit Chris“ vor. Teilnehmerinnen und Teilnehmer bleiben sie selbst und versetzen sich in die Situation, eine Person namens Chris zu daten. Chris könne eine Transperson sein, ein Geflüchteter, eine Muslima mit Kopftuch oder eine Studentin, sagt Dold.
Dann werden Fragen durchgegangen: Kannst Du mit Chris Händchen halten, Chris heiraten oder deiner Familie vorstellen? Es gehe um gesellschaftliche und juristische Fragen, die eigene Biografie solle kritisch hinterfragt werden. „Jeder von uns hat Stereotype im Kopf, die einer Reflexion bedürfen“, sagt Dold.
Pfeil vom WBZ ist es wichtig, dass die Teilnehmergruppe bei der Weiterbildung möglichst divers ist. Einmal seien ein Polizeiausbilder aus einem Nazi-Kiez und ein Mensch aus der Antifa-Szene dabei gewesen. Die Diskussion zwischen beiden sei in der Sache hart gewesen, der Umgang miteinander respektvoll. Die eine Seite habe erlebt, dass nicht jeder Polizist, der eine Nazi-Demo schütze, rechts denke. Die andere Seite habe erlebt, dass nicht jeder Teilnehmer einer linken Demo mit schwarzem Pullover ein Steinewerfer sei.
Land unterstützt finanziell
Die Weiterbildung umfasst fünf Blöcke mit jeweils zwei Tagen, hinzu kommt eine Abschlussarbeit. Das von der Fridtjof-Nansen-Akademie im WBZ in Kooperation mit dem Innenministerium entwickelte Konzept stammt aus dem Jahr 2020. Beteiligt waren auf Seiten des Ministeriums die beim Verfassungsschutz eingerichtete Präventionsagentur gegen Extremismus sowie die Leitstelle Kriminalprävention. Das Projekt wird von Beginn an vom Ministerium finanziell unterstützt, 2024 flossen den Angaben zufolge 13.500 Euro.
Für den Verfassungsschutz stehe die Wichtigkeit des Angebots außer Frage, teilt das Innenministerium mit und verweist auf eine zunehmende Radikalisierung und Virtualisierung der Szene sowie stetig steigende Zahlen rechtsmotivierter Straf- und Gewalttaten. Bei der Vorstellung des jüngsten Verfassungsschutzberichts für Rheinland-Pfalz hatte Innenminister Michael Ebling (SPD) gesagt, der Rechtsextremismus sei sehr mobilisierungsfähig, finde „immer leichter Anschluss auch in Richtung nicht-extremistischer Milieus“. Laut Bericht wurden 2023 insgesamt 1.245 Fälle von politisch motivierter Kriminalität aus dem Spektrum des Rechtsextremismus gezählt – 740 mehr als im Jahr davor.