Es war ein Spiel auf Leben und Tod – sie hat es verloren. Die stimmgewaltige Amy Winehouse lebte exzessiv, liebte ehrlich und starb einsam.
Einmal schien sie frei und glücklich. Auf St. Lucia war das, einer zauberhaften Karibikinsel, die sie als Rückzugsort gewählt hatte – und für den Drogenentzug. Nach Wochen in einer Klinik, wo sie vom Heroin entwöhnt wurde, war sie clean. Und nur noch Amy, nicht mehr die Winehouse, der berühmte Popstar. Sie trug weniger Make-up und die sonst so hochtoupierten Haare lockig und schulterlang. Amy Winehouse ritt auf einem Pferd über die Insel und ließ sich am Strand im Sand einbuddeln. Von ihren Freunden, die mit ihr dorthin gereist waren. Einer davon, der Fotograf Blake Wood, machte Bilder von ihr, die eine junge Frau zeigen, deren jadegrüne Augen selten so klar waren wie hier.
Doch sie trank. „Es gab immer und überall Drinks und niemanden, der sie ihr verweigerte“, erinnert sich Wood. Als er einmal versuchte, Winehouse das volle Glas wegzunehmen, ranzte sie ihn an: „Willst du vielleicht ewig leben?“
Sie passte zu Janis Joplin, Jim Morrison, Jimi Hendrix
Amy Winehouse war ein Popstar wie aus einer anderen Zeit. Sie hätte in die späten Sechziger-, die frühen Siebzigerjahre gepasst, zu Janis Joplin, Jim Morrison, Jimi Hendrix – musikalischen Genies, die auf dem Pfad der Selbstzerstörung waren: Drogen, Alkohol. Sie starben an Überdosen, den Folgen ihrer Sucht. Bei Winehouse war es letztlich der Alkohol, der sie tötete: Sie hatte ein paar Wochen nicht getrunken, als sie am 20. Juli 2011 doch wieder einen Drink nahm. Und noch einen. Als man Winehouse leblos auffand, neben ihr drei leere Flaschen Wodka, hatte sie 4,16 Promille im Blut. Sie wurde nur 27 Jahre alt.
Ihre Karriere war nicht lang, aber groß. Winehouse hatte eine unverwechselbare Stimme; „brassy“ war die, wie die Engländer sagen, sehr wahrhaftig und ein bisschen ordinär. „They tried to make me go to rehab, I said no, no no“, so beginnt ihr Song „Rehab“. Mit ihm gelang Winehouse der internationale Durchbruch. Bei der Grammy-Verleihung 2008 wurde sie fünfmal ausgezeichnet, konnte aber nicht persönlich dabei sein: Wegen ihrer Drogenprobleme bekam sie kein Visum für die USA.
Zu oft stand sie auf der Bühne, dicht bis unter die Haarwurzeln ihrer Beehive-Frisur, diesem Bienenstock, den schon Audrey Hepburn auf dem Kopf trug. Amy Winehouse’ Haare waren ein Indikator für ihren Seelenzustand: „Je kleiner mein Selbstbewusstsein, desto höher muss meine Stylistin meine Haare toupieren“, hat sie einmal gesagt. Größer wirkte die 1,60 Meter kleine Britin damit durchaus. Doch schien sie auf der Bühne oft wie von einer Schaumstoffmauer umgeben, gegen die sie taumelte. Sie sang zu schnell, ihre Band kam kaum mit, wechselte irritierte Blicke. Oft kam es nicht einmal zum Auftritt, weil ihr Management sie kurz vorher aus dem Verkehr zog, so zugedröhnt war Winehouse.
Amy Winehouse litt an Bulimie, verletzte sich selbst
Ihr Problem: Der Mann, den sie liebte, meinte es nicht gut mit ihr. Blake Fielder-Civil, mit dem sie von 2007 bis 2009 verheiratet war, gestand später, Winehouse an harte Drogen herangeführt zu haben. Auch habe er sie mehrfach daran gehindert, eine Entziehungskur zu machen. Vielleicht hat sie einen wie ihn aber auch gesucht. „Seit ich ein Teenager bin, habe ich das Gefühl, dass eine schwarze Wolke über mir hängt“, sagte sie. Dazu passte – er. Erst als sich Winehouse Ende 2008 von Fielder-Civil trennte, schaffte sie es, vom Heroin loszukommen. Dafür litt sie an Bulimie, verletzte sich immer wieder selbst.
Amy Winehouse brachte nur zwei Alben heraus; das zweite, „Back to Black“, wurde mit Preisen überschüttet. Man hätte ihr gewünscht, dass sie ihren Erfolg genießen, dass sie sich feiern kann, so wie ihre Fans sie gefeiert haben. Was bleibt, sind ihre Songs, ihre Stimme, ihre Seele, die sie in jedes Lied gelegt hat. Für die Ewigkeit.