Eine Überdosis Paracetamol konsumieren und überleben – bei dieser Tiktok-Challenge riskieren Kinder und Jugendliche für ein paar Likes ihr Leben. Was Eltern dagegen tun können.

Früher fanden Mutproben auf dem Schulhof statt, heutzutage verlagern sie sich mehr und mehr in die Online-Welt. Auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok verbreiten sich sogenannte Challenges wie Lauffeuer – und manche von ihnen sind lebensgefährlich. Eine dieser besorgniserregenden Mutproben, die derzeit die Runde macht, nennt sich Paracetamol-Challenge. Dabei geht es darum, mutwillig eine Überdosis Paracetamol zu konsumieren und, so beschrieb es der Verband Pharma Deutschland in einer Mitteilung, „eine möglichst hohe Dosis zu überleben“. Die Kinder und Jugendlichen spielen wissentlich mit ihrem Leben. 

Ein Überblick darüber, welche Symptome bei einer Paracetamol-Vergiftung auftreten, welchen Schaden sie im Körper anrichten kann und was Eltern tun können, um ihre Kinder zu schützen.

Wann Paracetamol lebensgefährlich wird

Paracetamol ist ein frei verkäufliches Medikament, das zur Behandlung von leichten bis mäßigen Schmerzen eingesetzt wird – beispielsweise bei Kopf- oder Zahnschmerzen – und auch als Fiebersenker. Wird Paracetamol ordnungsgemäß konsumiert, wird der Wirkstoff in der Leber abgebaut und über die Nieren ausgeschieden. Bereits bei therapeutischen Mengen wird allerdings auch ein kleiner Teil des Wirkstoffs in einen Giftstoff (NAPQI) umgewandelt, der aber von dem körpereigenen Antioxidans Glutathion neutralisiert und unschädlich gemacht wird. 

Wird Paracetamol aber im Übermaß und missbräuchlich eingenommen, kommt es zu einem Ungleichgewicht an NAPQI und Glutathion. Die Folge: Das Antioxidans kann die produzierte Menge des Giftstoffs nicht mehr neutralisieren. Dadurch kann es zu einer nachhaltigen Schädigung des Körpers und gravierende irreparable Schäden an Leber aber auch anderen Organen wie Niere und Pankreas kommen. Im schlimmsten Fall führt eine Paracetamol-Vergiftung zu Organversagen und dem Tod.

Die Stadien der Vergiftungs-Symptome

Da Lebensgefahr besteht, sollte, sobald der Verdacht einer Vergiftung aufkommt, medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden. Die Symptome einer Paracetamol-Vergiftung treten in der Regel in vier Stadien auf:

Stadium I (0-24 Stunden): Appetitlosigkeit, Übelkeit, ErbrechenStadium II (24-72 Stunden): Schmerzen im Oberbauch, erhöhte LeberwerteStadium III (72-96 Stunden): Erbbrechen, Symptome von Leberversagen, auch Nierenversagen und BauchspeicheldrüsenentzündungStadium IV (> 5 Tage): In der Regel kommt es im vierten Stadium des Vergiftungsverlaufs entweder zu einer gesundheitlichen Besserung und Regeneration des Leberschadens, oder der Leberschaden entwickelt sich zum Multiorganversagen. Das Multiorganversagen kann tödlich enden.

Was eine Paracetamol-Vergiftung zusätzlich gefährlich macht: Der Krankheitsverlauf ist meist schleichend. Es können bis zu zwei Tage vergehen, bis überhaupt Symptome auftreten – und die sind oftmals unspezifisch. 

So können Eltern ihre Kinder vor gefährlichen Challenges schützen

Social-Media-Challenges sind nicht neu – auch potenziell tödliche nicht. So hat die Landesmedienanstalt NRW im Rahmen einer Untersuchung zu Tiktok-Challenges herausgefunden, dass jedes dritte der ausgewerteten Videos Mutproben enthält, die potenziell schädlich sein können. Ein Prozent der Videos zeigten demnach potenziell tödliche Challenges.

Was können Eltern tun, um zu verhindern, dass ihre Kinder bei solchen Mutproben mitmachen? Die EU-Initiative klicksafe für mehr Sicherheit im Netz rät:

Vertrauensvolle Ansprechpartner sein: Dazu gehört einerseits, mit den Kindern und Jugendlichen im Gespräch zu bleiben, um überhaupt zu erfahren, welche Mutproben angesagt sind. Andererseits sollten solche Challenges von Eltern nicht pauschal verurteilt werden. Besser: dabei helfen, sichere Challenges zu finden. Kompetente Hilfestellung: Eltern und Erziehungsberechtigte sollten sich selbst mit den entsprechenden Plattformen auseinandersetzen, um kompetente Ratschläge geben zu können und sich nicht direkt durch Unwissenheit auf diesem Themengebiet als Gesprächspartner zu disqualifizieren. Auch anonyme Hilfsangebote für Kinder wie nummergegenkummer.de und juuuport.de können alternativ als Ansprechpartner dienen.Kritisches Denkvermögen vermitteln: Dabei unterstützen, dass Kinder und Jugendliche in der Lage sind, das Gesehene selbst kritisch zu hinterfragen. Das ermöglicht es ihnen, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass im Rahmen solcher Mutproben auch viele Fake-Videos kursieren. Die Gefahr deutlich machen: Eltern sollten ihre Kinder darin bestärken, weder sich selbst noch andere in Gefahr zu bringen – auch bei Gruppendruck. Es sollte außerdem darüber aufgeklärt werden, dass schon das Teilen von solchen Challenges gefährlich ist, weil sie sich so noch weiter verbreiten können. Ruhig bleiben: Bekommen Eltern mit, dass eine schädliche Challenge die Runde macht, sollten sie diese Information an andere Eltern und auch die Klassenleitung „ruhig und besonnen“ weitergeben. Solche Mutproben können auch direkt auf internet-beschwerdestelle.de und jugendschutz.net gemeldet werden.

Quelle: Klicksafe, Landesmedienanstalt NRW,Juuuport, Jugendschutz, Nummer gegen Kummer, Internet-Beschwerdestelle, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, MSD, DocCheck, Pharma Deutschland, Leberhilfe