In einer ARD-Show werden ohne jede Vorwarnung sowohl das Z- als auch das N-Wort genutzt. Wie kann das immer noch passieren? Unsere Autorin findet: Wir haben nichts gelernt.
Dieter Hallervorden nutzt das N-Wort im deutschen Fernsehen. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. In einer Jubiläumsshow, die auf 75 Jahre Fernsehgeschichte zurückblickt. Es folgen: Kritik, eine Rechtfertigung von Seiten Hallervordens und der ARD. Das war’s. Und ich stelle mir die Frage: Haben wir in all den Jahren tatsächlich nichts gelernt?
Dass Hallervorden mit seinem „Humor“ gerne mal entgleist und fragwürdige Witze macht, ist nicht neu. Viele alteingesessene Komiker versuchen, mit Sketchen über Minderheiten zumindest die weiße Mehrheitsgesellschaft noch mit einem Lachen abzuholen. Das ist nicht nur, wie meine Kollegin Wiebke Tomescheit schrieb, eine „Respektlosigkeit und Minderheiten-Bashing“, es ist im Falle von Hallervorden ganz klar rassistisch und diskriminierend.
Die ARD verteidigt den rassistischen Sketch von Dieter Hallervorden
Was die Angelegenheit jedoch zu einem Politikum macht, ist die Tatsache, dass die ARD auch noch versucht, den Sketch zu rechtfertigen. In einer Stellungnahme zu Hallervordens Auftritt heißt es: „In seiner Rolle als Häftling thematisierte er überspitzt den Wandel der Sprache und verwendete dabei Begriffe, die heute aus guten Gründen nicht mehr zeitgemäß sind – in diesem satirischen Kontext jedoch bewusst als Provokation gesetzt wurden.“ Man selbst spreche sich ganz klar gegen jeden Rassismus aus und stehe für Vielfalt und Kunstfreiheit.
Leider ist die Erklärung nicht glaubwürdig. Das Statement wirkt vielmehr wie eine Floskel, mit der man sich aus der Verantwortung stehlen will. Dass Millionen Menschen durch die Verwendung genannter Begriffe verletzt werden, ist längst im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Dass die ARD diese Tatsache nicht zur Kenntnis nimmt, ist ein Zeichen für Ignoranz.
In den Kommentaren in den sozialen Netzwerken fühlten sich viele Menschen nach der Ausstrahlung vor den Kopf gestoßen. Dennoch gab es keine Entschuldigung der ARD, keine Einsicht oder die Überlegung, in der Redaktion über kontroverse Themen in Zukunft besser zu diskutieren und sich mehr mit den Blickwinkeln Betroffener auseinanderzusetzen. Viele Menschen kämpfen seit Jahren dafür, dass das N-Wort nicht mehr reproduziert werden darf. In bekannten Kinderbüchern wurde die Veröffentlichung bereits zu Recht untersagt. Aber in der ARD wird es lapidar als Bestandteil eines Sketches entschuldigt.
Die Nutzung des Z- sowie des N-Wortes ist ganz klar diskriminierend und rassistisch. Besonders das N-Wort erinnert an die Unterdrückung und Versklavung schwarzer Menschen in der Vergangenheit. Beide Begriffe sind keine neutralen Worte, um eine Menschengruppe zu beschreiben, sondern entspringen einer Zeit, in der diese als minderwertig angesehen wurden. Bei ihrer Nutzung schwingt stets etwas Herablassendes mit, die Wörter werden von Betroffenen als Beleidigung empfunden. Durch die Reproduktion ist es noch schwieriger, sich von solchen Stereotypen zu lösen.
Beleidigende Wörter sind keine „Kunst“
Das Aussprechen der Wörter ist daher auch nicht mit „Meinungsfreiheit“, oder mit „Satire“ bzw. „Kunst“ zu rechtfertigen, sondern bleibt falsch und gefährlich. Es gab von Seiten der ARD keine Einordnung zum N-Wort. Keine (Trigger-)Warnung. Es wurde einfach ausgesprochen und gesendet. Offenbar gab es niemanden, der die Sensibilität des Themas erkannt und eine Ausstrahlung verhindert hätte. Das ist beschämend.
Vielleicht wäre es angebracht, über mehr Diversität in den eigenen Reihen nachzudenken. Über ein Anti-Rassismus-Training. Man hätte Hallervorden aufklären können.
In jedem Fall sollte man folgende Gedanken einmal mitnehmen: Die Kritik hat rein gar nichts mit übertriebener Wokeness zu tun. Sondern mit dem Wunsch nach einem aufgeklärten öffentlich-rechtlichen Fernsehen ohne Rassismus oder Diskriminierung, für das wir alle in der Gesellschaft gleichermaßen zahlen. Da ist ein Sketch auf Kosten von Menschengruppen, die in der Vergangenheit verfolgt, drangsaliert und getötet worden sind, der falsche Weg. Das Z- sowie das N-Wort sollte nicht mehr ausgesprochen werden. Aus guten Gründen. Daran sollten wir uns alle halten. Erst recht in einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt.