In Sachsen-Anhalt suchen Betroffene von in der DDR erlittenem Unrecht weiterhin Beratung. Die Fälle sind teilweise kompliziert. Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?

In Sachsen-Anhalt haben im vergangenen Jahr 22 Betroffene von SED-Unrecht Unterstützung aus einem Härtefallfonds des Landes erhalten. Insgesamt stellten 58 Personen einen Antrag, fünf davon wurden abgelehnt, 31 für das neue Haushaltsjahr zurückgestellt, wie Sachsen-Anhalts Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Johannes Beleites, bei der Vorstellung seines Tätigkeitsberichts sagte. 2024 hatte der Fonds erstmals ein Volumen von 100.000 Euro. Die Zahl der Anträge zeige, dass der Unterstützungsbedarf weiterhin groß sei, so Beleites.

Betroffene in wirtschaftlichen Notlagen werden einmalig mit einem Betrag von bis zu 5000 Euro unterstützt. Gefördert werden etwa Maßnahmen zur Linderung von Gesundheitsschäden, zur gesellschaftlichen Integration oder zur leichteren Alltagsbewältigung. Ein Mann, der wegen seiner Fluchtpläne in der DDR inhaftiert worden war und heute unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, erhielt etwa zur Verbesserung seiner Mobilität einen Zuschuss zur Anschaffung eines Mopeds.

Insgesamt sind im vergangenen Jahr rund 300 Personen vom Aufarbeitungsbeauftragten beraten worden, viele davon mehrfach. „Nach unserem Eindruck werden die Fälle komplizierter“, sagte Beleites. Bei Menschen mit schweren Schicksalen wie ehemaligen Heimkindern sei etwa viel Recherche notwendig, um herauszufinden, warum sie in diese Situation geraten seien. Jedes Gespräch habe zudem auch eine sozialpsychologische Komponente. Es sei wichtig, sich für die Betroffenen Zeit zu nehmen, ihnen zuzuhören und sensibel auf sie einzugehen, so Beleites.

Keding: „Man kann es nicht ungeschehen machen“

In Zusammenarbeit mit der Caritas hat es im vergangenen Jahr an 21 Orten im Land insgesamt 128 Sprechtage gegeben. „Wir arbeiten daran, das Beratungskonzept weiterzuentwickeln. Denn viele Betroffene, insbesondere ehemalige Heimkinder, wissen gar nichts von den Rehabilitierungsmöglichkeiten“, sagte der Aufarbeitungsbeauftragte.

Für das Parlament sei es wichtig, dass es weiterhin eine Anlaufstelle für das SED-Unrecht gebe, sagte Landtags-Vizepräsidentin Anne-Marie Keding (CDU). „Man kann es nicht ungeschehen machen“, so Keding. Aber man könne das erlittene Unrecht anerkennen und Entschädigungen leisten.

Beleites erwartet mehr Arbeit

Beleites würdigte außerdem die umfassende Reform der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze durch Bundestag und Bundesrat. Damit sei für die Betroffenen von SED-Unrecht viel erreicht worden, betonte er. „Das bedeutet aber künftig für uns auch mehr Arbeit, denn die Betroffenen müssen über die neuen Möglichkeiten informiert und bei ihrem weiteren Vorgehen beraten werden.“

Mit der einstimmig beschlossenen Gesetzesänderung steigt die monatliche Opferrente von 330 auf 400 Euro. Die bisherige Bedürftigkeitsprüfung soll entfallen. Das Gesetz vereinfacht auch die Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden bei SED-Opfern.

Etwa 3.000 Anträge auf Einsicht in Stasi-Akten

Einen Schwerpunkt will der Landesbeauftragte in den nächsten Jahren unter anderem auf die Weiterentwicklung des „Grünen Bands“ legen. Die ehemalige innerdeutsche Grenze sei ein wichtiger Erinnerungsort zum SED-Unrecht in Sachsen-Anhalt. Die vorhandenen Reste der Grenzsicherungsanlagen müssten bewahrt werden, so Beleites. Es seien Orte, an denen Menschen gewaltsam zu Tode gekommen seien.

In Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr rund 3.000 Anträge auf Einsicht in Stasi-Akten gestellt worden. Das entspricht in etwa dem Niveau des Vorjahres. Das Ministerium für Staatssicherheit, kurz Stasi, war die Geheimpolizei und der geheime Nachrichtendienst der DDR. Es wurde faktisch nur von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) geführt.

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