Friedrich Merz ist noch nicht einmal als Kanzler vereidigt, da droht ihm schon die erste große Niederlage. Kommt das Finanzpaket durch den Bundestag? Die wichtigsten Fakten.

Es soll die Grundlage für eine neue schwarz-rote Koalition sein: ein Multimilliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur. Doch Union und SPD drohen schon mit ihrem ersten gemeinsamen Vorhaben zu scheitern – denn sie brauchen Grüne oder FDP und die sind bisher nicht zur Zustimmung bereit. Was man über die Pläne und die Kritik daran wissen muss:

Was genau ist geplant?

Union und SPD wollen das Grundgesetz an mehreren Stellen ändern und so drei Dinge regeln: Verteidigungsausgaben sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – also etwa 44 Milliarden Euro – unter die Schuldenbremse fallen. Alles, was darüber hinausgeht, soll beliebig aus Krediten finanziert werden dürfen. Außerdem sollen die Länder mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen: Zusammen sollen sie künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen dürfen. Drittes Vorhaben ist ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur, das von der Schuldenbremse ausgenommen und mit 500 Milliarden Euro aus Krediten gefüttert werden soll. 

Was soll das bringen?

Es wäre eine riesige Finanzspritze für zwei Bereiche, in denen Experten einen großen Investitions-Aufholbedarf sehen. Allein für das Zwei-Prozent-Ziel der Nato braucht Deutschland laut Verteidigungsminister Boris Pistorius ab 2028 jährlich 85 bis 90 Milliarden Euro. Die Bundeswehr soll so fit gemacht werden, dass die Angreifer abschreckt und einen Kampf bestehen kann. Außerdem will Deutschland die von Russland angegriffene Ukraine weiter unterstützen. 

Einen riesigen Investitionsstau gibt es auch bei Autobahnen, Brücken, Schiene, bei den Energienetzen, bei Kitas, Schulen und Hochschulen. 500 Milliarden Euro in zehn Jahren könnten Deutschland einen großen Modernisierungsschub bringen. Und sie könnten dafür sorgen, dass sich die Bundesregierung nicht entscheiden muss zwischen Geld für Infrastruktur und Geld etwa für soziale Absicherung oder andere wichtige Dinge. Man könnte sich beides leisten. Das birgt aber auch die Gefahr, dass Unnötiges finanziert und Streit zwischen den Koalitionspartnern durch Finanzgeschenke gelöst wird. 

Wo käme das Geld dann her – und wer muss die Zeche zahlen?

Der Staat besorgt sich frisches Geld, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt ausgibt. Mit dem Kauf einer Staatsanleihe leiht ein Anleger dem Staat Geld und bekommt dafür Zinsen. Auf lange Sicht muss der Kredit zwar getilgt werden – anders als bei Privatleuten kann man das aber weit in die Zukunft verschieben. So lange muss der Staat aus seinen jährlichen Haushalten Zinsen zahlen.

Bisher hat Deutschland bei den Ratingagenturen eine Top-Bonität, das heißt, der Staat kann sich Geld zu sehr guten Zinssätzen leihen. Experten sehen dieses Rating auch bei einer größeren Verschuldung eher nicht in Gefahr. Selbst mit einer Schuldenquote von 82 Prozent in der Finanzkrise 2010 konnte Deutschland sein AAA-Rating halten. Ob das diesmal gelingt, wird auch davon abhängen, wie viel Vertrauen die Agenturen in die Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaftskraft des Landes setzen. 

Konsequenzen könnten auch die Pläne allerdings zum Beispiel für Hausbauer haben. Direkt nach der Ankündigung stiegen die Bauzinsen – das hängt mit der Rendite von Bundesanleihen zusammen. Ob der Effekt dauerhaft anhält, lässt sich nicht seriös vorhersagen, die Bauzinsen ändern sich täglich und können spürbar schwanken.

Welche Chancen hat das im Bundestag?

Union und SPD können ihre Pläne nicht allein beschließen – weil es um Grundgesetzänderungen geht, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Im neuen Bundestag sind AfD und Linke zusammen so stark, dass sie die Reform blockieren könnten. Deshalb soll der alte Bundestag noch schnell entscheiden. Doch auch hier sind Stimmen von Grünen oder FDP nötig – und die sind gerade mehr als unsicher. Am ehesten könnte man wohl mit den Grünen noch einen Kompromiss finden. 

Was wollen die Grünen?

Die Grünen befürchten, dass mit dem Paket teure Wahlgeschenke wie die Mütterrente und eine höhere Pendlerpauschale finanziert werden, dass das Land aber kaum vorankommt. Eine Ausnahme der Schuldenbremse für die Verteidigung würden sie mit einigen Änderungen wohl mitmachen. Die Milliarden für die Infrastruktur wollen sie aber anders organisieren und so sicherstellen, dass das Geld wirklich in zusätzliche Projekte fließt. Sie wollen verhindern, dass Infrastrukturausgaben kaum noch aus dem normalen Haushalt, sondern aus dem Sondertopf finanziert werden, um Haushaltsmittel freizumachen für Wahlgeschenke.

Ein Vorschlag ist, dass das Paket aufgeteilt wird: Die Schuldenbremsen-Ausnahme könnte der alte Bundestag mit Stimmen von Union, SPD und Grünen beschließen. Für Infrastruktur-Milliarden müsste der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) im neuen Bundestag dann eine Lösung nicht nur mit SPD und Grünen, sondern auch mit den Linken finden. Nur so hätte er die nötige Mehrheit. 

Könnte das ein Kompromiss sein?

Für die SPD wohl kaum. Denn ihr sind die Milliarden für die Infrastruktur besonders wichtig – und in dieser Variante wären sie nicht garantiert. Alles käme darauf an, ob Union und Linke zusammenarbeiten können. Bei einer Aufsplittung gilt auch der Beschluss der Verteidigungs-Ausnahme nicht mehr als sicher. Denn viele Abgeordnete der alten SPD-Fraktion werden im nächsten Bundestag nicht dabei sein. Ob sie sich noch an eine Fraktionslinie halten oder Teil eins der Vereinbarung wütend ablehnen würden, weil die Infrastruktur-Milliarden fehlen, ist offen. 

Wird heute schon entschieden?

Nein, das Gesetz muss im Parlament mehrere Runden drehen. Nach der ersten Lesung heute folgt zum Beispiel noch eine Anhörung im Haushaltsausschuss. Die entscheidende Lesung und Abstimmung ist aktuell für den 18. März geplant. Viel mehr Zeit ist auch nicht, denn am 25. März tritt der neue Bundestag zusammen. 

Welche Rolle spielt der Bundesrat?

Eine Grundgesetzänderung braucht zusätzlich zum Bundestagsbeschluss mindestens zwei Dritteln der Länderstimmen – und auch die sind nicht sicher. Drei Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bremen) fordern, dass die Länder mehr als die geplanten 100 Milliarden vom Infrastruktur-Sondertopf abbekommen. Bundesländer mit Linken, FDP oder BSW in der Regierung können wohl ohnehin nicht zustimmen, weil ihre Regierungsparteien keine einheitliche Linie finden. Und auch die Freien Wähler in Bayern haben ihre Zustimmung bisher offengelassen.

Wenn das Vorhaben scheitert, wird Merz dann nicht Kanzler?

Union und SPD hätten dann zumindest die Grundlage ihrer bisherigen Einigungen verloren. Ohne das zusätzliche Geld werden viele Vorhaben nicht finanzierbar sein – oder es wären heftige Kürzungen in anderen Bereichen im Haushalt nötig. Ob die SPD unter diesen Voraussetzungen noch bereit wäre, mit der Union zu regieren, ist ungewiss. Zumindest müsste wohl vieles noch einmal auf den Tisch und ganz neu besprochen werden. Eine echte Alternative zu einer schwarz-roten Koalition gibt es nach der Bundestagswahl allerdings auch nicht, wenn man Kooperationen mit der AfD und Minderheitsregierungen ausschließt.