Seit 2021 dürfen Insekten in der EU im Essen landen – große Skepsis inklusive. Wie sieht es vier Jahre später bei den Konsumenten sowie im Supermarkt aus?
Insekten findet man hierzulande bislang eher in der Natur als auf dem Teller. Doch immer mehr Insekten werden durch die Europäische Union als Lebensmittel beziehungsweise als deren Bestandteile in der EU zugelassen. Seit Kurzem darf etwa UV-behandeltes Insektenpulver aus Larven des Mehlkäfers in Lebensmitteln verwendet werden. Doch obwohl Insekten Vorteile bieten, entwickelt sich der Markt eher schleppend. Ein Überblick:
Warum überhaupt Insekten essen?
Im Gegensatz zu Deutschland sind in vielen Ländern weltweit Insekten auf dem Teller nichts Ungewöhnliches. Laut Constanze Rubach von der Verbraucherzentrale Niedersachsen sind sie Quellen für ungesättigte Fettsäuren, B-Vitamine und wichtige Mineralstoffe. Zudem haben sie einen ähnlichen Proteinanteil wie Schweine-, Rind- oder Putenfleisch – und sind für einige eine denkbare Alternative zum Fleischkonsum. „Der genaue Proteinanteil variiert je nach Art des Insekts“, so Rubach. Zudem sei die Zucht von Insekten klimafreundlicher als die von Wirbeltieren.
Wie verbreitet sind Insekten in Lebensmitteln inzwischen?
Genau lässt sich das nicht sagen. „Generell liegen uns keine dezidierten Marktinformationen über Lebensmittel mit Insektenanteil vor“, teilt der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
In den Supermarktregalen ist insektenhaltige Nahrung nach Angaben großer Unternehmen zumindest noch nicht im großen Stil zu finden. So haben auf dpa-Anfrage Rewe, Edeka, Kaufland, Aldi, Lidl, Penny und Netto einstimmig angegeben, in ihren Eigenmarken keine Produkte mit Insektenbestandteilen im Sortiment zu führen.
Dennoch nimmt die Produktion nach Branchenangaben zu. 2023 lag laut International Platform of Insects for Food and Feed (IPIFF), einer europäischen Interessenorganisation des Insektenproduktionssektors, die Gesamtproduktion von Insekten für den menschlichen Verzehr EU-weit bei etwas mehr als 800 Tonnen. Schätzungen für dieses Jahr prognostizieren demnach eine Produktion von 2.755 Tonnen.
Das ist im Vergleich aber verschwindend gering: Laut Eurostat lag die Fleischerzeugung aus Schweinen 2023 bei 20,6 Millionen Tonnen, die aus Geflügel bei 13,3 Millionen Tonnen.
Was ist in der EU erlaubt?
Insekten gelten als sogenannte neuartige Lebensmittel und müssen von der EU zugelassen werden, bevor sie auf den Markt gebracht werden können. 2021 ließ die Europäische Kommission erstmals Insekten in Lebensmitteln zu. So ist der Mehlkäfer in verschiedenen Formen und Varianten erlaubt – etwa gefroren, getrocknet und als Pulver. Zudem dürfen die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria), die Hausgrille (Acheta domesticus) sowie der Getreideschimmelkäfer (Alphitobius diaperinus) – auch unter dem Namen Buffalowurm bekannt – verarbeitet werden.
Vor wenigen Wochen hat die Kommission zudem die Verwendung von UV-behandeltem Pulver ganzer Larven des Mehlkäfers (Larven von Tenebrio molitor) genehmigt. Außerdem gibt es laut Kommission weitere Anträge für Insekten, die in verschiedenen Formen vermarktet werden sollen. Diese werden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit einer Sicherheitsbewertung unterzogen.
Was halten Menschen in Deutschland von Insekten in Lebensmitteln?
Mit 83 Prozent hat die große Mehrheit in Deutschland einer aktuellen YouGov-Umfrage im Auftrag der dpa zufolge zwar bislang keine Insekten gegessen. Aber zumindest knapp jeder Zehnte (8 Prozent) hat die Tiere bereits bewusst gegessen und 18 Prozent antworteten, dass sie diese probieren würden.
Fast zwei Drittel der Befragten gab an, bisher keine Insekten gegessen zu haben und dies auch in Zukunft nicht zu wollen. Auf Platz eins der Gründe, die die Befragten vom Insekten-Konsum abhalten, liegt eindeutig Ekel (62 Prozent). Dahinter folgten kulturelle Gewohnheiten (24 Prozent) und unbekannte Inhaltsstoffe (22 Prozent). 14 Prozent gaben an, es gebe keine Gründe, die sie davon abhielten.
In welchen Lebensmitteln können Insekten vorkommen?
Tatsächlich in einer ganzen Menge. Laut Lebensmittelverband Deutschland können Wanderheuschrecke, Hausgrille und Co. etwa in Brot, Nudeln, Fleischersatzprodukten, Keksen, Soßen, Kartoffelerzeugnissen, Pizzen, Molkenpulver oder auch Schokolade stecken.
Und auch wenn bei manchen beim Verspeisen Gedanken an das Dschungelcamp aufkommen: In Deutschland gibt es in der Tat Restaurants, in denen ganze oder auch verarbeitete Insekten angeboten werden. Wie viele es gibt, kann der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA allerdings nicht beziffern.
Und können sie in Lebensmitteln „versteckt“ werden?
Nein, in der Zutatenliste muss eindeutig angegeben sein, wenn sich etwa ein Käfer oder eine Heuschrecke im Produkt befindet – und zwar sowohl mit der lateinischen Bezeichnung als auch mit dem geläufigen Namen.
Das gilt nicht nur für Nahrungsmittel aus Supermärkten – sondern auch für Produkte vom Bäcker. Aus den Leitsätzen für Brot und Kleingebäck geht laut Christopher Kruse, Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, klar hervor, welche Zutaten in gängigen Brotsorten enthalten sein dürfen. „Sollte ein Bäcker hiervon abweichen wollen, müsste er das gesondert kennzeichnen“, sagt Kruse.
Außerdem sind Lebensmittel mit Insektenanteilen bisher etwas Besonderes, deswegen sollen diese Zutaten oft direkt auf den ersten Blick erkennbar sein, so der Lebensmittelverband Deutschland.
Wächst der Markt?
„Aktuell sieht es nicht danach aus, dass der Markt für Lebensmittel mit Insekten als Zutat wächst“, heißt es vom Lebensmittelverband Deutschland. Zudem sei etwa Mehl aus Insekten teurer als das aus Weizen. Das heißt, dadurch werden Lebensmittel auch entsprechend teurer. „Bisher stellt die Insektenzucht eine Nische auf dem Lebensmittelmarkt dar“, bilanziert auch Verbraucherschützerin Rubach.